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Wie Deutschland seine Seele wiederfinden kann!

Wie Deutschland seine Seele wiederfinden kann!

Von Helga Zepp-LaRouche

4. August 2004

Wir erleben derzeit, wie Institutionen, von denen die meisten Menschen angenommen hatten, sie gehörten zu den unerschütterlichen Fundamenten unserer Gesellschaft, ins Wanken geraten oder einstürzen: unser Gesundheitswesen, das einmal zu den besten der Welt gehörte; unser Rentensystem, für das die Generation, die Deutschland nach den Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut hat, ihr ganzes Leben lang gearbeitet hat; unser Bildungswesen, für das PISA nur der Name für die verspätete Erkenntnis einer lange absehbaren Fehlentwicklung ist - oder jetzt, als jüngster Schock, das sogenannte Hartz-IV-Programm, das den „schärfsten Einschnitt in unser Sozialstaatssystem seit 1945“ darstellt.

Die Weltwirtschaft befindet sich in einer neuen Krise, von deren Auswirkungen wir in Deutschland nun voll erfaßt werden und die in ihren Auswirkungen schlimmer zu werden droht als die Große Depression der 30er Jahre. Aber die Regierungen haben nichts aus der Erfahrung dieser Zeit gelernt: Sie wiederholen den Fehler der Brüningschen Sparpolitik und des brutalen Angriffs eines Hjalmar Schacht auf den Lebensstandard der Bevölkerung. Und wenn wir irgendetwas aus der Geschichte gelernt haben, müssen wir uns die Frage stellen: Droht sich aus der Depression wieder eine neue Dynamik von Faschismus und Krieg zu entwickeln? Sind neue Hitlers, Mussolinis, Francos oder Petains denkbar?

Von Konfuzius stammt die weise Erkenntnis, daß es das Wichtigste im Staate sei, die Begriffe in Ordnung zu bringen. Denn wenn die Begriffe nicht in Ordnung seien, könnten die Bürger die Gesetze nicht verstehen und sich nicht verständigen, und dann bräche als Konsequenz die Ordnung im Staate zusammen. In Deutschland haben wir ein solches Problem, daß die Begriffe nicht in Ordnung sind, und deshalb droht unsere Gesellschaft u.a. daran zu zerbrechen, daß die Bürger die wirklichen Ursachen für die vielen Schwierigkeiten nicht verstehen können, sie diese vielmehr mit falschen Gründen erklären und demzufolge auch falsche Lösungen, falsche Ziele und falsche Aufgaben definieren.

Daß dies in Deutschland in ganz besonderem Maße der Fall ist, hängt mit der besonderen Geschichte unserer Nation im 20. Jahrhundert zusammen, über die zwar tonnenweise Bücher geschrieben wurde, deren wirklich zugrundeliegende Ideengeschichte aber bisher nie zusammenhängend dargestellt wurde: eine Problematik, die von den wirklichen geopolitischen Ursachen des Ersten Weltkriegs über die Frage der Alleinschuld der Deutschen am Ersten Weltkrieg bis zum Charakter der Periode von 1922-45 eine große Anzahl von Tabuthemen umfaßt. Von einer aber noch sehr viel gewaltigeren Größenordnung aber sind die Begriffsverwirrungen, die in Deutschland durch die Umerziehung seitens der Besatzungsmächte, die „Kritische Theorie“ der Frankfurter Schule und als deren Folge den Paradigmenwandel der Rock-Drogen-Sex-Gegenkultur gewissermaßen als eine Schicht nach der anderen bzw. über der anderen zustande gekommen sind.

Das Gesamtergebis dieses langen und wiederholten Prozesses von „sozialem engineering“ besteht leider darin, daß es inzwischen zwar ein Korsett gibt, das für „politisch korrektes“ Denken und Verhalten enge Maßstäbe setzt, es aber inzwischen so gut wie unmöglich ist, auch nur zwischen zwei Menschen einen Konsens zu einem einzigen Thema zu finden. Und deshalb ist es eben so dringend nötig, im konfuzianischen Sinne die Begriffe zu klären, denn schuld an der allgemeinen Verwirrung ist eben, daß durch die wiederholte „Umwertung der Werte“ die Menschen oft unter demselben Begriff ganz unterschiedliche Dinge verstehen. Wo aber anfangen bei dieser notwendigen Klarstellung der Begriffe?

Es ist immer gut, eine Sache von oben her zu betrachten. Deshalb soll man versuchen, den Zustand der deutschen Bevölkerung mit Friedrich Schillers Augen etwa von dem Blickwinkel aus zu beurteilen, von dem der Dichter in den Ästhetischen Briefen die Lage der Bevölkerung zum Zeitpunkt der Französischen Revolution beschreibt. Welcher Anblick bietet sich da? Die Managerklasse treibt der kalte Geschäftssinn um, mit dem anscheinend einzigen Ziel, die eigenen Taschen zu füllen, während ein Großteil der Bevölkerung gar nicht merkt, daß ihre Abhängigkeit von immer seichterer Unterhaltung ihren Status als Untertanen zementiert. Regierung und Opposition halten den Begriff Ge mein wohl für ein Wort aus einem entlegenen chinesischen Dialekt, während die Bevölkerung mehr und mehr das Gefühl hat, daß es in diesem Land niemanden gibt, der sich um sie kümmert.

