06131-237384info@bueso.de

Einschüchterungskampagne der EU gegen Irland

Bei einer Pressekonferenz beim Europäischen Parlament in Straßburg warf Joe Higgins, der für die Sozialistische Partei Irlands Mitglied im Europäischen Parlament ist, der Kommission vor, sie verwende Steuergelder für eine Kampagne des „Terrors und der Angst". Die Kommission setze seit Wochen Mitarbeiter, darunter den Generalsekretär der Kommission, dazu ein, Schulen in Irland zu besuchen, „ein zynisches Mittel, um den Eltern die Botschaft zu übermitteln, daß sie für den Lissabon-Vertrag stimmen sollten." Die irische Regierung und die für den Vertrag werbenden Organisationen des Establishments hätten die Methoden der EU übernommen und betrieben eine Einschüchterungskampagne „um das irischen Volk zur Zustimmung zum Lissabon-Vertrag zu drängen". Dabei werde die Furcht in der Bevölkerung vor der Wirtschaftskrise ausgenutzt mit der Behauptung, eine Nein-Stimme werde die Wirtschaftskatastrophe noch weiter verschlimmern. Das sei um so zynischer, als ja gerade die neoliberale Wirtschaftspolitik der Kommission selbst für die Krise verantwortlich sei.

Higgins warf Kommissionspräsident  José Manuel Barroso vor, er mische sich unverhohlen in die Debatte in Irland ein, und sagte: „Die Linke in Irland ist für eine breitestmögliche öffentliche Debatte über den Lissabon-Vertrag, und wir sind voll und ganz bereit dazu, mit jeder politischen Gruppe in Europa darüber zu debattieren. Aber es ist ein krasser Mißbrauch von Steuergeldern und der demokratischen Prozeduren, wenn die Kommission in einseitiger Weise in der Weise interveniert, wie es die Kommission in Irland getan hat." Nach der Wiederwahl Barrosos zum Kommissionspräsidenten für die kommenden fünf Jahre würden die Gegner des Vertrages ihre Bemühungen „verdoppeln... Europa hat genug von der neoliberalen Agenda des Herrn Barroso."

Von einem [i]EIR[/i]-Korrespondenten auf die Tatsache angesprochen, daß das Deutsche Bundesverfassungsgericht kürzlich faktisch erklärt hat, daß der Lissabon-Vertrag mit dem deutschen Grundgesetz nur sehr eingeschränkt vereinbar ist, und daß auch in Deutschland und anderen EU-Staaten politische Kräfte Referenden fordern, sagte Higgins, er sei sich dieser Tatsachen wohl bewußt, und das mache die Nein-Kampagne im irischen Referendum um so wichtiger für das übrige Europa. Higgings nahm gerne ein ganzes Paket von Schriften an, darunter Helga Zepp-LaRouches Aufruf zu einem Referendum in Deutschland über den Lissabon-Vertrag.

Die Sozialistische Partei Irlands hat, zusammen mit den übrigen 13 Organisationen, die dem Bündnis „Sagt nein zu Lissabon - Kampagne gegen die EU-Verfassung" angehören, den irischen Premierminister und seine Regierungskollegen eingeladen, sich Ende September zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl einer umfassenden Debatte im Dubliner Mansion House zu stellen, aber bisher wurde diese Herausforderung nicht beantwortet. Die Gruppe machte diesen Vorschlag, nachdem die Regierung die einzige Einrichtung, die eine ausgewogene Debatte über den Vertrag  hätte organisieren können - das Nationale Forum über Europa - aufgelöst hatte, unmittelbar bevor das zweite Referendum über den Vertrag angesetzt wurde.

