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Finanzkrise: Deutsche Bank nur die Spitze des Eisbergs

Die [i]Deutsche Bank[/i] gilt derzeit als die größte Zeitbombe im globalen Finanzsystem, und es tobt eine heftige Debatte über ihr Schicksal. Laut den jüngsten halbjährlichen Zahlen der US-Einlagenversicherung FDIC zur Kapitaldeckung der „Globalen Systemrelevanten Banken“ hat die [i]Deutsche Bank[/i] nach den internationalen Bilanzregeln die geringste Kapitaldeckung unter den Großbanken. Eine schlechte Kapitaldeckung bedeutet, daß der Bank im Fall einer Krise wenig Spielraum bleibt. Bei der [i]Deutschen Bank[/i] betrug das Verhältnis zum Stichtag am 30. Juni ganze 2,68 Prozent, d.h. sie hat 37 mal mehr Schulden als Kapital, was sogar noch etwas schlechter ist als bei [i]Lehman Brothers[/i] vor der Pleite Mitte 2008.

Die Derivatgeschäfte der [i]Deutschen Bank[/i] umfassen derzeit etwa 42 Billionen Euro (= 42.000 Mrd. Euro). Das ist zwar weniger als noch vor ein paar Jahren, aber weit mehr als das deutsche BIP (etwa 3 Billionen Euro) und rund dreimal soviel wie das Wirtschaftsprodukt der EU (14,6 Billionen Euro). Wenn eine Gegenpartei solcher Derivatgeschäfte in Schwierigkeiten gerät, drohen der Bank enorme Verluste.

Zudem wurde diesen Monat bekannt, daß das US-Justizministerium von der [i]Deutschen Bank[/i] 14 Mrd. Dollar Strafzahlung wegen betrügerischer Geschäfte mit Immobilienpapieren fordert; auf die Nachricht hin brach die Aktie nochmals um 8 Prozent ein. Es laufen noch weitere Strafverfahren, und die Bank hat dafür nur 5,5 Mrd. Euro als Reserve zurückgelegt, während ihr Aktienwert unter 19 Mrd. Euro fiel.

Eine weitere Gefahr für die Deutsche Bank sind Kredite an Reedereien, die inzwischen zu den „giftigsten“ Papieren überhaupt zählen. Die Pleite der südkoreanischen [i]Hanjin Shipping Co.[/i] – die siebtgrößte Containerschiff-Flotte der Welt mit mehr als hundert Schiffen – hinterläßt faule Kredite in Milliardenhöhe. Auf wie vielen davon die Deutsche Bank sitzt, ist derzeit nicht bekannt.

Der FDIC-Bericht löste eine erregte Debatte in den Medien aus, ob die Bundesregierung die [i]Deutsche Bank[/i] im Fall einer Pleite stützen werde, obwohl die Regierung Merkel auf europäischer Ebene darauf beharrt, daß es keine weiteren staatlichen Bankenstützungen oder „Bailouts“ geben dürfe.

Es wurde berichtet, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe nach einem Gespräch mit [i]Deutsche-Bank[/i]-Chef John Cryan am 23. September einen Bailout abgelehnt und sich auch geweigert, beim US-Justizministerium zu intervenieren, um eine Verringerung der 14-Milliarden-Geldbuße zu erreichen. Cryan bestritt jedoch, die Bundeskanzlerin überhaupt um einen Bailout gebeten zu haben, und behauptete, Staatshilfe sei „kein Thema“, da die Bank keine Probleme habe, neues Kapital zu beschaffen.

Damit war das Thema jedoch keineswegs vom Tisch. [i]Die Zeit[/i] zitierte am 28. September namentlich nicht genannte Quellen in Berlin, Brüssel und Frankfurt, denen zufolge die Bundesregierung an einem Rettungsplan für die Bank arbeite und bereit sei, in einem „Worst-Case-Szenario“ 25 Prozent der Anteile zu übernehmen, falls die Bank für die amerikanischen Geldbußen zusätzliches Kapital benötige. Der Sprecher des Finanzministeriums Martin Jäger dementierte diese Äußerungen jedoch: Die Bundesregierung bereite keinen Rettungsplan vor, und es gebe keinen Anlaß zu Spekulationen.