Das sogenannte deutsche Establishment ist größtenteils von einer bemerkenswerten Arroganz, die allerdings weder von geistiger Substanz noch Realitätssinn angehaucht ist. Ein großer Teil der jungen Generation will mit Politik nichts mehr am Hut haben, das Wissen über die Geschichte und die europäische Kultur verschwindet langsam aber sicher; in der Spaß- und Konsumgesellschaft „selbstverwirklichen“ sich die Leute auf dem denkbar niedrigsten Niveau. Und wenn Heinrich Heine heute lebte, so würde er noch lauter rufen als zu seiner Zeit: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht!“

Was ist kulturell in Deutschland geschehen? Wie konnte es geschehen, daß Deutschland, das Land der Dichter, Denker und Erfinder so weitgehend von seinen kulturellen und geistigen Wurzeln abgeschnitten worden ist?

Den Kulturkrieg durchschauen

In dem hier vorliegenden Bericht, der in den USA unter dem Namen Children of Satan III als dritte Broschüre über die Neokonservativen in der Regierung Bush jun. und ihre historischen Vorläufer veröffentlicht wurde, wird deutlich, daß diese üble Tradition in den USA das Schicksal Europas und vor allem Deutschlands in der Nachkriegszeit ganz entscheidend geprägt hat. Das Zusammenspiel von Besatzungsmacht, Frankfurter Schule und dem im wesentlichen für kulturelle und psychologische Kriegsführung zuständigen Kongreß für kulturelle Freiheit (Congress of Cultural Freedom, CCF) ist dabei höchst aufschlußreich.

Wenn man verstehen will, warum sich das geistige und kulturelle Leben in Deutschland heute in einem so chaotischen Zustand befindet, dann muß man wissen, daß es in Amerika vor 1933 eine Tendenz gab, der die Ideologie der Nazis keineswegs unsympathisch war und die mithalf, Hitler an die Macht zu bringen, nachdem die NSDAP bei den Wahlen im November 1932 Einbußen beim Wahlergebnis hatte hinnehmen müssen. Dazu gehörten u.a. Averell Harriman, Prescott Bush, die Mellons und Morgans. Vertreter derselben Tendenz nahmen noch während des Zweiten Weltkriegs entgegen der Politik Präsident Franklin D. Roosevelts Kontakt zu führenden Nazis auf - darunter Allen und John Foster Dulles, John J. McCloy, William Draper u.a. - , und nach Roosevelts Tod waren dann letztlich Vertreter derselben Tendenz für die „Entnazifizierung“ und Umerziehung der Deutschen durch die Besatzungsmächte unter der Oberhoheit des Hochkommissars John J. McCloy zuständig! Nur wenn man die Implikation dieser Ungeheuerlichkeit versteht, kann man die Identität der Deutschen wieder mit ihren eigenen Wurzeln verbinden.

Dabei wird deutlich, daß die sog. Umerziehung, bei der die Studien von Vertretern der Frankfurter Schule über die „autoritäre Persönlichkeit“ in den USA eine entscheidende Rolle gespielt haben, und die sog. „Kritische Theorie“, die seit in den Nachkriegsjahren mehr und mehr die Universitäten beherrschte, letztlich mehr zur Entwurzelung der Deutschen von ihrer Kultur beigetragen hat als selbst die beiden Weltkriege. Denn in der unmittelbaren Nachkriegszeit und noch in den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg fühlte die deutsche Bevölkerung einen ungeheuren Aufbauwillen und eine Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl, von denen heute kaum etwas übrig geblieben zu sein scheint.

Da gab es die legendären Trümmerfrauen, die buchstäblich mit bloßen Händen begannen, in den zerbombten Städten und Häusern wieder für Wohnmöglichkeiten und Lebensunterhalt zu sorgen. Große Musiker wie der Dirigent Wilhelm Furtwängler fingen damit an, in halbzerstörten Fabrikhallen klassische Konzerte zu organisieren, weil es in der Bevölkerung einen Hunger nach erhebender Kultur gab. Die Naturrechtsdebatte lebte neu auf, weil die Menschen es ernst damit meinten, daß man Gesetze definieren müsse, die sicherstellen könnten, daß sich eine solche Katastrophe nie wieder wiederholen würde. Die unerschütterliche Entschlossenheit, Deutschland wieder aufzubauen und blühen zu lassen, führte innerhalb weniger Jahre zu dem Phänomen, das in der ganzen Welt als das „deutsche Wirtschaftswunder“ bestaunt wurde. Hätten wir dann noch einen Douglas MacArthur als Hochkommissar gehabt, wie Japan das Glück hatte, und nicht McCloy, wäre die Entwicklung ganz anders verlaufen.