Leider hat auch die Katholische Kirche Irlands den Vertrag unterstützt. Rev. Noel Treanor, der Bischof von Down und Connor, sagte am 16. September vor einem Ausschuß des irischen Parlaments, Katholiken könnten für den Vertrag stimmen, da dieser, wie er behauptete, die irische Position zur Abtreibung nicht ändere. Bischof Treanor, der die irische Bischofskonferenz 20 Jahre lang in Brüssel vertrat, sagte, diese Erklärung werde vom katholischen Primas, Kardinal Sean Bready, unterstützt.

Bei der Pressekonferenz sagte Higgins, angesichts der Unterstützung durch die großen Unternehmen und die Massenmedien habe das Ja-Lager zehnmal mehr Geld für die Kampagne ausgeben können als das Nein-Lager. Das Ja-Lager habe die volle Unterstützung der hoffnungslos bankrotten irischen Banken, die soeben mit 54 Mrd. Euro von der irischen Regierung gestützt wurden. Am 16. September kündigte die irische Regierung einen eigenen Plan für eine sog. „bad bank" an, die Nationale Werteverwaltungsbehörde (NAMA), die den großen irischen Banken - darunter die Bank of Ireland, die Allied Irish Bank, die EBS Building Society, Irish Nationwide, Irish Life and Permanent und die inzwischen verstaatlichte Anglo-Irische Bank - einen gigantischen Berg von Giftmüll-Papieren abkaufen wird. Dieser Giftmüll gehört vor allem Spekulanten, die während des Booms des „keltischen Tigers" groß eingekauft hatten, aber nun, nachdem die Märkte kollabiert sind, nicht zahlen können oder wollen. Es handelt sich um das größte finanzielle Rettungspaket der irischen Geschichte, und geschah auf direkte Anordnung des Weltwährungsfonds und der Europäischen Zentralbank. Es bedeutet, daß die Regierung 54 Mrd. Euro an Regierungsanleihen bezahlen wird, um Papiere im „Wert" von 77 Mrd. Euro zu übernehmen.

Der irische Finanzminister Brian Lenihan sagte in einem perversen Versuch, dieses Rettungspaket in der Kampagne der Regierung für ein „Ja-Votum" im Referendum zu nutzen: „Im Verlauf des letzten Jahres spielte die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und insbesondere der Eurozone eine entscheidende Rolle in unserer Antwort auf die gegenwärtige Finanzkrise. Die EZB stand in der Zeit der größten Not hinter diesem Land, und niemand sollte das vergessen, wenn es am 2. Oktober zum Referendum über den Lissabon-Vertrag kommt."

Während die 54 Mrd. Euro mehr als ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes von Irland entsprechen, kürzte die irische Regierung den Staatshaushalt um 20%, und sie mußte zugeben, daß der Lebensstandard und die Arbeitslosigkeit um 20 Jahre zurückgeworfen wurden.

Im Juni 2008 hatte das irische Volk in der ersten Abstimmung den Lissabon-Vertrag mit 53,4%:46,6% der Stimmen zu Fall gebracht. Die Nein-Stimmen kamen vor allem aus der Arbeiterschicht und von jungen Wählern, die den Vertrag ablehnten, weil sie in der neoliberalen Politik der EU eine Bedrohung für ihre Existenz sahen. Aber aufgrund der perversen Medienkampagne der Regierung ist das Rennen so knapp, daß eine reale Gefahr besteht, daß diesmal das Ja-Lager gewinnt. Aber wie immer die Abstimmung auch ausgehen wird: Die Wirtschaftskrise wird, insbesondere in Irland, noch weit schlimmer werden, und daher ist schon bald eine ähnliche politische Reaktion der Bevölkerung zu erwarten wie bei dem Massenstreik in den Vereinigten Staaten, und das wird die politische Lage völlig verändern.

Werden Sie aktiv!

Die Bürgerrechtsbewegung Solidarität erhält ihre Finanzmittel weder durch staatliche Parteienfinanzierung noch von großen kommerziellen Geldgebern. Wir finanzieren uns ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden,

deshalb brauchen wir Ihre Unterstützung!

JETZT UNTERSTÜTZEN