Andreas Utermann, Vorstandschef der [i]Allianz Global Investors AG[/i] – einer Vermögensverwaltungstochter des Versicherungsriesen [i]Allianz[/i] –, erklärte dagegen in einem Interview mit [i]Bloomberg[/i] in den USA, die deutsche Regierung könne möglicherweise gezwungen sein, die [i]Deutsche Bank[/i] zu stützen, „falls das zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird, wenn der Börsenkurs zu tief fällt“. Dann bleibe der Regierung nichts anderes übrig, weil die Bank so eng mit der übrigen Finanzwelt in Deutschland verflochten sei.

Mitglieder der CDU-Bundestagsfraktion erklärten hingegen, es werde keinen Bailout geben, denn es gebe „keine Ähnlichkeiten zwischen der [i]Deutschen Bank[/i] und [i]Lehman Brothers[/i]“.

Am 26. September stürzte die Aktie der Bank von 11,50 auf nur noch 10,55 Euro, ihre konvertierbaren Anleihen sanken von 76 Cent/Euro auf 73, und der Preis von Kreditausfall-Swaps auf ihre fünfjährigen Anleihen stieg um fast 500 Basispunkte auf etwa den Satz, den [i]Lehman Brothers[/i] vor seiner Insolvenz bezahlen mußte.

Trotzdem ist die [i]Deutsche Bank[/i] tatsächlich nicht mit [i]Lehman Brothers[/i] vergleichbar – vor allem, weil sie mehr als 20 mal mehr Derivatanlagen hat. Mit anderen Worten, sie ist für das Weltfinanzsystem noch weit gefährlicher.

[h2]Kein Einzelfall[/h2]

Die [i]Deutsche Bank[/i] hat zwar mit ganzen 2,68% das schlechteste Verhältnis von Kapital zu Verbindlichkeiten, weshalb sie oft als das größte Risiko für das System bezeichnet wird, aber sie ist bei weitem kein Einzelfall. Laut den FDIC-Zahlen liegen etliche Großbanken weit unter 4%, haben also ihre Geschäfte im Verhältnis von mehr als 25:1 schuldenfinanziert: die spanische [i]Banco Santander[/i], [i]BNP Paribas[/i] und [i]Société Générale[/i] aus Frankreich, die schwedische [i]Nordea[/i], die Schweizer [i]UBS[/i] und die italienische [i]UniCredit[/i]. [i]Goldman Sachs[/i] liegt mit 4,14 Prozent nur minimal darüber.

FDIC-Vizechef Thomas Hoenig warnte bei der Veröffentlichung der Zahlen, der „Grad der Fremdfinanzierung“, sprich Spekulation, im globalen Finanzsystem sei in der ersten Jahreshälfte 2016 größer geworden. Das Aktienkapital der systemrelevanten US-Banken „ist in der ersten Jahreshälfte zwar gestiegen, aber die Wertpapiere stiegen noch stärker, darunter eine beträchtliche Ausdehnung ihrer Derivatbilanzen. Das Nettoergebnis war ein Anstieg ihrer Fremdfinanzierungsposition insgesamt.“

Die verantwortungslosen und kriminellen Geschäfte laufen ungebremst weiter, denn das US-Justizministerium verhängte zwar in den letzten Jahren Strafen von insgesamt 200 Mrd. Dollar über die Großbanken, aber die Summen – die die Aktionäre bezahlen müssen – sind immer noch klein im Vergleich zu den Profiten. Noch schockierender ist, daß kein einziger hoher Bankmanager wegen des kriminellen Verhaltens ins Gefängnis mußte und sie sogar immer noch exorbitante Boni erhalten.

Dies wurde Mitte September bei einer Anhörung im US-Senat deutlich, in der die zweitgrößte amerikanische Bank, [i]Wells Fargo[/i], unter die Lupe genommen wurde. Die Bank hatte mindestens fünf Jahre lang Kreditkarten- und Einlagenkonten im Namen von Kunden ohne deren Wissen und Einwilligung eröffnet. Die Behauptung des Bankchefs John Stumpf, er hätte von alledem nichts gewußt, ist völlig unglaubwürdig, wie Senatorin Elizabeth Warren sagte, als sie eine Anklage gegen ihn forderte.

[h2]Die Deutsche Bank würde die Londoner City mitreißen[/h2]

Die Londoner Zeitung [i]The Guardian[/i] berichtete am 27. September, daß die [i]Deutsche Bank[/i] noch weitere Probleme habe, darunter Ermittlungen über mutmaßliche Unregelmäßigkeiten im Devisen- und Edelmetallgeschäft und beim Transfer von Milliardensummen aus Rußland, die für die Bank auch sehr teuer werden könnten.

