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Eine wunderbare Vision für die Zukunft Deutschlands!

von Helga Zepp-LaRouche

Dieser Artikel wurde als Einleitung zur aktualisierten BüSo-Broschüre "Die Zukunft Deutschlands ist die Neue Seidenstraße" verfasst, die in Kürze erhältlich ist.

Die Frage, die die meisten Menschen in Deutschland beunruhigt, die aber von keiner der Bundestagsparteien beantwortet wird, ist die, wie unsere Zukunft aussehen soll. Wenn man nur auf die Nachrichten der Mainstream-Medien und die Reden der Politiker hört, wird einem weisgemacht, wie phantastisch es Deutschland angeblich mit einem Haushaltsüberschuß von 38 Mrd.€ gehe, ansonsten sei die Welt aber voller Gefahren und Herausforderungen. Das politische Establishment versucht mit allen Mitteln die Perzeption zu erzeugen, daß der Status quo im Interesse aller und ohnehin die einzig existierende Option sei. Die Menschen aber spüren sehr wohl, daß dieser Status quo nur im Interesse derer ist, die ihm ihre eigenen Privilegien verdanken, während das Gemeinwohl auf der Strecke bleibt. Ein wirklicher politischer Diskurs findet nicht statt, und bei immer mehr Menschen macht sich das tiefsitzende Gefühl breit, man könne ja sowieso nichts ändern, oder sie wenden sich rechtsextremen Kräften zu, die nur Wut artikulieren, aber selber absolut keine Lösungen haben.

Dabei gibt es eine wirkliche Alternative für die ganze Welt. China hat seit über vier Jahren mit seiner Politik der Neuen Seidenstraße nicht nur ein Wirtschaftskonzept der Kooperation zum gegenteiligen Vorteil, sondern auch ein neues Modell der Beziehungen der Staaten untereinander auf die Tagesordnung gesetzt. Diese Initiative, an der bereits über 70 Nationen beteiligt sind, hat schon zwölfmal so viele Infrastruktur- und Industrieprojekte auf den Weg gebracht als der Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ist auf diese Weise ein nie dagewesener Optimismus entstanden, daß sie mit Chinas Hilfe bald Armut und Unterentwicklung überwinden können. Die ost- und zentraleuropäischen Staaten, die Balkanländer, die südeuropäischen Staaten, Österreich und die Schweiz sind längst alle auf den Zug der Neuen Seidenstraße aufgesprungen und sehen die enormen Chancen, die in der wirtschaftlichen Integration des eurasischen Kontinents für sie selber liegen. Es ist deshalb im essentiellen Selbstinteresse des deutschen Mittelstandes, sich an all diesen Projekten zu beteiligen!

Was machen Berlin und Brüssel?

Ganz anders ist allerdings die Haltung in Berlin und Brüssel! Hier reagieren die Status-quo-Parteien panisch auf die Tatsache, daß das chinesische Modell der Entwicklung attraktiver ist als die Austeritätspolitik der EU zugunsten der Banken, mit der Griechenland, Italien, Spanien und Portugal ruiniert, der Balkan vernachlässigt und das Lohnniveau in Deutschland gedrückt worden ist. Nachdem sie und die Medien vier Jahre lang versucht haben, das größte Aufbauprogramm in der Geschichte totzuschweigen - was absurd genug ist -, werfen Außenminister Gabriel und EU- Vertreter jetzt China vor, es wolle Europa mit seiner Politik der Neuen Seidenstraße spalten. China antwortete darauf sehr souverän, daß Europa schon ganz alleine gespalten sei; im Gegenteil könne die Politik der Neuen Seidenstraße Europa einen, weil diese die viel größere Idee einer Schicksalsgemeinschaft der Menschheit bedeute.

Die FAZ verstieg sich in ihrer Reaktion zu einer giftigen Tirade und verunglimpfte das chinesische System der Meritokratie, das die Leistung tüchtiger und moralischer Menschen belohnt, als „Überwachungsstaat“ - so als gäbe es weder die weltweite Totalausspähung durch die britischen und amerikanischen Geheimdienste noch die servile Haltung Angela Merkels gegenüber dieser Tatsache (Ausspähen unter Freunden ist offensichtlich kein Problem).

