06131-237384info@bueso.de

Aushöhlung und Mißachtung des Völkerrechts treiben globale „Entwestlichung“ voran

Aktueller Hinweis: 10. Januar (17-20 Uhr), Internetgespräch mit Rednern aus Deutschland, Frankreich und den USA: "Wie halten Sie es mit dem Völkerrecht, Frau Merkel?" 

Der folgende Artikel ist von Alexander Hartmann

In ihrem internationalen Internetforum vom 4. Januar befaßte sich Helga Zepp-LaRouche mit den jüngsten Geständnissen von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ehemaligen französischen Präsidenten François Hollande. Beide hatten in den letzten Wochen des Jahres 2022 u.a. bestätigt, daß die Minsker Abkommen nie als Plan für Frieden und Versöhnung zwischen der Ukraine und Rußland gedacht waren, sondern nur Zeit verschaffen sollten, um das ukrainische Militär aufrüsten. Mit anderen Worten, der Westen war schon 2014 zum Krieg gegen Rußland entschlossen. Zepp-LaRouche ging auf die Frage ein, wie sich das auf die allgemeine diplomatische Lage auswirkt:

„Ich bin sicher, daß über dieses Thema in vielen Ländern und Denkfabriken, unter Politikern und besorgten Menschen diskutiert wird, denn die Konsequenzen sind wirklich enorm. Denn es wurde nicht nur gelogen und eine falsche Absicht vorgetäuscht, es gab auch die UN-Resolution 2202, die das Minsker Abkommen faktisch zum Teil des Völkerrechts machte. Und indem Merkel und Hollande zugeben, daß ihnen das egal ist, sagen sie im Grunde: ,Das Völkerrecht ist uns egal, es spielt für uns keine Rolle.‘ Und das, nachdem die Vereinigten Staaten das gleiche schon oft bewiesen haben, indem sie sich nicht an UN-Resolutionen zu Interventionskriegen und alle möglichen Dinge hielten, mit all den Lügen z.B. im Fall von Libyen, wo sie den UN-Sicherheitsrat belogen haben.

Das ist also eine Aushöhlung des Völkerrechts - und das kommt von denselben Leuten, die alle zwei Minuten etwas von der ,regelbasierten Ordnung‘ faseln. Das zeigt doch ganz klar, daß diese ,regelbasierte Ordnung‘ gegen das Völkerrecht verstößt und ihm widerspricht. Das ist nicht neu, aber es ist eine unglaublich skandalöse Bestätigung.“

Sie habe Angela Merkel nie hoch eingeschätzt und immer für mittelmäßig gehalten, erklärte Zepp-LaRouche, „aber das geht wirklich noch darüber hinaus. Und Hollande hat sich, denke ich, den Spitznamen ,Lügender Holländer‘ verdient … Ich würde mir wünschen, daß viele Leute das [diesen Spitznamen] aufgreifen, damit es hängenbleibt. Denn es ist zwar wirklich ironisch, es ist aber auch sehr wichtig, daß die Menschen sich immer wieder an den verlogenen Charakter der sogenannten ,westlichen Führung‘ erinnern.“

„Unglaubliche Implikationen“

Sie hob die Bedeutung dieses Verhaltens der westlichen Regierungen hervor: „Die Implikationen, die sich daraus ergeben, sind wirklich unglaublich: Denn jahrelang… haben alle möglichen Politiker immer gesagt, daß die Sanktionen gegen Rußland erst nach der vollständigen Umsetzung des Minsker Abkommens aufgehoben werden könnten.“ Wenn nun Merkel, Hollande und Poroschenko - die drei Vertragspartner gegenüber Putin in den Minsker Abkommen - sagen, daß sie das Abkommen niemals ernsthaft umsetzen wollten, bedeute dies, „daß sie die ganze Zeit gelogen haben; daß die gesamte EU-Führung die ganze Zeit gelogen hat“.

