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Nahrungsmittelkrise: Londoner City fürchtet politischen Dammbruch

[i]Die Nahrungsmittelkrise hat die bisherigen Denkverbote erschüttert und veranlaßt
weltweit etliche führende Politiker, mit dem Freihandeldogma zu brechen. Die
Sprachrohre der Londoner City reagieren hysterisch.[/i]

[hr]

 

„Wir ereichen jetzt einen Punkt der Krise, und zwar weltweit, an dem
die Realität mit der weltweiten Nahrungsmittelsituation zuschlägt. Wir
haben das verstanden, und die Gegenseite
versucht, diesen Realitätsschock zu überspielen“, sagte der
amerikanische
Wirtschaftswissenschaftler Lyndon LaRouche am 4. Mai.

Ein klinisches Beispiel für den - vergeblichen - Versuch, den „Realitätsschock“ beiseite zu
schieben, findet sich im [i]Sunday Telegraph[/i].
Ein gewisser Liam Halligan, seines Zeichens „Chefökonom von Prosperity Capital
Management“ (ein Hedgefonds mit Sitz auf den Cayman-Inseln), schrieb dort ein wütendes
Editorial gegen die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP). Er wird hysterisch
bei dem Gedanken, daß die ursprünglichen protektionistischen Prinzipien der GAP
in anderen Teilen der Welt zum Tragen kommen könnten.

Halligan zetert: „Es ist unmoralisch, vorzuschlagen, daß die GAP die Lösung für die
Nahrungsmittelkrise darstelle. GAP ist nicht nur eine schlechte Idee, sondern
selbstgerecht und gefährlich. Führungspolitiker sollten sie am besten
öffentlich in der Luft zerreißen.“ Besonders der französische
Landwirtschaftsminister Michel Barnier und Präsident Sarkozy sollten sich in
Sack und Asche hüllen, weil sie diese Politik verträten. Es bestünde die
Gefahr, daß Sarkozy vorschlagen werde, der Rest der Welt solle die Politik der GAP übernehmen.

[i]Barnier[/i] hatte in den letzten Wochen nachdrücklich eine Erhaltung
und Wiederbelebung der GAP gefordert und diese in einem Leserbrief an die [i]Financial Times[/i] anderen, jetzt von der
Nahrungsmittelkrise bedrohten Nationen zur Nachahmung empfohlen. Er schrieb:

„...Zu behaupten, die Zukunft der ärmsten Länder der Welt läge in ihrer Fähigkeit, in die
reichsten Teile der Erde zu exportieren, ist eine doppelte Verneinung der
Realität. Denn diese Länder exportieren bereits in den größten Markt der Welt,
die Europäische Union. Und zweitens war es genau der Wechsel hin zur
exportorientierten Landwirtschaft, der die Selbstversorgung und die regionale
Produktion der ärmsten Länder der Welt ruinierte...

Versorgungssicherheit kann weder durch Protektionismus noch Handel
allein erreicht werden. Die Lösung muß vielmehr darin liegen, die
Produktion in der ganzen Welt zu entwickeln und
nicht nur dort, wo es am profitabelsten ist... Zu versuchen, armen
Bauern zu
helfen, indem man sie, die sowieso schon nicht konkurrenzfähig sind,
dem freien
Markt ausliefert, macht überhaupt keinen Sinn. In der Realität bedeutet
diese
sogenannte Hilfe, daß man Afrika jede Möglichkeit, eine ausreichende
Nahrungsmittelversorgung zu schaffen, auf absehbare Zeit verweigert.
Die einzig
dauerhafte Lösung wird dadurch blockiert - nämlich ein Klima zu
schaffen, in
dem längerfristige Investitionen in die Landwirtschaft möglich sind, um
so
Armut und Hunger zu beseitigen. In der Hinsicht kann die Gemeinsame
Landwirtschaftspolitik ein Modell sein.“

