06131-237384info@bueso.de

Britisches Außenamt erwog 1976 einen Militärcoup in Italien

Seit kurzem nicht mehr der Geheimhaltung unterliegende britische Dokumente belegen, daß das Foreign Office 1976 die Option eines Militärputsches in Italien in Erwägung zog, um eine Regierung unter Beteiligung der Kommunistischen Partei (PCI) zu verhindern. Die Putschoption wurde schließlich verworfen, aber zwei Jahre später wurde Aldo Moro, der Architekt einer möglichen Regierungsbeteiligung der PCI, von den Roten Brigaden entführt und umgebracht. Die Ermordung Moros sei vermutlich „die Ersatz-Hypothese" gewesen, erklärte ein Experte für den Fall Moro gegenüber dem Verfasser als Reaktion auf diese Londoner Enthüllungen.

Die italienische Tageszeitung [i]La Repubblica [/i]veröffentlichte am 13. Januar einen zweiseitigen Artikel, dessen Grundlage Dokumente waren, die der Journalist Mario J. Cereghino in Londoner Archiven gefunden hatte. Der Artikel zitiert ausführlich ein politisches Lagepapier des Foreign Office, diplomatische Depeschen aus Rom und Paris, sowie das Protokoll eines geheimen „Vier Mächte"-Treffens zur italienischen Frage. Die in den Archiven gefundenen Dokumente bestätigen auf dramatische Weise Londons Rolle bei der Destabilisierung Italiens und der Beseitigung Aldo Moros, was LaRouches Organisation in Italien schon 1976-78 behauptet hatte.

Moro hatte erkannt, daß sich die Anfälligkeit des Landes für Einmischungen von außen nur überwinden ließe, wenn man die PCI in eine prowestliche, uneingeschränkt demokratische Partei verwandelte. Dann spräche nichts mehr gegen einen Regierungswechsel, wie sie in anderen westlichen Demokratien üblich wären, und es gäbe keinen Grund mehr, Italien unter dem Vorwand der Bekämpfung des Kommunismus imperiale anglo-amerikanische Politik aufzuzwingen.

Dazu entwickelte Moro die Strategie der „parallelen Annäherung", d.h. die Möglichkeit einer Einbindung der PCI in die Regierungsverantwortung mit der DC in einer Regierung der „nationalen Solidarität". Auf diese Weise hätte die PCI der Welt beweisen können, daß sie eine demokratische Partei wäre, und den Weg für einen zukünftigen Wandel bereiten können.  Eines von Moros Zielen war dabei auch, sich gegen die Rechten in seiner eigenen Partei DC durchzusetzen, die in seinen Mitte-Links-Regierungen seit 1962 immer wieder Reformen verhindert hatten.

Unter völliger Mißachtung der Evolution der PCI in der von Moro vorgegebenen Richtung mobilisierten London und die mit London verbündeten Kreise in Washington und anderen europäischen Hauptstädten, um Moros Politik zu vereiteln.

In dieser Lage verfaßte der Planungsstab des Foreign Office ein der Geheimhaltung unterliegendes Papier mit Datum vom 6. Mai 1976 und dem Titel: „Italien und die Kommunisten: Optionen für den Westen". Auf Seite 14 lautet eine Überschrift: „Vorgehen zur Unterstützung eines Staatsstreichs oder anderer subversiver Tätigkeit", wo dann ausgeführt wird: „Aufgrund seiner Natur kann ein Staatsstreich zu unvorhersehbaren Entwicklungen führen. Dennoch könnte er, theoretisch, gefördert werden. Er könnte auf die eine oder andere Weise von rechtsgerichteten Kreisen ausgehen, mit Unterstützung von Armee und Polizei. Aus einer Reihe von Gründen könnte die Idee eines chirurgischen Putsches ohne Blutvergießen, geeignet sein, um die PCI von der Macht zu entfernen oder sie davon abzuhalten, an die Macht zu kommen. Es ist jedoch eine unrealistische Idee." Als Gründe dafür werden angeführt: Die Stärke der PCI in den Gewerkschaften, die Möglichkeit eines „langen und blutigen" Bürgerkriegs, eine mögliche Intervention der Sowjetunion und Reaktionen der öffentlichen Meinung im Westen. Aus all diesen Gründen wird die Option eines Militärputsches zurückgewiesen.

Dennoch blieb die Verhinderung einer Regierungsbeteiligung der PCI in Italien ganz oben auf der Prioritätenliste britischer diplomatischer Aktivitäten, wobei sie Unterstützung von Henry Kissingers State Department und der NATO hatten. Am 25. März 1976 ging ein Schreiben vom britischen Verteidigungsministerium an die Kollegen des Außenministeriums, in dem steht, daß eine italienische Regierung unter Beteiligung der PCI ein „katastrophales" Ereignis wäre. Der britische Botschafter bei der NATO, John Killick, schreibt, daß ein „Vorhandensein kommunistischer Minister in der italienischen Regierung zu einem unmittelbaren Sicherheitsproblem für die Allianz werden würde... Deshalb ist eine Nettoamputation [Italiens] einer internen Paralyse vorzuziehen."

Der britische Botschafter in Rom, Sir Guy Millard, schreibt, daß eine „Regierungsbeteiligung der PCI „das schnelle Ende des Systems der freien Marktwirtschaft" bedeuten würde. Millard ist auch gegenüber dem Führer der Christdemokratie Aldo Moro feindlich eingestellt: „Manchmal hört er sich in Bezug auf den historischen Kompromiß ziemlich doppeldeutig an", d.h. den Vorschlag der PCI für eine politische Allianz mit den Christdemokraten (DC).

