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Tremonti: „Nicht einmal Thatcher hätte solche Reformen verlangt“

Gegen heftigen Widerstand der für die Katastrophe verantwortlichen europäischen Gläubiger verabschiedete das griechische Parlament am 18. März das von der Regierung versprochene Gesetz über humanitäre Hilfe (Zuschüsse für Wohnung, Strom und Nahrungsmittel für Mittellose).

In seiner Rede vor dem Parlament sagte Ministerpräsident Alexis Tsipras: „Die Menschen haben uns aufgerufen, die Austerität und die Rettungspakete zu beenden, um den Prozeß der Rückgewinnung der nationalen Würde einzuleiten.“ Die Tage der Troika aus EU, EZB, IWF seien vorbei. „Gewählte Mandatsträger werden mit gewählten Mandatsträgern verhandeln, und Technokraten werden mit Technokraten zu tun haben... Wir werden bei dem, was wir versprochen haben und was Gesellschaft und Wirtschaft brauchen, um atmen zu können, nicht zurückstecken.“ Mit dem „Liquiditätsdruck“ der EZB und der internationalen Banken habe seine Regierung gerechnet.

Der Vertreter der EU-Kommission im „technischen Team“ der Troika, das Griechenland beaufsichtigt, Declan Costello, kritisierte die neuen Gesetze als „einseitiges Vorgehen“. Dies entspreche nicht den Vereinbarungen Griechenlands mit der Eurogruppe vom 20. Februar.

Die griechische Regierung sieht das anders. „Wenn im Jahr 2015 die Bekämpfung einer humanitären Krise in Europa als einseitiges Vorgehen betrachtet wird, was ist dann noch von den europäischen Werten übrig?“, lautete die Antwort von Regierungsvertretern. Der Minister für Inneres und administrativen Wiederaufbau Nikos Voutsis bestätigte, Costello habe in einem Schreiben die Rücknahme der beiden Gesetzentwürfe gefordert. Voutsis betonte jedoch, die beiden Gesetze verstießen nicht gegen die Vereinbarung vom 20. Februar, deshalb habe die Regierung sie nun auch beschlossen.

Wie die Zeitung [i]Kathimerini[/i] berichtete, veranstaltete die Euro-Arbeitsgruppe am 17. März eine außerordentliche Telefonkonferenz über das „Kooperationsproblem“ zwischen den zuständigen griechischen Stellen und den technischen Experten der Gläubiger. Sie habe die griechischen Stellen ermahnt, sich mehr Mühe zu geben. Die EU-Experten waren auch unzufrieden mit der Ankündigung, die Einnahmen aus Privatisierungen würden von nun an nicht mehr gleich zur Abtragung von Schulden, sondern zur Stützung der griechischen Sozialversicherung verwendet.

Vertreter der Athener Regierung wiesen diese Äußerungen der EU-Bürokraten als hochmütige „koloniale Haltung“ zurück. Griechenland werde behandelt wie eine Bananenrepublik.

Der frühere italienische Wirtschafts- und Finanzminister und jetzige Senator Giulio Tremonti verurteilte am 18. März in einer Rede im italienischen Senat die EU-Politik gegenüber Griechenland. Er beschrieb die Leiden der griechischen Bevölkerung und erklärte, „nicht einmal Margaret Thatcher“ hätte solche Reformen verlangt:

„Das Problem ist nicht, daß die Griechen in Europa eingefallen sind, sondern daß Europa in Griechenland eingefallen ist. Die Ursachen der Krise hängen nicht, wie einige sagen, mit dem schleierhaften und undurchsichtigen Regierungsbudget zusammen - einer fast vernachlässigbaren Größe. Die wirkliche griechische Tragödie kam von der Seite der privaten Finanzwelt und begann mit dem Euro. Ab 2002 liehen europäische Banken der griechischen Gesellschaft enorme Kapitalströme in euphorischen Dimensionen... Dann kam die Krise, das Verhängnis. Folgt man dem Gesetz der Marktwirtschaft, dann scheitern mit den Schuldnern auch die Gläubiger. Aber im Falle Griechenlands geschah das Gegenteil. Und so half die Hilfe für Griechenland, einschließlich dessen, was wir großzügigerweise gaben, allen anderen und besonders den deutschen und französischen Gläubigerbanken - allen außer Griechenland. Nach der europäischen Kur wuchsen die Schulden der griechischen Regierung, und das griechische BIP fiel. Und trotzdem fordert Europa von den Griechen zwanghaft mehr Privatisierungen, mehr Liberalisierungen. Wenn man sich die derzeitigen Lebensbedingungen der griechischen Bevölkerung anschaut: nicht einmal Margaret Thatcher hätte solche Maßnahmen gefordert!“

Die europäischen Grundwerte „sind nicht mehr die unserer historischen Tradition“, sondern die einer „vorchristlichen und heidnischen Vergangenheit... Elagabal mit seinen Werten und seinem Lebensstil würde hervorragend an den Luxemburger Hof passen.“ Der Name des Kaisers Elagabal galt als Symbol für Dekadenz und Lasterhaftigkeit der römischen Kaiserzeit.

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