Wenn die [i]Deutsche Bank[/i] abstürzt, wird sie die Londoner City mit in den Abgrund reißen. Auch die Aktien der [i]Lloyds Banking Group[/i], der [i]Barclays Bank[/i] und der [i]Royal Bank of Scotland[/i] (RBS) sind wegen Sorgen über den Brexit und mögliche Geldbußen abgestürzt. Einige Analysten warnen, gegen die RBS könne eine Buße von bis zu 12 Mrd.$ verhängt werden. Der [i]Guardian[/i] zitiert den Aktienexperten Nicholas Hyett: „Das Gerede über einen ,harten Brexit’ wurde von den Märkten nicht gerade begrüßt.“ Und Rupert Hargreaves vom Investmenthaus [i]Motley Fool[/i] warnt, wenn das Derivatgeschäft der [i]Deutschen Bank[/i] einbreche, „dann könnte der systemische Schaden beispiellos sein, weil das bei anderen führenden europäischen Banken wie [i]Barclays[/i] ein großes Loch in ihre Bilanzen reißen würde“.

[i]Barclays[/i] und die [i]Deutsche Bank[/i] hätten ganz ähnliche Probleme, so der [i]Guardian[/i], wie hohe Bußgelder der Bankaufsicht, hohe Kosten und mangelndes Vertrauen der Anleger. „Vorerst mögen die Probleme der [i]Deutschen Bank[/i] im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Finanzwelt stehen, aber [i]Barclays[/i] steht unter ähnlichem Druck, und ein Kollaps der [i]Deutschen Bank[/i] könnte sich sehr schnell nach Großbritannien ausbreiten.“

[h2]Trennung der Banksparten notwendig[/h2]

Angesichts der existentiellen Bedrohung des Finanzsektors kann es genau besehen nicht überraschen, wenn nun auch in Finanzkreisen auf einmal das „Unmögliche“ in Erwägung gezogen wird. [i]Spiegel Online[/i] berichtete am 27. September unter der Überschrift „Warum die Bundesregierung die Deutsche Bank retten sollte“ über die Diskussion um Staatshilfen für die Banken und griff darin eine [url:"node/8677"]Forderung auf, die die BüSo-Vorsitzende Helga Zepp-LaRouche im Juli erhoben hatte[/url]: Staatsgeld gegen Mitsprache bei der Geschäftsstrategie der Bank, um deren Ausrichtung grundlegend zu ändern. Spiegel-Autor Stefan Kaiser schreibt:

„Womit die Möglichkeit ins Spiel käme, über die nun gerade heiß diskutiert wird: Frische Milliarden vom deutschen Staat – oder, anders gesagt, von den Steuerzahlern. Bevor Sie, liebe Leser, nun wütend auf Ihren Schreibtisch springen oder Ihr Smartphone durch die U-Bahn werfen, lassen Sie uns bitte kurz über die möglichen Vorteile einer solchen Lösung nachdenken.

Wenn der Staat vorübergehend bei der Deutschen Bank einstiege – also ein größeres Aktienpaket der Bank kaufte –, könnte er damit zwei Probleme auf einmal lösen: Die Lage der Bank würde sich durch die Kapitalspritze sofort beruhigen. Und die Bundesregierung könnte das Management mit Druck dazu bringen, den Konzern stärker zu schrumpfen und auf solide Grundlagen zu stellen, etwa als reine Privat- und Firmenkundenbank.“

Natürlich bleibt dieser Vorschlag noch weit hinter dem zurück, was notwendig ist, um wieder ein stabiles Weltfinanzsystem zu schaffen. Trotzdem zeigt Kaisers Vorschlag, daß die Debatte in Gang gekommen ist, und das ist gut so.

Tatsache ist, daß es gar keine „systemrelevanten“ Banken geben sollte, und der erste wesentliche Schritt dazu ist die Trennung zwischen dem traditionellen Einlagen- und Kreditgeschäft auf der einen und dem spekulativem Investmentgeschäft auf der anderen Seite, so wie dies in den USA mit dem Glass-Steagall-Gesetz von 1933 fast 70 Jahre lang vorgeschrieben war. (FDIC-Chef Hoenig gehört zu den energischen Befürwortern der Wiedereinführung von Glass-Steagall.) Der nächste Schritt muß dann die Einrichtung eines Kreditsystems zur Finanzierung von Realwirtschaft und Innovation sein.

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