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Dokumentation: Wie Franklin D. Roosevelt sein Erfolgsprogramm gegen die Depression finanzierte

[i]Als Franklin Delano Roosevelt im März 1933 das Amt des amerikanischen Präsidenten antrat, herrschte auch in Amerika eine tiefe Depression mit fast 13 Millionen Arbeitslosen und einem Kollaps der Industrieproduktion um mehr als die Hälfte seit 1929. Aus aktuellem Anlaß bringen wir im folgenden einen Beitrag über die Finanzierung des "New Deal" aus einem Artikel über Roosevelts erfolgreichen Kampf gegen die Wirtschaftskrise, den der EIR-Wirtschaftsredakteur Richard Freeman 2002 veröffentlichte.[/i]

Franklin Roosevelt stand als neugewählter Präsident vor der ungeheuren Aufgabe, den Prinzipien der amerikanischen Revolution, wie sie zentral in der [i]Gemeinwohlklausel[/i] der Verfassung zum Ausdruck kommen, wieder Gültigkeit zu verschaffen und auf dieser Basis die Wirtschaftskrise zu meistern. Dies gelang ihm mit großem Erfolg. Praktisch mußte er es mit allen Hauptaspekten der Wirtschaftskrise - dem Bankenkrach, der realwirtschaftlichen Depression und dem massiven Rückgang des Lebensstandards - gleichzeitig aufnehmen. Das war eine sehr große Herausforderung, aber er war auf sie gut vorbereitet. Am 4. März 1933 umriß Roosevelt sein Konzept in seiner Rede zur Amtseinführung:

"Lassen Sie mich also zuallererst meine feste Überzeugung bekräftigen: Das einzige, das wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst - namenlose, unvernünftige, unberechtigte Angst, die notwendige Anstrengungen, den Rückzug in Vormarsch zu verwandeln, lähmt. Die Geldwechsler sind von ihren hohen Stühlen im Tempel unserer Zivilisation geflohen. Wir können nun diesen Tempel den alten Wahrheiten wieder zurückgeben. In welchem Maße das gelingt, hängt davon ab, inwieweit wir uns an edleren gesellschaftlichen Werten ausrichten als nur dem bloßen Geldgewinn. Das Glück liegt nicht im Besitz von Geld an sich - es liegt in der Freude am Errungenen, in der Hochstimmung schöpferischer Arbeit. Wir dürfen nicht länger die Freude und moralische Erbauung an der Arbeit in der verrückten Jagd nach vergänglichem Gewinn untergehen lassen. Diese dunklen Tage werden alle ihre Opfer wert gewesen sein, wenn sie uns lehren, daß unser wahres Schicksal nicht ist, sich dienen zu lassen, sondern uns selbst und unseren Mitmenschen zu dienen. Unsere größte, vorrangige Aufgabe ist es, die Menschen in Arbeit zu bringen. Das ist kein unlösbares Problem, wenn wir es weise und mutig angehen."

Weiterhin forderte Roosevelt eine "nationale Planung und Aufsicht über Verkehr, Kommunikation und alle anderen Einrichtungen mit eindeutig öffentlichem Charakter ... Alle Bankgeschäfte, Kredite und Investitionen müssen streng überwacht werden; es muß Schluß sein mit der Spekulation mit dem Geld anderer Leute, und man muß für eine angemessene, aber gesunde Währung sorgen." Er schloß mit den Worten: "Ich bin darauf vorbereitet, gemäß meiner verfassungsmäßigen Pflicht die Maßnahmen zu ergreifen, derer eine gebeutelte Nation inmitten einer krisengeschüttelten Welt bedürfen könnte. Für den Fall, daß der Kongreß [versagt], während sich die Nation immer noch in einer kritischen Lage befindet, werde ich ohne Scheu den klaren Weg der Pflicht betreten, der dann vor mir liegt. Ich werde von dem Kongreß das eine Mittel fordern, das dann zur Bekämpfung der Krise noch übrigbleibt: breite Exekutivgewalt, um einen Krieg gegen den Notstand zu führen, so umfassend wie die Machtbefugnisse, die ich erhielte, wenn tatsächlich eine feindliche Macht unsere Grenzen überschritte."