„Verdoppelt die Lebensmittelerzeugung!“

Barnier ist keineswegs der einzige prominente Politiker, der angesichts der Krise einen
öffentlichen Bruch mit der bisher vorherrschenden Freihandelspolitik vollzieht.
In Argentinien rief der Präsident des Landwirtschaftsausschusses des
Abgeordnetenhauses, [i]Alberto Cantero Gutierrez[/i], dazu auf, den 200. Jahrestag der Gründung der
Nation zu feiern, indem sich Argentinien verpflichtet, bis 2010 wieder seinen
traditionellen Platz als einer der wichtigsten Nahrungsmittellieferanten der Welt
einzunehmen. „Wir wollen die Nahrungsmittelerzeugung verdoppeln und mehr
Wohlstand schaffen. Argentinien sollte erneut zum großen
Nahrungsmittelversorger für die Welt werden und gleichzeitig die
Versorgungssicherheit für alle 40 Mio. Argentinier wieder herstellen.“
Genau eine solche Verdoppelung der Nahrungsmittelproduktion hatte wenige Tage
zuvor die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, gefordert
(siehe [url:"http://www.solidaritaet.com/neuesol/2008/19/][i]Neue Solidarität[/i] 19/2008[/url]).

Canteros Aufruf ist Teil eines großen politischen Richtungsstreits über die Agrarpolitik in
seinem Land (siehe auch Ausgabe 16/2008). Der Streit wurde ausgelöst durch eine
Nahrungsmittelkrise, an der die britisch dominierten Getreidekartelle mit ihrer
Freihandelspolitik schuld sind, die große Teile der Nahrungsmittelproduktion
zerstört hat. Cantero legte deshalb einen Gesetzentwurf vor, der eine nationale
Behörde für die Kontrolle und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse
vorsieht. Der Staat bekommt die Möglichkeit, als Mittler zwischen Landwirten und
Verbrauchern aufzutreten. „Die Idee dabei ist nicht, ein Staatsmonopol oder
Oligopol zu schaffen, sondern dem Staat die Werkzeuge an die Hand zu geben,
selbst Nahrungsmittel aufkaufen zu können. Dies soll sicherzustellen, daß
niemand hungern muß, und Transparenz schaffen, um Kartellbildungen zu vermeiden.“

Der ehemalige Gouverneur von Buenos Aires, [i]Felipe
Solas[/i], war vor kurzem mit einem ähnlichen Vorschlag an die
Öffentlichkeit getreten. Er forderte ein System der nationalen Lebensmittelsicherung
(SNSA) nach dem Vorbild des angesehenen [i]Nationalen Weizenausschusses[/i], der 1991 von der
Regierung des Freihandelsideologen [i]Carlos Menem[/i][i] [/i]aufgelöst
wurde. Nach Solas’ Vorschlag soll der Staat in Zukunft Bestände an 15-30
Grundnahrungsmitteln erwerben und zu angemessenen Preisen an Supermärkte und
andere Händler weiterverkaufen. Ziel dieses Vorhabens ist es, der Bevölkerung
Zugang zu hochwertigen Nahrungsmitteln zu fairen Preisen zu ermöglichen und
gleichzeitig die Nahrungsmittelproduktion anzukurbeln.

Auch in Mexiko regt sich Widerstand gegen die Freihandelspolitik. Abgeordnete und
andere Institutionen fordern von Präsident Felipe Calderon Auskunft, wie
es um die Getreidereserven des Landes bestellt ist und was er zu unternehmen
gedenkt, um angesichts der weltweiten Nahrungsmittelkrise die Versorgung
der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten.

Heladio Ramirez Lopez, Präsident des Senatsausschusses für die Entwicklung der
ländlichen Regionen und ehemaliger Vorsitzender des nationalen
Bauernverbandes CNC, legte hierzu eine Dokumentation vor: Die ländlichen
Gebiete seien entvölkert, die Städte wüchsen immer mehr und der
Nahrungsmittelbedarf sei größer denn je, doch Mexiko erzeuge nicht einmal genug
Grundnahrungsmittel. Zu alledem komme noch das „Biosprit-Fieber“ hinzu.