Darüber müsse man diskutieren und nachdenken, betonte sie, denn es widerlege das Narrativ, daß Rußland unprovoziert einen Angriffskrieg begonnen habe. „Offensichtlich wurde das über einen langen Zeitraum hinweg aufgebaut. Und wenn man sich diese neun Sanktionspakete anschaut - ich habe sie alle nachgeschlagen: Das ist eine schrittweise Strangulierung der Wirtschaft. Das war von Anfang an der Plan, wahrscheinlich schon vor dem Maidan-Putsch, über den Victoria Nuland bekanntlich sagte, das US-Außenministerium habe fünf Milliarden Dollar für die Vorbereitung von Farbrevolutionen ausgegeben.“

Das Ziel sei also von Anfang an gewesen, „Rußland zu ruinieren“, wie Außenministerin Baerbock oft sage. Zepp-LaRouche erinnerte in dem Zusammenhang auch an ein Pressebriefing zweier namentlich nicht genannter Vertreter des Weißen Hauses, die am 25. Januar 2022, „also schon vor Beginn des sogenannten ,Angriffskrieges‘ sagten, das Ziel sei es, Rußland jegliche Fähigkeit zu nehmen, sich von Öl und Gas zu diversifizieren und ihm jegliche moderne Technologie zu verweigern… Das war schon unglaublich, denn wie kann man sagen, daß man ein anderes Land daran hindern will, sein Recht auf Entwicklung wahrzunehmen?“

Durch die Äußerungen von Merkel und Hollande werde der Betrug des Westens nun „sehr, sehr durchsichtig. Aber die Auswirkungen sind schwerwiegend, denn jetzt sagen die Russen, wie Außenminister Lawrow, daß sie keine Projekte mehr mit der EU durchführen werden, weil das Vertrauen völlig zerstört ist. Und das ist etwas, das sehr, sehr schwer zu reparieren sein wird, denn das ist wirklich ein Verrat über acht Jahre hinweg! Ich denke also, die Auswirkungen sind wirklich unglaublich, und ich würde mir wünschen, daß viele Menschen, die sich um den Zustand der Welt sorgen, eine Diskussion darüber führen, was das in Bezug auf die ,westlichen Werte‘ bedeutet.“

Die „Entwestlichung“ schreitet voran

Der Westen wolle diese unipolare Weltherrschaft durchsetzen und alle in ein sogenanntes „Demokratie-Bündnis“ zwingen. Aber dieser Versuch sei gescheitert, denn der Globale Süden falle nicht mehr auf die Narrative des Westens herein.

Sie zitierte dazu einen Artikel des chinesischen Wissenschaftlers Wang Wen, Dekan des Chongyang-Instituts für Finanzstudien an der Renmin-Universität, der darin Bundeskanzler Scholz und westlichen Publikationen widerspricht, die den Begriff „Zeitenwende“ zum „Wort des Jahres 2022“ erklärt hatten. Der Schlüsselbegriff für dieses Jahr sei vielmehr „Entwestlichung“. Dann beschreibt Wang Wen ausführlich, wie immer mehr Länder auf der Welt - in Lateinamerika, Zentralasien, Südwestasien, in der arabischen Welt, in Afrika - versuchen, sich von der geopolitischen Konfrontation zu distanzieren. Es nennt die BRICS-Plus, 17 Länder, die sich um die Mitgliedschaft in den BRICS beworben haben; die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit oder die Eurasische Wirtschaftsunion.

Zepp-LaRouche kommentierte den Mißerfolg des Westens: „Ich denke, das Ganze ist nach hinten losgegangen, und indem sie versucht haben, etwas durchzusetzen, was die meisten Länder nicht als in ihrem eigenen Interesse betrachten, haben sie faktisch dazu beigetragen, eine neue Weltwirtschaftsordnung zu katalysieren.“ Die Länder des Globalen Südens hätten nicht mit Konfrontation reagiert, sondern seien mehr oder weniger leise in die andere Richtung gegangen, um ihre eigenen Interessen in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten zu stellen. „Das hat eine ganz andere Dynamik in der Welt geschaffen.“