Der dreitägige Staatsbesuch des französischen Präsidenten Macron in China vom 8.-10. Januar 2018 stellt vor diesem Hintergrund für Europa einen strategischen Durchbruch dar. In einer aufsehenerregenden Rede in Xian kündigte er eine umfassende Kooperation Frankreichs mit dem chinesischen Projekt der Neuen Seidenstraße an und versprach, er wolle sich als zuverlässiger Gesprächspartner Chinas dafür einsetzen, daß ganz Europa mit dieser Initiative kooperieren werde.

Macrons Rede enthält eine ganze Reihe von Aspekten, die zeigen, daß er auf das neue Paradigma reagiert, das von Präsident Xi Jinping mit seiner Idee einer Win-Win-Kooperation aller Nationen auf die strategische Tagesordnung gesetzt worden ist - eine Reaktion, die man so auch gerne in Berlin spüren möchte. Der Westen müsse den „unilateralen Imperialismus“ überwinden, den Frankreich und andere westliche Mächte in Afrika und anderswo verfolgt hätten. So erklärte Macron: „Wir müssen die Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Jedesmal, wenn wir versucht haben, die ,Wahrheit’ oder das ,Gesetz’ gegen die Völker durchzusetzen, lagen wir falsch, und manchmal haben wir sogar eine noch schlimmere Situation geschaffen, wie im Irak oder in Libyen heute. Wir müssen zusammenarbeiten, um den Respekt für die Souveränität der Völker zu entwickeln.“

Macron verurteilte den Vormachtanspruch des Westens; es gehe nicht um Kriegskunst, sondern um die Kunst der Kooperation, um der Welt die notwendige Harmonie zu geben. Er dankte China, mit der Neuen Seidenstraße ein neues Epos entworfen zu haben, zu dem der „müde, post-moderne“ Westen nicht in der Lage gewesen sei, wo große Epen verboten seien.

Macron hatte für seine Rede die symbolträchtige Stadt Xian ausgesucht, die sowohl der chinesische Ausgangspunkt für die antike Seidenstraße als auch der Geburtsort Xi Jinpings ist, und er drückte deutlich seine Bewunderung für die vielen Beiträge Chinas in der Kulturgeschichte der Menschheit aus; bis zum heutigen Tage sei China ein Land der Erfinder und Ingenieure, das stets die Zukunft neu gestalte. Er appellierte an China, in Afrika mit Frankreich am weiteren Aufbau der Infrastruktur zusammenzuarbeiten und gemeinsame Projekte zu initiieren, die für das Wachstum des gesamten Kontinents nützlich seien. Die Neue Seidenstraße und die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und China könnten helfen, nicht mehr die alten Fehler Frankreichs eines „unilateralen Imperialismus“ in Afrika zu weiterzuführen!

Tatsache ist, daß China schon bald Weltführer auf dem Feld der Innovation sein wird und es in einigen Bereichen schon ist. China hat nicht nur 800 Millionen Menschen innerhalb kurzer Zeit aus der Armut befreit, sondern auch u.a. das weltweit größte Schnellbahnsystem von 22.000 km (Stand Ende 2017) gebaut. Der jährliche Konsum innerhalb Chinas wird bis 2021 auf zwei Bio. Dollar steigen und so der Weltwirtschaft jedes Jahr einen Verbrauchermarkt von der Größe Deutschlands hinzufügen. Im Rahmen des Macron-Besuchs wurden übrigens umfassende Kooperationsabkommen zwischen dem französischen Nuklearkonzern New Areva und dem staatlichen chinesischen Kernenergie-Unternehmen, der Chinese National Nuclear Corporation, geschlossen sowie eine enge Kooperation im Bereich der Raumfahrt vereinbart.

Zwei gegensätzliche Dynamiken

Es gibt derzeit zwei völlig unterschiedliche Dynamiken auf der Welt. Die eine ist die Neue-Seidenstraßen-Initiative, die von Optimismus für die Zukunft, von wirtschaftlichem Wachstum und der Idee einer friedlichen Kooperation zwischen den Staaten für das Gemeinwohl aller geprägt ist. Die andere, die in einigen europäischen Staaten und den „Gespaltenen Staaten von Amerika“ vorherrscht, ist von Kulturpessimismus, Reichtum nur für einen Teil der Gesellschaft und dem Versuch, am alten Muster der Geopolitik festzuhalten, geprägt.