Auch der Präsident des Nationalen Landwirtschaftsrates Jaime Jezaki warnte,
Mexiko befinde sich mitten in einer Nahrungsmittelkrise. Besonders
gefährdet sei die Viehzucht, weil bereits 18-20 Mio. Tonnen Futtergetreide
importiert werden müssen. Er sagte: „Wir können uns nicht selbst
versorgen, wir müssen Nahrungsmittel importieren.“ Ein Drittel
des konsumierten Maismehls werde importiert, 95% des Soja, 70% des
Reises, 65% des Brotweizens und 30% der Futterhirse; dazu Saatgut und Dünger.

Neues Bretton Woods

Aber die Debatte beschränkt sich längst nicht mehr nur auf die Agrarpolitik - vielmehr erheben
sich auch immer mehr Stimmen für ein „Neues Bretton Woods“. Diese Forderung
wurde in Italien vom neuen Wirtschafts- und Finanzminister Giulio Tremonti in
den Mittelpunkt seines - erfolgreichen - Wahlkampfes gestellt. Jetzt nutzte in
Frankreich der frühere Premierminister Michel Rocard die Gelegenheit eines
Interviews zum Jahrestag der Wahl von Präsident Nicolas Sarkozy, um dieses
Thema anzusprechen. In seiner Antwort auf die Behauptung des Journalisten,
Sarkozy habe den Absturz des Dollars, die Krise der Subprime-Hypotheken und
anderen Schwierigkeiten nicht vorhersehen können, erklärte Rocard, mit Ausnahme
der Inflation „war alles übrige völlig vorhersehbar, und ich gehöre zu denen,
die seit drei Jahren unermüdlich auf diese Lage hingewiesen haben“.

Rocard ging aber noch weiter und sagte: „Wir haben das Weltwährungssystem schon vor etwa 40
Jahren zerstört. Da wir nicht in der Lage sind, es wieder aufzubauen,
entschuldigen wir lieber die Unordnung, die durch die freien Wechselkurse und
die Explosion der Kreditschöpfung entstanden ist und die eine der großen
Ursachen der Spekulation und damit auch der wirtschaftlichen Ungleichgewichte
ist... Mir ist, wie Ihnen, klar, daß die innereuropäischen Regulierungen nicht
mehr ausreichen, um mit dem globalisierten Finanzwesen umzugehen. Ich denke
auch, daß man in den Vereinigten Staaten darüber nachdenkt, daß in Abwesenheit
von Regulierungen zuviel getan wurde. Ich habe daher den Wunsch, daß Frankreich
eine große Weltfinanzkonferenz vorbereiten und einberufen sollte, die wir ein
zweites Bretton Woods nennen könnten.“

Lernt von den LaRouches!

Da ein großer Teil der Macht des britischen Empire auf seiner Kontrolle über den weltweiten
Nahrungsmittel- und Rohstoffhandel sowie über die Finanzmärkte beruht, bedrohen
protektionistische staatliche Regulierungsmaßnahmen in den Produzentenländern
den Kern seiner Macht. Aber auch wenn das noch nicht in den britischen
Zeitungen zu lesen ist: Besonders aufregen muß sie die Tatsache, daß in dieser
Debatte nicht nur die Ideen, sondern auch immer häufiger der Name von Lyndon
LaRouche als Orientierungspunkt für eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik
ins Spiel gebracht wird.

So veröffentlichte der frühere italienische Abgeordnete Giovanni Bianchi, der
jetzt Vorsitzender der Demokratischen Partei in der Region Mailand ist, am 3.
Mai in der Parteizeitung [i]Europa [/i]einen Kommentar, in dem er die
Wahlniederlage seiner Partei und die starken Stimmengewinne der Lega Nord
analysiert. Der Lega sei es gelungen, die „Angst der Bevölkerung vor der
Globalisierung anzusprechen“. Die Globalisierung „führte in ein zunehmend
geld-fixiertes Denken über die Wirtschaft und das tägliche Leben und zum ,Marktismus’, wie er in Tremontis jüngstem Buch
angeprangert wird, und beschreibt ein Szenario, dem man mit einer besseren
Politik entgegenwirken muß“. Bianchi schließt daraus: „Die Nation hat ihre Identität wieder gefunden,
und der Staat ist, obwohl seine Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen,
immer noch das geeignetste Instrument, eine Politik umzusetzen; insbesondere,
wenn man ihn mit anderen internationalen Vehikeln vergleicht. Das ist eine Position,
die Lyndon LaRouche und seine Frau seit 15 Jahren vertreten.“ Schon 2002 hatte
Bianchi in einer Debatte in der Deputiertenkammer über die Krise in Argentinien
gefordert, man müsse auf LaRouches „prophetische Worte“ hören.