Roosevelt war also entschlossen, alle Vollmachten auszuschöpfen, mit denen die US-Verfassung das Präsidentenamt für derartige Krisenzeiten ausstattete. Er würde sich immer im Rahmen der Verfassung bewegen und nicht versuchen, sie zu verletzen. Dabei war Roosevelt klar, daß er die Depression - die sich vor allem an der Massenarbeitslosigkeit zeigte sowie an dem verheerenden Bankenkrach, der am Tag seines Amtsantritts den absoluten Höhepunkt erreichte - nur dann überwinden konnte, wenn er ihre Grundübel beseitigte. Dazu mußte er einerseits mithilfe moderner Technik eine [i]Infrastruktur[/i] aufbauen, als deren "Pilotprojekt" die Tennessee Valley Authority (TVA) fungierte, die praktisch den ganzen USA einen spektakulären Anstieg der Produktivität und ihrer produktiven Arbeitskraft bescherte; andererseits mußte er sofort [i]staatliche Bauvorhaben[/i] in Angriff nehmen, die nicht nur Millionen Arbeiter anstellten, sondern auch als "Multiplikatoren" wirkten, indem sie die brachliegenden Industriekapazitäten und entsprechenden Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft reaktivierten. Außerdem führte Roosevelt - erstmals in den USA - Maßnahmen zur Förderung der [i]sozialen Gerechtigkeit[/i] ein, die vor allem den "vergessenen Menschen" Amerikas Hoffnung boten und den Rentnern wirtschaftliche Sicherheit brachten.

Im Zentrum dieser notwendigen Maßnahmen zur Ankurbelung der Realwirtschaft standen aber zweifellos Roosevelts Maßnahmen zur Umstrukturierung des völlig bankrotten [i]Banken- und Kreditwesens[/i], ohne die diese und weitere Projekte gar nicht hätten finanziert und realisiert werden können. Zunächst mußte Roosevelt den laufenden Kollaps des amerikanischen Bankenwesens stoppen und die Zwangsschließungen und -räumungen von Farmen und Wohnungen aufhalten. Die Wirtschaft war auf ein funktionierendes Bankensystem angewiesen. Roosevelt mußte sicherstellen, daß Kredit in die produktiven Bereiche der Wirtschaft floß. Ihm stand keine Nationalbank zur Verfügung, aber er verwandelte die Finanzgesellschaft für Wiederaufbau (Reconstruction Finance Corporation, RFC) in ein Hamiltonisches Kreditinstrument, das großzügig billigen Kredit in die Realwirtschaft und die Infrastruktur lenkte und so die Produktion ankurbelte. Außerdem beschloß FDR zahlreiche [i]protektionistische Regelungen[/i], also Schutzmaßnahmen, die Amerikas souveräne Oberhoheit über seine Kreditpolitik und wirtschaftlichen Angelegenheiten stärkten. In dem Maße, wie diese Maßnahmen bewußt die Wall Street und die Londoner City schwächten, konnte Roosevelt die Wirtschaft von der Spekulation weg wieder in produktive Bahnen lenken.

Alle diese Maßnahmen des "New Deal" müssen als das verstanden werden, was sie waren: ein integriertes Paket, dessen Elemente sich ergänzten und wechselseitig verstärkten. Infrastrukturbauten und andere staatliche Vorhaben konnten nur Erfolg haben, wenn es ein stabiles, funktionierendes Bankenwesen und gezielt gesteuerte Kredite gab. Das Bankensystem konnte nur funktionieren, wenn die Kredite sicher waren, und dafür sorgten wiederum die Infrastrukturbauten, weil sie eine wachsende Wirtschaft und ein stabiles Geschäftsleben garantierten.

Lösung der Bankenkrise "in 24 Stunden"

Bereits fünf Tage nach Amtsantritt, am 9. März 1933, berief Roosevelt den Kongreß zu einer Sondersitzung zur Bankenkrise ein und setzte seine wichtigsten Maßnahmen durch - innerhalb von 24 Stunden war das "Banken-Notstandsgesetz" unterzeichnet. Der eigentliche Kern dieser finanzpolitischen Maßnahmen war, die quasi diktatorische Kontrolle der Londoner City und der Wall Street über das amerikanische Kreditwesen zu durchbrechen, die dafür gesorgt hatte, daß die Banken Kredite fast ausschließlich für Spekulationszwecke vergaben. Roosevelt setzte zahlreiche protektionistische Maßnahmen durch, die die Kredit- und Geldpolitik der Kontrolle der Wall Street und der City entrissen und wieder - wie in der amerikanischen Verfassung verankert - der rechtmäßigen Souveränität der Regierung unterstellten, damit Geld in Produktion statt in Spekulation floß.