Betrachten wir zunächst die optimistische Variante. Inzwischen entstehen in Eurasien sechs große Infrastrukturkorridore; verschiedene internationale Organisationen wie Chinas Wirtschaftsgürtel-Initiative (BRI), die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU), die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), die meisten mittel- und osteuropäischen Staaten, aber auch Italien, Frankreich, Spanien und Portugal integrieren sich in dieses Projekt. Die Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC) hat eine umfassende Zusammenarbeit mit der Neuen Seidenstraße vereinbart, und seit China in Afrika mit dem Bau mehrerer Eisenbahnlinien - wie z.B. von Dschibuti nach Addis Abeba, von Kenia nach Uganda und Tansania und von Kigali nach Daressalam als Anfang eines gesamtafrikanischen Eisenbahnnetzes - begonnen hat, haben die Menschen in Afrika zum ersten Mal die Chance, mit Chinas Hilfe ein umfassendes Infrastrukturnetz, moderne Industrien und Landwirtschaft sowie neue Städte entwickeln zu können.

Es wäre für Deutschland sehr einfach, auf das Angebot Xi Jinpings einzugehen, mit China beim Ausbau der Neuen Seidenstraße in Afrika zu kooperieren und damit die „Fluchtursachen“ effektiv zu bekämpfen. Nur wenn in Afrika eine wirkliche wirtschaftliche Entwicklung in Gang kommt, die vor allem jungen Menschen eine Zukunftsperspektive eröffnet, werden sie nicht mehr aus Verzweiflung ihr Leben zu riskieren, um durch die Sahara und über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen.

Aber bislang halten Brüssel und Berlin an dem offensichtlich gescheiterten Modell der sogenannten Entwicklungshilfe fest, bei der nach dem Gießkannenprinzip in „angepaßte“ Technologien (d.h. primitive Kleinanlagen) und in wenig „nachhaltige“ Projekte (mit geringer Energieflußdichte) investiert wird, was mehr einem PR-Feigenblatt gleichkommt, als tatsächlich die Armut zu überwinden. Damit sich private Investoren engagieren, müßten die Regierungen durch zwischenstaatliche Verträge Garantien übernehmen; die Tatsache, daß dies unterbleibt, läßt nur den Schluß zu, daß die Entwicklung Afrikas gar nicht erwünscht ist.

Was Afrika wirklich braucht, ist das, was bei allen Nationen, die sich industriell entwickelt haben, immer die absolute Voraussetzung war: ein umfassendes Infrastrukturprogramm, ohne das weder Industrie noch Landwirtschaft groß werden können. In dieser Hinsicht haben China - und zu einem geringeren Grade Indien und Japan - das wichtigste getan, um ein gesamtafrikanisches Verkehrswegenetz zu bauen, wie mein Ehemann Lyndon LaRouche und ich es bereits Mitte der 70er Jahre vorgeschlagen haben. China hat im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative außerdem in eine Vielzahl anderer Projekte wie Industrieparks, Wasserkraftanlagen usw. investiert und eine Reihe von Machbarkeitsstudien für Wasserumleitungs-Projekte, Entsalzungs- und Bewässerungsanlagen in Angriff genommen.

Können Sie sich vorstellen, was es für einen Afrikaner bedeutet, daß jetzt zum ersten Mal von einem mächtigen Land wie China der unnatürliche Zustand der Unterentwicklung, den die Kolonialmächte zurückgelassen haben, in Angriff genommen wird?

Kredite für Entwicklung

China hat allen Staaten dieser Welt eine Win-Win-Kooperation beim Ausbau der Wirtschaftsgürtel-Initiative, also auch Joint Ventures in Drittländern, angeboten. Deshalb sollte Deutschland ebenso wie die anderen europäischen Nationen einfach mit China und den afrikanischen Nationen zusammenarbeiten, um den wirtschaftlichen Aufbau auf die bestmögliche Weise zu gestalten. Völlig zurückzuweisen ist hingegen die alte geopolitische Argumentation, Deutschland und Europa müßten eigene Modelle entwickeln, um Chinas Einfluß zurückzudrängen. Der Westen hatte jahrzehntelang die Gelegenheit, den afrikanischen Kontinent entwickeln zu helfen, und hat es offensichtlich nicht getan!