Millard berichtet von seinen Unterredungen mit einem führenden Politiker der italienischen Republikanischen Partei (PRI), Giovanni Spadolini, der aufgebracht war, denn „Moros Beschluß, [den Vorsitzenden der PCI Enrico] Berlinguer vor dem Treffen des Ministerrats zu konsultieren, ist ein ernstes Symptom. Es bedeutet, daß die Kommunisten jetzt Teil der Mehrheit sind." Die PRI war eine pro-britische Partei, die ideologisch auf Giuseppe Mazzinis Version des liberalen Faschismus fußte und sehr viele Freimaurer und Repräsentanten von Banken als Mitglieder hatte.

In London warnte Henry Kissinger in einem Treffen mit dem neuen britischen Außenminister Antony Crosland, der Reformer Berlinguer sei für den Westen „gefährlicher als der [leninistische] Portugiese Cunhal".

Am 13. April erstellte eine Gruppe von Spezialisten der Westeuropa-Abteilung des Foreign Office ein Dossier, das eine operative anti-kommunistische Strategie definierte. Der erste Teil ist Optionen gewidmet, wie die PCI aus der Regierung herausgehalten werden kann, der zweite Teil befaßt sich mit der Frage, wie die PCI wieder aus der Macht entfernt werden kann. Fünf Szenarios stehen zur Debatte, vom weichen „business as usual"- Ansatz bis zur „wirtschaftlichen Überredung", einschließlich Druck von Seiten der Europäischen Gemeinschaft und des IWF. Option Nummer 4 trägt den Titel „Subversive oder militärische Intervention gegen die PCI": „Diese Option umfaßt eine Reihe von Möglichkeiten: von unauffälligen Operationen bis zur aktiven Unterstützung demokratischer Kräfte (finanziell oder sonstwie) mit dem Ziel der Vorbereitung eines Eingriffs zur Unterstützung eines von außen ermutigten Staatsstreichs." Die Gründe für ein pro oder contra werden beurteilt und die Option wird, wiederum, verworfen. Die fünfte Option lautet „Ausschluß Italiens aus der NATO". Auch das wäre ein Debakel für den Westen.

Auf dem Gipfeltreffen in Puerto Rico am 27. Juni 1976 wurde den führenden Repräsentanten der italienischen Regierung, Aldo Moro und Mariano Rumor, die Teilnahme an einem Treffen hinter verschlossenen Türen zwischen Ford, Callaghan, Schmidt und Giscard verweigert. Am Eingang zum Dorado Beach Hotel wurden Moro und Rumor in erniedrigender Weise von den Sicherheitsposten gestoppt. Die vier Regierungschefs beschlossen ein weiteres, geheimes Treffen in Paris am 8. Juli 1976, an dem für das US State Department Helmut Sonnenfeld, Yves Carnac für den französischen Präsidenten, Gunther van Well für das Auswärtige Amt in Bonn und Reginald Hibbert für das Foreign Office teilnahmen. Sie diskutierten Strategien für Italien. Der Journalist Filippo Ceccarelli, Autor des Berichts in [i]La[/i] [i]Repubblica[/i], bemerkte, daß nirgendwo in den Papieren des Foreign Office das Phänomen des Terrorismus in Italien angesprochen wird. Im Juni 1976 brachten die Roten Brigaden jedoch ihr erstes Opfer um, den Richter Coco.

Einer der Akteure der damaligen Verschwörungen, Sir Guy Millard, ist heute 90 Jahre alt. Er diente dem britischen Premierminister Anthony Eden während der Suez-Krise 1956 als Privatsekretär und nahm an den Geheimtreffen mit den Vertretern der französischen Regierung teil, bei denen es um die Planung des Suezkrieges ging. Eden hatte ihn angewiesen, sich keinerlei Notizen von diesen Treffen zu machen. Nachdem der Krieg wegen amerikanischer Opposition fehlschlug, trat Eden zurück, und Millard begann eine diplomatische Karriere. Zur Zeit ist er Schirmherr eines Kultes, der sich „Venedig in Gefahr"-Fonds nennt, auch bekannt als Britisches Komitee zur Rettung Venedigs, dessen Vorsitzender der Viscount of Norwick ist. Der Autor Giovanni Fasanella, der die britische Verbindung zur Moro-Ermordung in seinem Buch „Der geheimnisvolle Mittelsmann" bloßlegte, stellt in seinem Internetblog eine Reihe von Fragen: 1. „Was ermächtigte die britische Regierung, sich so massiv in die italienischen internen Angelegenheiten einzumischen?" 2. „Gab es eine ‚Britische Partei' in Italien, die die britischen Interessen vertrat?" 3. „Hatten britische Nachrichtendienste Verbindungen zu umstürzlerischen Kreisen in Italien?" 4. „Können wir sicher sein, daß, nachdem die Option eines rechtsgerichteten Staatsstreichs verworfen worden war, das Ziel nicht auf andere Weise weiterverfolgt und durchgesetzt wurde?"

Der frühere Senator Sergio Flamigni, Erforscher des Terrorismus und des Falles Moro, reagierte auf die neuen Londoner Enthüllungen gegenüber EIR auf folgende Weise: „Die Britische Partei war die Partei Edgardo Sognos," womit er sich auf die rechtsgerichtete Umsturzoperation bezog, die von Graf Edgardo Sogno Rata del Vallino geleitet wurde. Graf Sogno hatte auch die Führung der „links"-terroristischen Roten Brigaden unter seinen Fittichen.

Werden Sie aktiv!

Die Bürgerrechtsbewegung Solidarität erhält ihre Finanzmittel weder durch staatliche Parteienfinanzierung noch von großen kommerziellen Geldgebern. Wir finanzieren uns ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden,

deshalb brauchen wir Ihre Unterstützung!

JETZT UNTERSTÜTZEN