Mit den ersten Maßnahmen erreichte Roosevelt eine grundlegende, allerdings nur teilweise Reorganisation der Banken. Doch sein schnelles und entschiedenes Handeln schuf Vertrauen. Nach drei Jahren ständiger Bankenschließungen schaffte er es, daß nach 31 Tagen drei Viertel der Banken wieder geöffnet waren und arbeiteten. Am Sonntag dem 5. März 1933, seinem zweiten Tag im Amt, schloß er mit einer Exekutivanordnung alle Banken in den USA ab dem 6. März auf unbestimmte Zeit. Er berief sich dazu auf ein Gesetz über Handel mit dem Feind aus dem Jahr 1917. Mit diesem "nationalen Bankfeiertag" wurden alle Bankfeiertage einzelner Bundesstaaten ungültig. Die Anordnung gab weiterhin dem Finanzminister die Kontrolle über alle Devisen- und Goldtransaktionen. Nun galt es rasch zu handeln. In dieser Woche traf FDR sich häufig mit seinen finanzpolitischen Beratern unter Finanzminister Woodin und mit Vertretern der scheidenden Regierung Hoover unter dem früheren Finanzminister Mills. In den frühen Morgenstunden des 9. März war das BankenNotstandsgesetz fertig.

Die Reconstruction Finance Corporation (RFC) - die 1932 unter der Regierung Hoover gegründet worden war, um angeschlagenen Banken zu helfen, deren Kredite aber nichts geholfen hatten - sollte nun Aktien und Wertpapiere angeschlagener Banken kaufen, um deren Kapital zu erhöhen, ohne gleichzeitig deren Schulden zu vergrößern. Eine weitere Bestimmung des Gesetzes, die Roosevelt hart erkämpfen mußte, bevollmächtigte die Distriktbanken des Federal-Reserve-Systems, zuvor uneinlösbare Wertpapiere zu diskontieren und dagegen neue Bundesbanknoten auszugeben, um so die Liquidität der Wirtschaft zu vergrößern. Und es instruierte das Bankaufsichtsamt, Konkursverwalter zu ernennen, um insolvente Banken zu schließen. Das Gesetz sah die Einteilung der Banken in drei Kategorien vor: 1. gesunde Banken, die ihre Geschäfte aus eigener Kraft weiterführen konnten, 2. Banken, die eine Kapitalspritze von der RFC brauchten und 3. Banken, die durch einen Insolvenzverwalter liquidiert würden.

Am 9. März um 12 Uhr mittags sandte Roosevelt dem Kongreß zur Vorlage des Notstands-Bankengesetzes die Botschaft: „Ich kann dem Kongreß die Dringlichkeit sofortigen Handeins nicht eindringlich genug ans Herz legen." Wie der Historiker William Leuchtenburg berichtet, ging es bei der Kongreßdebatte geradezu tumultartig zu. Den Kongreßsprecher Rainey erinnerte die Aussprache über den Gesetzentwurf an die Lage vor Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg, als "auf beiden Seiten des Hauses die von der Regierung vorgeschlagenen großen Kriegsmaßnahmen praktisch einstimmig unterstützt wurden ... Heute befinden wir uns in einem anderen Krieg, der sogar noch ernster ist und die Republik vor noch größere Gefahren stellt." Das Resultat dieser heftigen, kurzen Debatte: Das Repräsentantenhaus votierte einmütig für das Gesetz und auch der Senat stimmte mit der überwältigenden Mehrheit von 73:7 Stimmen zu. Der Senat beendete seine Sitzung um 19.52 Uhr; um 20.37 Uhr unterzeichnete Roosevelt das Gesetz. Alles in allem hatte die ganze Sache von der ersten Vorlage bis zur abschließenden Unterzeichnung nur acht Stunden gedauert.