China und die BRICS-Staaten haben ihre neuen Finanzinstitutionen - wie die AIIB, die New Development Bank, das Contingency Reserve Arrangement, den New Silk Road Fund, den Maritime Silk Road Fund und eine Reihe ähnlicher Institutionen - ja gerade aus dem Grund geschaffen, weil IWF und Weltbank jahrzehntelang bei weitem zu wenige Kredite für Infrastrukturinvestitionen zur Verfügung gestellt und diese noch mit den berüchtigten Konditionalitäten versehen haben, die wirkliche Entwicklung verhinderten.

Das transatlantische Finanzsystem steht nun erneut vor einem Crash, der sehr viel schlimmer als der von 2007/08 werden dürfte. Die Zentralbanken haben damals in absolut unverantwortlicher Weise nichts getan, um die Ursachen für diese Systemkrise zu beseitigen, sondern lediglich gigantische Summen von Liquidität in das Bankensystem gepumpt, was u.a. von den Großbanken und Unternehmen genutzt wurde, um zu Null-Zinsen ihre eigenen Aktien aufzukaufen und so dicke Gewinne einzustreichen. Jetzt droht eine Insolvenzwelle der total überschuldeten Firmen, und anderer Schuldner.

Nur wenn rechtzeitig - vor dem Crash - das Glass-Steagall-Trennbankensystem in der Tradition von Franklin D. Roosevelt durchgesetzt und die Kasinowirtschaft durch ein Kreditsystem in der Tradition der Art ersetzt wird, wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg funktioniert hat, kann ein Absturz ins Chaos verhindert werden. Eine solches KfW-System könnte problemlos mit der AIIB, dem New Silk Road Fund, der New Development Bank etc. beim Aufbau von Südwestasien, Afrika, aber auch beim Infrastrukturaufbau in Europa und nicht zuletzt in Deutschland selbst kooperieren.

In letzter Zeit hat die EU nicht zuletzt wegen der Flüchtlingskrise enorm an internationalem Ansehen verloren, und sie ist schon lange kein Vorbild mehr für andere regionale Staatengruppen. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex ist vorwiegend damit beschäftigt, Strategien zur Abwehr irregulärer Einwanderung zu entwickeln und umzusetzen, es werden Millionen in Methoden investiert, durch hermetisch überwachte EU-Außengrenzen einen „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ zu erzeugen. Aber es ist offensichtlich: je dichter die Grenzen werden, je effektiver sie mit Technik und Personen geschützt werden, um so höher ist die Zahl der Migranten, die die Fahrt über das Mittelmeer oder andere Wege nicht überleben. Neben den vielen Tausenden, die pro Jahr offiziell ums Leben kommen, kennt keiner die Dunkelziffer, wie viele Menschen in der Sahara umgekommen, auf der Flucht ertrunken oder in Booten verdurstet sind. Aber auch in den von der EU mit Anrainerstaaten vereinbarten Auffanglagern sind die Flüchtlinge und Migranten meist katastrophal unterversorgt und eingepfercht - ein Zustand, den Papst Franziskus zurecht mit Konzentrationslagern verglichen hat. Die von Europa so selbstherrlich in alleinigen Besitz genommenen „westlichen Werte“ wie Menschenrechte und Selbstbestimmung sind in der Flüchtlings- und Migranten-Frage längst unter die Räder gekommen.

Anstatt nun noch zusätzlich über den Aufbau einer Europäischen Armee in Konkurrenz zur NATO nachzudenken, was die ganze Schieflage des Denkens verdeutlicht, mit der das neoliberale Establishment an geopolitischen Positionen festzuhalten versucht, brauchen wir eine völlig neue Sicht der Dinge.

Die Geopolitik beenden!