In Rußland gab der bekannte Ökonom [i]Sergej
Glasjew[/i] der Wochenzeitung S[i]awtra[/i] eine Woche vor der
Vereidigung des neuen russischen Präsidenten ein Interview mit dem Titel: „Zehn
Schritte, um die Krise zu meistern“. Der stellv. Chefredakteur [i]Alexander Nagornij[/i], der das Interview führte, hebt hervor, „Glasjew und mehrere wohlbekannte Wirtschaftswissenschaftler
unseres Landes und der Welt, einschließlich Lyndon LaRouche“ sprächen schon
lange davon, daß ein Zusammenbruch der „globalen Finanzpyramide“ unvermeidbar
sei. Glasjew verwies auf die Tatsache, daß Rußland bereits 30 Mrd. Dollar
verloren habe, weil es seine nationalen Reserven dazu benutzte, den sinkenden
Dollar zu stützen. „Wenn die Chefs von Zentralbank und Regierung den
Forderungen der parlamentarischen Anhörungen vor sieben Jahren zugehört hätten,
hätten diese Verluste vermieden werden können.“

Die Anhörungen, auf die Glasjew sich bezieht, wurden von ihm im Juni 2001 in seiner
Eigenschaft als damaliger Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses der
Staatsduma einberufen und hatten das Thema: „Maßnahmen zum Schutz der
Volkswirtschaft unter Bedingungen einer globalen Finanzkrise“. Einer der
Hauptredner war damals der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Lyndon
LaRouche. Unter den weiteren Sprechern befanden sich das inzwischen verstorbene
Akademiemitglied Dmitrij Lwow, die Wirtschaftswissenschaftler Andrej Kobjakow
und Tatjana Korjagina sowie die Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche.

Glasjew, der im letzten Jahr nicht mehr bei den Dumawahlen kandidierte, ist gegenwärtig
Direktor des Nationalen Entwicklungsinstituts der Akademie der Wissenschaften.
Daneben leitet er die Handelsunion der Eurasischen Sicherheitsgemeinschaft
(Rußland, Weißrußland, Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan). In einer
Medienumfrage wurde er vor kurzem als der meistzitierte russische
Wirtschaftswissenschaftler des Jahres 2007 ermittelt.

Glasjews zehn Schritte beziehen sich auf die in Rußland populär gewordene Auffassung -
die sowohl vom scheidenden Präsidenten Wladimir Putin als auch vom neuen
Präsidenten Dmitri Medwedjew geteilt wird -, daß der Rubel sollte durch seine
Verbreitung innerhalb der GUS und in Eurasien in eine „Weltwährung“ verwandelt
werden, und auch im Handel mit führenden Partnern sollten andere Währungen als
der Dollar zum Einsatz kommen. Wesentliche Maßnahmen des Planes sind z.B. „die
Aktivierung der Staatsentwicklungsinstitutionen, um Kredite für langfristige
Investitionen in vielversprechende Bereiche wirtschaftlichen Wachstums bereitzustellen“.

Glasjew schließt mit der Bemerkung, auf der Grundlage dieser Maßnahmen „könnte die
russische Führung den Übergang zu einer neuen globalen Finanzarchitektur
einleiten“, welche sich auf die Währungen der Länder mit positiver
Handelsbilanz stützt. Auf Glasjews Internetseite wurde prominent über Helga
Zepp-LaRouches Aufruf für eine Neue Bretton-Woods-Konferenz berichtet, als
dieser im August 2007 erschien.

Die anglo-holländische Finanzwelt fürchtet nun, dies könnten nur die ersten Stimmen
eines schnell wachsenden Chores sein. Erinnerungen an 1989 in Ostdeutschland
werden wach. Kommt es zum politischen Dammbruch, würde das britische Empire
ebenso schnell hinweggeschwemmt werden wie das alte Sowjetsystem nach dem Fall der Mauer.

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