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Gibt es in Lettland bald keine Krankenhäuser mehr?

Schwedens Finanzminister Anders Borg stellt sich in die Tradition des berüchtigten Kaufmanns von Venedig, Shylock, der von seinem Schuldner ein Pfund Fleisch forderte. Er fordert ganz kaltblütig, die lettischen Staatsausgaben sollten um die Hälfte gesenkt werden. Nur so, behauptet er, könne Lettland seine Schulden zahlen, nur so könne es auf den Überbrückungskredit von IWF und EU in Höhe von 7,5 Milliarden Euro hoffen, der den Staatsbankrott (erst einmal) verhindern soll.

Leider hat die lettische Regierung dem schon Monate andauernden Druck bereits zu einem großen Grade nachgegeben und die Zuschüsse an den öffentlichen Sektor bereits drastisch zusammengestrichen. Zum Beispiel wurden Zahlungen an die staatlichen Krankenhäuser zum 1. Juli eingestellt, nur Erste Hilfe und Notaufnahmen werden noch bezuschußt. Das zwingt Patienten wie Nadjesda Makarowa, deren Fall heute morgen im Deutschlandradio geschildert wurde, dazu, trotz einer Niedrigstrente von 230 Euro pro Monat eine Gallenblasenoperation mit 600 Euro selbst zu bezahlen - bzw. in diesem Fall ihre Kinder. Frau Makarowa hat nicht warten wollen, bis sie ein Notfall wurde, denn in Krankenhäusern wie dem "Ersten Krankenhaus" in Riga, wo sie operiert wurde, hat mangels Personal nur jeden zweiten Tag die Notaufnahme geöffnet!

Die Krankenhäuser, von denen das lettische Gesundheitsministerium in einer ersten Kürzungswelle 17 schließen will, sind in den vergangenen Jahren weder modernisiert worden, noch wurden Krankenwagen neu angeschafft. Lettische Krankenschwestern werden übrigens vom benachbarten Finnland in großer Zahl abgeworben, wo sie etwas besser entlohnt werden. (Finnische Krankenschwestern wiederum mußten vor zwei Jahren in einen landesweiten wochenlangen Streik treten, um weitere drastische Kürzungen ihrer Gehälter zu verhindern. Erst ihre Androhung, kollektiv zu kündigen, zwang damals die Regierung in Helsinki zu Konzessionen, denn die Kündigung hätte den Kollaps des Krankenhaussektors bedeutet.)

Die schweren wirtschaftspolitischen Fehler, zu denen die lettischen Regierungen unter dem Einfluß westlicher Berater seit 1991 verleitet wurden, rächen sich jetzt mehrfach. In dem Land, dessen künstlich hochgepumpten "höchsten Wachstumsraten in ganz Europa" jahrelang international gepriesen wurden, wurde vor allem eine hochspekulative Blase erzeugt. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat den Zufluß an frischem Kapital versiegen lassen. Viele Letten, die in diesem Prozeß Arbeit fanden und sich mit ihrem zeitweise überdurchschnittlichen Verdienst mit Haus- und Grundstückskäufen wiederum selbst hochverschuldet hatten, können ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen. Diese Kredite waren jahrelang zu Zinsen verfügbar, die beträchtlich unter dem europäischen Durchschnitt lagen.  Die meist schwedischen Gläubigerbanken waren im Zuge der weltweiten Krise nicht mehr in der Lage, zum Beispiel in Japan,  Kapital zu Billigstzinsen aufnehmen können; der Ausfall von Kreditrückzahlungen ihrer lettischen Schuldner trifft sie jetzt zusätzlich. Die schwedische Regierung hat sich jetzt der Unterstützung von IWF und EU für ihre harte Haltung gegenüber Lettland versichert.

Das ist ein Teufelskreislauf, der durch ein ordentliches Konkursverfahren des bankrotten Finanzsystems jetzt durchbrochen werden muß. Erst kommen die Menschen! Der Wiederaufbau der Realwirtschaft und damit ein wachsendes Steueraufkommen ist möglich - aber nur durch ein neues System souveränen Staatskredits.

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