In der Geschichte der Menschheit ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir eine neue Stufe in unserer Entwicklung erreichen müssen, oder wir laufen Gefahr, uns in einem dritten - diesmal thermonuklearen - Weltkrieg selbst auszulöschen. Wenn wir an der Geopolitik festhalten, d.h. der Vorstellung, daß eine Nation oder eine Gruppe von Nationen das Recht habe, ihre Interessen notfalls auch mit militärischen Mitteln gegen eine andere Nation oder Gruppe von Nationen durchzusetzen, ist ein solcher Krieg eher wahrscheinlich.

Man sollte nicht vergessen, daß die diversen Interventionskriege in Südwestasien mit dem Ziel, im Sinne der geopolitischen Konzeption einer unipolaren Welt Regimewechsel herbeizuführen, massiv zu der Flüchtlingskrise beigetragen haben. Letztlich ist auch die Krise um Nordkorea das Resultat dieser Kriege, denn sie haben bei Kim Jung-un zu der Überzeugung geführt, daß seine Regierung dem Schicksal Saddam Husseins und Gaddafis nur dann entgehen kann, wenn Nordkorea eine vollständige Nuklearmacht ist.

Wir müssen die Geopolitik durch eine Politik der gemeinsamen Ziele der Menschheit ersetzen. Diese Ziele leiten sich aus der Natur des Menschen ab, denn der Mensch ist das einzig bekannte Lebewesen, das mit kreativer Vernunft begabt ist, die es ihm immer wieder ermöglicht, durch wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt sein Wissen über die Gesetze des Universums, von dem wir ein Teil sind, zu vermehren. Dieser Fortschritt erlaubt es uns, unsere Lebensgrundlagen immer wieder neu zu definieren, die Lebensbedingungen und die Lebenserwartung für alle Menschen auf diesem Planeten zu verbessern.

Damit sich das in jedem Menschen angelegte Potential voll entfalten kann, müssen sich die Staaten auf ein völlig neues Modell der Beziehungen untereinander einigen. Dazu gehört, daß das Interesse der einen Menschheit vor das Interesse der Nationen gesetzt wird.

Der erste große Denker, der auf diese Weise gedacht hat, war Nikolaus von Kues, der Begründer der modernen Wissenschaften und der Idee des repräsentativen Nationalstaates. Er demonstrierte mit seiner Philosophie des Ineinsfallens der Gegensätze, der coincidentia oppositorum, daß das Eine eine höhere Macht darstellt als das Viele. Übereinstimmung, Konkordanz, kann es im Makrokosmos nur geben, wenn sich alle Mikrokosmen auf die bestmögliche Weise entwickeln und es als ihr ureigenstes Interesse betrachten, daß sich alle anderen Mikrokosmen ebenfalls auf optimale Weise entfalten. Dieses Prinzip gilt auch für die Menschheit als Ganze und das Zusammenleben der Nationen.

Nikolaus von Kues hatte bereits im 15. Jahrhundert erkannt, daß sich die verschiedenen Nationen und Kulturen nur deshalb untereinander verständigen können, weil sie alle Wissenschaftler und Künstler hervorgebracht haben, die ungeachtet ihrer sprachlichen und traditionellen Unterschiede den Wahrheitsgehalt universeller Prinzipien erkennen und kommunizieren können.

Wir sehen heute, wie die Astronauten auf der Internationalen Raumstation (ISS) über alle nationalen Schranken hinweg zusammenarbeiten und immer wieder berichten, daß der Blick von der ISS auf die Erde die Idee der einen Menschheit deutlich hervortreten läßt. Wir müssen also die Zusammenarbeit zwischen den Nationen auf die gleiche Weise organisieren wie die Wissenschaftler, die ihre Entdeckungen über universelle Prinzipien mit dem Ziel des Fortschritts der Erkenntnis austauschen, oder wie die Astronauten, die gemeinsam in die Geheimnisse des Universums eindringen, oder wie die internationalen Mitglieder eines klassischen Orchesters, die ein Werk gemäß der Intention des Komponisten lebendig werden lassen. Wir müssen die Beziehungen zwischen den Nationen von der Vision her bestimmen, wie die Menschheit in hundert oder tausend Jahren zusammenleben soll.