Am 12. März hielt Roosevelt sein erstes "Kamingespräch", das von schätzungsweise 60 Mio. Amerikanern, der Hälfte der US-Bevölkerung, an ihren Radiogeräten verfolgt wurde. Zentrales Thema war die Lage der Banken. "Einige unserer Bankiers ... haben das ihnen anvertraute Geld für Spekulationen mißbraucht", sagte Roosevelt und erläuterte seinen Zuhörern das BankenNotstandsgesetz und versprach, viele Banken wären am nächsten Morgen wieder geöffnet. Die Banken, die nach den Vorschriften des neuen Gesetzes wieder öffnen konnten, wurden mit zusätzlichem Bargeld versorgt, aber die Amerikaner zahlten in den nächsten Tagen mehr Geld ein, als sie abhoben! Nichts zeigt besser, wie sehr die Menschen Roosevelt vertrauten.

Bis zum 15. März konnten von den 18 399 Banken, die vor dem 3. März landesweit zugelassen waren, etwa 70 Prozent ohne Hilfe der RFC wieder öffnen. Bis zum 12. April stieg die Zahl auf 76 Prozent. 1100 Banken wurden im Laufe des Jahres 1933 von den Insolvenzverwaltern der Bankenaufsicht für zahlungsunfähig erklärt. Weitere 3114 angeschlagene Banken blieben geschlossen, waren aber nicht grundsätzlich insolvent. Anfangs lehnten diese Banken RFC-Gelder ab, aber das änderte sich bald. Immer mehr Banken, die gedacht hatten, aus eigener Kraft ihre Geschäfte weiterführen zu können, nahmen RFC-Liquiditätsspritzen an. Bis Juni 1935 hatte die RFC etwa 1,3 Milliarden Dollar in 6800 angeschlagene Banken investiert. Das bedeutete, daß die RFC mehr als ein Drittel allen ausstehenden Kapitals im amerikanischen Bankensystem hielt. Die RFC war nun sicher, daß die Banken stabil waren, und sie begann sich zurückzuziehen und die Beteiligungen abzubauen, ein Prozeß, der nach wenigen Jahren abgeschlossen war. Das Banken-Notstandsgesetz von 1933 war aber nur eine Teilreorganisation: Ein großer Teil der spekulativen finanziellen Verpflichtungen der Banken wurde damit nicht abgeschrieben. Allerdings hatten die Depression und der Bankenkollaps schon einen beträchtlichen Teil dieser spekulativen Schuldverschreibungen vernichtet. Dem Gesetz entsprechend schickte man einige Banken in den Konkurs, andere wurden reorganisiert, sie durften ihre faulen Verpflichtungen abschreiben und mit Kapitalspritzen der RFC ihre Kredite und Sparkonten weiterführen. Im Vergleich zu Roosevelts Maßnahmen ist LaRouches heutiger Vorschlag für ein Insolvenzverfahren des ganzen Bankensystems viel umfassender. Er sieht vor, nicht einlösbare Zahlungsverpflichtungen im Umfang von etlichen Billionen Dollar abzuschreiben und die Konten von Bürgern und Unternehmen zu schützen, während gleichzeitig eine Nationalbank eingerichtet wird, die Kredit in die produktive Wirtschaft lenkt.

Trotzdem bleibt festzuhalten: Ohne Roosevelts Maßnahmen wären viel mehr amerikanische Banken untergegangen als nur die 1100 Banken, die 1933 durch Konkursverwalter abgewickelt wurden. 1934 mußten nur noch 61 Handelsbanken schließen, im folgenden Jahr sogar nur noch 32. Roosevelt hatte es geschafft; der völlige Zusammenbruch des Systems war aufgehalten.

Kampf gegen die Kreditverknappung

Gleichzeitig mußte Roosevelt Kredite in die Realwirtschaft lenken, aber die privaten Bankinteressen um die Häuser Morgan, Mellon und DuPont behinderten ihn dabei nach Kräften. Im Depressionsjahr 1931 betrugen die Kredite der US-Banken in die US-Wirtschaft 38,1 Mrd. Dollar, was weit unter dem Niveau von 1929 lag. Ende 1935, nach zweieinhalb Jahren "New Deal", war diese private Kreditvergabe an die Wirtschaft nicht etwa gestiegen, sondern die immer noch stark von der Wall Street beeinflußten Banken hatten diese Kredite auf 20,3 Mrd. Dollar beschnitten - gegenüber 1931 also nochmals ein Rückgang um fast 50 Prozent! Anstatt die Wirtschaft über produktive Kredite anzukurbeln, kauften sie Regierungsobligationen. 1929 waren 21 Prozent der Bankengelder in US-Regierungsanleihen investiert, 1934 waren es 58 Prozent. Die Banken wollten damit die produktive Wirtschaft in die Knie zwingen und gleichzeitig von den Staatsanleihen profitieren.