Deutschland hingegen folge weiter dem Kurs der NATO und mache sich immer mehr zur Kriegspartei, etwa durch die Stationierung gegen Rußland gerichteter Waffensysteme wie die Verlegung von sechs US-Flugzeugen zur elektronischen Kriegsführung vom Typ EA-18G Growler an den Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem, die die Luftabwehr des Gegners ausschalten sollen, und die Ausbildung ukrainischer Truppen. Gleichzeitig ruiniere die Bundesregierung mit ihrer Wirtschaftspolitik die deutsche Wirtschaft, es drohe eine völlige Deindustrialisierung Deutschlands. Sie betonte: „Diese Regierung vertritt nicht die deutschen Interessen! ... Es ist höchste Zeit, daß es eine Neuausrichtung der Politik gibt.“

Kernpunkte einer Neuausrichtung

Zum Abschluß des Forums skizzierte sie wesentliche Punkte dieser Neuausrichtung:

„Wie ich in den Zehn Prinzipien gesagt habe, gibt es sehr konkrete und praktische Dinge, die man lösen muß, und sie können nur gelöst werden, wenn die großen Länder der Welt zusammenarbeiten.

Das erste ist natürlich, die Souveränität wieder herzustellen. Warum ist der souveräne Nationalstaat so wichtig? Weil er die einzige Form ist, in der das Individuum an der Selbstverwaltung teilnehmen kann. Nicht in supranationalen Institutionen, wo der einzelne keine Möglichkeit der Beteiligung hat: Das sieht man an der EU-Kommission, die ein typisches Beispiel für eine solche Monsterschöpfung von supranationalen Institutionen ist. Die Souveränität ist sehr wichtig, deshalb habe ich sie zum ersten Prinzip gemacht.

Zweitens: Man muß die Armut überwinden: Man muß sicherstellen, daß die Menschen durch ein entsprechendes Gesundheitssystem ein möglichst langes Leben haben; man braucht Bildung für alle, denn ohne Bildung kann man seinen Geist nicht entwickeln; man braucht ein Kreditsystem, das dem Gemeinwohl dient und nicht den Interessen einiger weniger; und so weiter und so fort. Es gibt also diese Art von Fragen - die Überwindung der Unterentwicklung, ein Gesundheitssystem in jedem Land, allgemeine Bildung für jedes Kind und jeden Erwachsenen - das sind sehr konkrete und praktische Fragen.

Aber ich denke, sobald wir das gelöst haben, was Franklin D. Roosevelt die ,wants‘ (Grundbedürfnisse) nannte, können wir darüber hinaus zu dem übergehen, was manche die ,noo-wants‘ (Geistesbedürfnisse) nennen: die Bedürfnisse, die nicht mit der biologischen Existenz des Menschen zu tun haben, sondern mit seinem Intellekt, mit der Noosphäre, wie Wernadskij es nannte. Und das ist der Moment, in dem der Mensch wirklich menschlich wird…

Wir sollten uns wirklich auf unser schöpferisches Potential besinnen, das nur uns Menschen zu eigen ist - zumindest haben wir bisher keine andere Gattung im Universum gefunden, die über ähnliche schöpferische Fähigkeiten verfügt, so daß wir bis jetzt die einzigen sind. Wollen wir das opfern, indem wir herumlaufen wie Schweine und anderen Schweinen den Trog wegnehmen? Das ist doch nicht unsere Natur!

Wir sollten eine Gattung von Dichtern sein, von Wissenschaftlern, von Komponisten, von Menschen, die ihr Leben lang ihre Kreativität feiern. Und ich bin ziemlich zuversichtlich, daß das der Trend der Zeit ist. Ich denke, wir sollten auf dieses Jahr, 2023, mit Freude und Energie blicken, um diese Entwürfe umzusetzen und eine friedliche Welt zu schaffen!“

Zu diesem Themenkomplex findet am 10. Januar, 17-20 Uhr ein Internetdiskussion mit Sprechern aus Deutschland, Frankreich und den USA statt: "Wie halten Sie es mit dem Völkerrecht, Frau Merkel?" (LINK)