Dies ist offensichtlich nicht der Blickwinkel des heutigen typischen Bundestagsabgeordneten, dessen höchstes Ziel der Erhalt seines Mandats für weitere vier Jahre ist. Aber es ist der Geist der Neuen Seidenstraße, der bereits das Denken vieler Repräsentanten der Staaten bestimmt, die bei der Wirtschaftsgürtel-Initiative kooperieren. Präsident Xi Jinping spricht von einer Gemeinschaft für die eine Zukunft der Menschheit. Auch Präsident Putin betont die Notwendigkeit eines neuen Paradigmas, einer völlig neuen Philosophie für den Bau der Beziehungen zwischen den Nationen. Der chinesische Außenminister Wang Yi unterstreicht, daß die Neue Seidenstraße kein chinesisches Solo ist, sondern einer Sinfonie gleicht, bei der alle Nationen wie in einem großen Orchester zusammenspielen.

Spätestens seit dem Wirtschaftsforum in Wladiwostok und dem G20-Gipfel in Hangzhou 2016 wachsen die Wirtschaftsräume der verschiedenen Institutionen zusammen: Die Wirtschaftsgürtel-Initiative integriert sich mit der Eurasischen Wirtschaftsunion, diese wiederum mit ASEAN und der Shanghai Cooperation Organisation, die allesamt ihre Beziehungen zu den lateinamerikanischen Organisationen UNASUR und MERCOSUR sowie zur Afrikanischen Union intensivieren.

Es wäre im Interesse ganz Europas und Asiens, wieder an dem Punkt anzuknüpfen, an dem die Entwicklung nach dem Ende der Sowjetunion eine falsche Richtung genommen hatte, und ganz Eurasien vom Atlantik bis zum Pazifik zu einer integrierten Wirtschaftsregion zu vereinen. Und anstatt neben der NATO noch eine Europäische Armee aufzubauen und einen selbstmörderischen Rüstungswettlauf mit Rußland und China zu eskalieren, sollten wir die Kooperation beim Ausbau der Neuen Seidenstraße, die zur Weltlandbrücke wird, als Basis für eine neue internationale Sicherheitsarchitektur betrachten, die die Sicherheitsinteressen eines jeden Staates berücksichtigt. Nur so ist eine wirkliche Friedensordnung möglich.

Für einen Dialog der Kulturen

Zu der wirtschaftlichen Kooperation zum gegenseitigen Vorteil aller beteiligten Staaten muß noch eine kulturelle und geistige Dimension hinzukommen: Wir brauchen einen Dialog der Kulturen, der die Hochphasen einer jeden Kultur aktualisiert und der übrigen Welt bekannt macht.

Die Deutschen waren zwar bis vor einigen Jahren die sogenannten Reiseweltmeister, ein Rang, den uns China inzwischen abgelaufen hat, aber beim Wissen der meisten Deutschen über die besten Perioden der Nationen und Kulturen dieser Welt besteht noch viel Raum für Verbesserung. Das hat offensichtlich sehr viel damit zu tun, daß wir auch unsere eigene beste kulturelle Geschichtsphase, nämlich die deutsche Klassik, nicht wirklich für alle Generationen lebendig halten.

Dafür gibt es viele Gründe, von der Kampagne des Kongresses für Kulturelle Freiheit - einer CIA-finanzierten Institution, deren Aufgabe es nach 1945 u.a. war, die Deutschen von ihren kulturellen Wurzeln abzuschneiden - über die Globalisierung der angloamerikanischen Popmusik bis zur absoluten Freizügigkeit der „postchristlichen“ Werte. Es ist aber völlig unsinnig, von einer deutschen „Leitkultur“ zu sprechen, an der sich ausländische Bürger orientieren sollen, wenn man darunter solch triviale Dinge wie Händeschütteln, das Zeigen des eigenen Gesichts ohne Verschleierung und das Nennen seines eigenen Namens versteht.