Vergebens appellierte Roosevelt in persönlichen Gesprächen und öffentlichen Auftritten an die Banken, sich am New Deal zu beteiligen. Er kannte den verräterischen Tory-Hintergrund dieser Bankiers sehr gut. Am Abend seiner Inauguration schrieb er einem Bekannten, in seinem Kabinett "kennt keiner den Weg zur Wall Street Nr. 23" - dem Sitz des allmächtigen und besonders probritischen Bankhauses Morgan. "Es gibt keinen, der in irgendeiner Weise mit dem Trust der Macht oder mit den internationalen Bankiers verbunden ist." Um die destruktive Herrschaft der Wall Street über die Realwirtschaft zu brechen, kooperierte der Präsident eng mit dem Banken- und Währungsausschuß des Senats und dessen Chefberater, Ferdinand Pecora, einem lebhaften und sehr beharrlichen Mann. Pecora leitete die Untersuchungen des Ausschusses über die Hintergründe der Spekulationsblasen der Wall Street. Diese Anhörungen begannen 1933. Pecora lud J.P. Morgans Sohn Jack Morgan, inzwischen Chef des Bankenimperiums sowie andere Spitzenmanager Morgans und weitere führende Vertreter der Wall Street vor den Ausschuß - das alleine kam schon einer politischen Sensation gleich, war ein Morgan doch noch nie vor das Parlament gezwungen worden.

Es kam aber noch dicker: Die dort gemachten Aussagen enthüllten, wie die Wall Street gezielt finanzielle Kartenhäuser geschaffen und Spitzenpolitiker bis hin zum früheren Präsidenten Coolidge bestochen hatte! Ein direktes Resultat dieser Anhörungen war das GlassSteagall-Gesetz von 1933, das Investmentbanken und Handelsbanken streng voneinander trennte, Insiderkredite von Banken an ihre Partner untersagte und die Bundeseinlagenversicherung FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) ins Leben rief, womit die kleinen Sparer zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte versichert waren. Das Glass-Steagall-Gesetz war Teil eines ganzen Pakets neuer Regelungen an der Wall Street. Dazu gehörte auch das Wertpapier- und Börsengesetz von 1934, mit dem verschiedene Wall-StreetSpekulationen unterbunden und die Börsenaufsicht SEC geschaffen wurden.

Die entscheidende Rolle der RFC beim Aufschwung

Roosevelt kämpfte noch an zwei anderen Fronten gegen die "finanziellen Royalisten", wie er die anglo-amerikanischen Finanzinteressen nannte. Er nutzte alle seine Befugnisse, um die Zinsen für kurzfristige Kredite zu senken, von 4,2 Prozent 1932 auf 2,5 Prozent 1935 und 2,1 Prozent 1939. Und er beschloß, sich ein Instrument zu schaffen, das direkt Kredit in die Wirtschaft lenkt: die RFC. Roosevelt hatte sie, wie erwähnt, schon 1933 für die Bankenstabilisierung benutzt. Ihm gefiel die Art, wie die RFC gegründet worden war. Anfänglich hatte sie Börsenkapital ausgegeben, das von der Regierung gekauft wurde, d.h. sie war Regierungseigentum. Aber die RFC war ein finanziell unabhängiges, sich selbst tragendes öffentliches Unternehmen, das durch seinen eigenen Umlauffonds eine unabhängige Politik verfolgen konnte, indem es über das Finanzministerium eigene Anleihen an die Öffentlichkeit verkaufte.

Roosevelt entschied nun, die Handlungsfähigkeit der RFC weit über die Arbeit mit den Banken hinaus auszudehnen. Sie vergab für nützliche Wiederaufbauzwecke Kredite, die, wenn sie mit Zinsen zurückgezahlt wurden, den Geldbestand der RFC vergrößerten, so daß sie noch mehr verleihen konnte. So arbeitete sie praktisch wie eine Bank, und in den späten 30er Jahren wurde sie einer der größten Investoren in Wirtschaftsprojekte, ja am Volumen der Kreditvergabe gemessen sogar die größte Bank in den USA. Der Kongreß mußte nicht jedem ihrer wichtigen Projekte einzeln zustimmen, weil sie finanziell eigenständig und somit von Bundesmitteln unabhängig war.