Wir haben in Deutschland das große Glück, eine sehr reiche klassische Kultur hervorgebracht zu haben, die sich z.B. in der Bildhauerei von Riemenschneider, den Bildern von Dürer, der Dichtung von Lessing bis zu Schiller, Goethe und Mörike, der Musik von Bach über Beethoven, Schubert, Schumann bis Brahms zeigt, um nur einige zu nennen, und viele dieser Werke sind längst zum Weltkulturerbe geworden. Aber es ist eine traurige Tatsache, daß vielen Bevölkerungsschichten und vor allem vielen jüngeren Menschen der Zugang zu diesen klassischen Werken verstellt ist.

Die Lage in Italien ist ganz ähnlich. 85% der von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten Kunstwerke befinden sich in Italien, aber der italienische Staat hat unter dem gegenwärtigen Austeritäts-Regime der EU nicht die Mittel, sie zu erhalten. Der Geist Dantes, Petrarcas, Leonardo da Vincis, Brunelleschis ist lebendig, aber die italienischen Zeitgenossen leben derzeit nicht diesen Geist der italienischen Renaissance.

In Frankreich sind der erhabene Geist der Johanna von Orleans, die Reformen Ludwigs XI., der umwerfende Humor des François Rabelais, die zukunftsweisenden Gedanken der École Polytechnique noch im Bewußtsein der Franzosen, aber diese sind ebenso vom Zeitgeist des Destruktivismus des Derrida befallen wie die Deutschen vom Kulturpessimismus. Ähnlich steht es mit den anderen Hochkulturen Europas.

In China ist es anders. Besonders seit dem Amtsantritt Xi Jinpings wird die ganze chinesische Gesellschaft ermutigt, sich mit dem Studium des Konfuzianismus zu beschäftigen, der die chinesische Gesellschaft - mit einer kurzen Unterbrechung während der Kulturrevolution - seit rund 2500 Jahren geprägt hat. Die damit verbundene Idee der ästhetischen Erziehung des Menschen durch klassische Musik und Poesie ist unserer eigenen Tradition von Friedrich Schiller und dem Humboldtschen Erziehungsideal des schönen Charakters viel näher als die Häßlichkeit der bei uns dominierenden modernen Popkultur. Der Unterschied besteht darin, daß die Tradition des Konfuzianismus lebendig ist, während wir in Deutschland und den anderen europäischen Nationen unsere beste Kultur erst wiederbeleben müssen.

Die BüSo organisiert seit langem nicht nur Veranstaltungen zur Neuen Seidenstraße, um der Bevölkerung die damit verbundenen Möglichkeiten bekannt zu machen, sondern wir verbinden dies auch immer mit Konzerten und Rezitationen, bei denen klassische Werke aus den verschiedenen Kulturen aufgeführt werden. Wenn die Menschen die Schönheit der ihnen oftmals bis dahin unbekannten Musik oder Poesie entdecken, geschieht immer das, was Schiller so wunderbar in seinen „Ästhetischen Briefen“ beschrieben hat: Der Weg zum Verstand wird durch das Herz geöffnet - alle Vorurteile, die aus Unwissenheit gegenüber fremden Kulturen rühren, schwinden, und aus der Kenntnis entsteht die Liebe zur Schönheit des neu entdeckten Kunstwerks.

Wir haben allen Grund, für unsere Zukunft optimistisch zu sein. Zum Glück ist das, was Ihnen Tagesthemen, Heute-Journal, Bild und FAZ als die wichtigen Themen vorgaukeln, keineswegs die ganze Realität dessen, was in der Welt heute vor sich geht. Und was könnte eine positive Vision für die Zukunft Deutschlands sein? Daß Deutschland als souveräne, stolze Nation mit einer reichen kulturellen und wissenschaftlichen Tradition in einer gleichberechtigten Partnerschaft mit den anderen Nationen dieser Welt ein neues Paradigma für die Menschheit schafft, das allen Menschen gestattet, ihr gesamtes kreatives Potential zu entfalten und bei dem die Menschheit wirklich menschlich wird.

Wenn Sie auch überzeugt sind, daß die Welt dringend verbessert werden muß, und daß es in einer Zeit der fundamentalen Veränderungen auf Ideen ankommt, mit denen eine menschlichere Zukunft gestaltet werden kann, dann gibt es für Sie nur eine einzige Partei: die Bürgerrechtsbewegung Solidarität!