Als Roosevelt sein Amt antrat, ernannte er umgehend einen neuen Direktor für die RFC: Jesse Jones, ein ehemaliger Holzfäller und Bankier aus Texas, der das Mißtrauen des Präsidenten gegenüber der Wall Street teilte. Roosevelt und Jones durchschauten die Bankiers, die gezielt den Kredit verknappten, und im Sommer 1934 griffen sie ein, um diese Lage zu verändern. Im Juni setzte Roosevelt im Kongreß eine Satzungsänderung der RFC durch, dank der sie nun direkte Darlehen an Handel und Industrie vergeben konnte. Auf einer Tagung der Amerikanischen Bankenvereinigung erklärte Roosevelt 1934: "Die alte, falsche Vorstellung, die Bankiers auf der einen Seite und die Regierung auf der anderen Seite seien zwei mehr oder weniger gleichberechtigte und unabhängige Einheiten, existiert nicht mehr. Aus der Notwendigkeit der Situation heraus muß die Regierung die Führung übernehmen, sie muß der

Richter über die widerstreitenden Interessen aller Gruppen der Gemeinschaft sein, eingeschlossen Bankiers."

Auf Anregung Roosevelts stellte die RFC wichtigen öffentlichen Einrichtungen Kapital zur Verfügung. Die Aktivitäten dieser Stellen reichten von der Abwendung von Zwangsversteigerungen bis hin zu Lohnzahlungen an Beschäftigte in staatlichen Infrastrukturbauvorhaben. Von 1933-38 gab die RFC 9,5 Mrd. Dollar aus. 4 Mrd. Dollar davon gingen an Banken, jeweils mehr als 1 Mrd. flossen in öffentliche Bauvorhaben und in den Eisenbahnbau, 1,5 Mrd. in die Landwirtschaft und mehrere hundert Millionen in den Wohnungsbau. Für die damalige Zeit waren das beträchtliche Summen - und die Wirkung dieser RFC-Zahlungen für Landwirtschaft, Wohnungsbau usw. vervielfachte sich noch: Wo immer man mit diesen Geldern Infrastrukturvorhaben finanzierte, gab es zahlreiche Folgeaufträge, welche die Produktion und Beschäftigung im privaten Sektor anregten. 1938-39 wurden die dirigistischen Aktivitäten der RFC über Regierungsstellen massiv zurückgeschraubt. Aber mit dem Beginn der wirtschaftlichen Mobilisierung für den Zweiten Weltkrieg wurde die RFC wieder ein wesentliches Instrument für das Wirtschaftswachstum.

Insgesamt gab die RFC von 1933-45 Kredite von 33 Mrd. Dollar aus, eine gewaltige Summe, mehr als das Kreditvolumen des gesamten kommerziellen Bankensystems zur gleichen Zeit. Und die Kredite der RFC waren stets darauf angelegt, vervielfältigende Wirkungen hervorzurufen. Ihr direkter Kredit wirkte wie ein Katalysator, der die Wirtschaft vorantrieb. 1947, nach Roosevelts Tod, verwaltete dieselbe RFC die Gelder der US-Regierung für den Marshall-Plan in Europa. Nicht zufällig wurde die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg so erfolgreich wieder aufbaute, nach dem Vorbild der RFC eingerichtet. Einige der KfW-Gründer orientierten sich an den positivsten Aspekten der RFC. In den ersten Diskussionen über die Gestaltung der KfW 1947 wurde sogar der Name Wiederaufbau-Kredit-Gesellschaft oder Reconstruction Loan Corporation gebraucht. Hermann Abs hatte zwar eigene Ideen für die Kreditschöpfung, aber er und andere deutsche Fachleute waren mit der Arbeitsweise der RFC bestens vertraut.

[i]*Richard Freeman: "Then and Now: How Roosevelt's Explosive 1933-45 Recovery Worked" in Economics: The End of A Delusion, LaRouche in 2004, Leesburg, Va. (USA), April 2002

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