Aber inzwischen hatten die Vertreter der Frankfurter Schule, die nach Hitlers Machtergreifung in die USA ausgewandert waren und in New York das Institut für Sozialforschung an der Columbia Universität gegründet hatten, ihr Hauptprojekt über die „autoritäre Persönlichkeit“ unter der Leitung der beiden Codirektoren Theodor Adorno und Max Horkheimer entwickelt - und damit das Instrumentarium, das den Hauptansatzpunkt für die „Entnazifizierung“ durch die Besatzungsmächte unter Leitung McCloys darstellen sollte. Der Vorwand für dieses vom CIA-Vorläufer OSS genutzten Projekts war der Kampf gegen den Kommunismus oder andere autoritäre Staatsformen, doch in Wirklichkeit ging es darum, in Europa und den USA die klassische Kultur zu zerstören, das Menschenbild, das den Menschen als kognitives Wesen als Ebenbild des Schöpfers ansah, die Axiome des Denkens, die mit der F.D. Roosevelts Politik verbunden waren und die Idee der nationalen Souveränität zu zerstören und statt dessen den Boden für Bertrand Russells und H.G. Wells' Plan einer Weltregierung zu bereiten.

Adornos Absicht, über die er sich ganz unverhohlen äußerte, war eine völlige Zersetzung der Nachkriegsgesellschaft in den USA und Europa, und dazu gehörte es, u.a. alle Formen der Schönheit in der Kultur zu zerstören. Statt klassischer Musik und humanistischer Bildung nun „Demokratisierung“, „Emanzipation“, Schaffung „repressionsfreier Räume“, Optimierung des Glücks des einzelnen (nicht im Sinne von Leibniz' Idee der Glückseligkeit eines erfüllten Lebens, sondern als „Selbstverwirklichung“), Überwindung der „Entfremdung“. Marcuse propagierte später die „Revolutionierung unserer gesteuerten Bedürfnisse und gesellschaftlichen Zwänge“. Die „Kritische Theorie“ der Frankfurter Schule hinterfragte alle bisher als selbstverständlich angenommenen Tugenden der Gesellschaft. Da die Professoren der Frankfurter Schule sich nach ihrer Rückkehr aus den USA in den wichtigsten deutschen Universitäten auszubreiten begannen, beherrschten sie bald mehr und mehr das akademische Leben und wurden das geistige Vorbild der APO, des SDS und der 68er Generation allgemein.

In den ersten beiden Jahrzehnten des Wiederaufbaus lag die Identität beispielsweise eines mittelständischen Unternehmers oder Handwerksmeisters darin, das bestmögliche Produkt zu produzieren, dem Betrieb zwar genügend Gewinn für sich und seine Familie zu erwirtschaften - doch gleichzeitig auch soziale Aufgaben für seine Arbeiter und Angestellten und die Gemeinschaft zu übernehmen - , dabei aber einen höchstmöglichen Anteil des Gewinns in technische Innovation zu investieren, damit die Existenz der nächsten Generation gesichert war. Fleiß, Leistungswille, Ehrlichkeit, Verantwortungsgefühl gegenüber dem Gemeinwohl, Bejahung des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts - das waren Werte, die damals die allgemeine Moral der Bevölkerung bestimmten. Wenn z.B. jemand Schulden machte, galt er als unzuverlässig, machte er gar bankrott, galt er als gescheiterte Existenz.

Mit dem Einfluß der Frankfurter Schule auf die 68er sollte das alles anders werden. Die „Leistungsgesellschaft“ galt plötzlich als faschistoid, die traditionellen Werte als repressiv und Hindernisse bei der Selbstverwirklichung, und spätestens seit dem 1965 von Alexander Mitscherlich veröffentlichten Buch Unwirtlichkeit der Städte wurde die industrielle Wachstumsgesellschaft „problematisiert“, und der wissenschaftliche und technische Fortschritt war plötzlich nicht mehr fortschrittlich, sondern das Gegenteil, wenn nicht gar faschistisch. Die Umwertung der Werte im Sinne Nietzsches war im vollen Gang. Und wenn das Hauptprojekt der Frankfurter Schule die „autoritäre Persönlichkeit“ gewesen war, dann waren die „antiautoritären Kinderläden“ die Einlösung der Forderung Russells, die Kinder schon ab einem möglichst jungen Alter zu indoktrinieren (siehe den Beitrag „Der Kongreß für kulturelle Freiheit“).

Ein weiterer Aspekt des bewußt induzierten Paradigmenwandels war die Lancierung der Rock-Drogen-Sex-Gegenkultur, die sich mit den neuen Werten der 68er überlappte und vermischte. Wir haben in der Wochenzeitung Neue Solidarität in der Vergangenheit ausführlich den Anteil der anglo-amerikanischen Geheimdienste am Zustandekommen dieser Gegenkultur dokumentiert. Es sei hier nur auf das MK-Ultra-Projekt der CIA und die Aktivitäten von Timothy Leary verwiesen - wo LSD an ahnungslose Studenten verteilt wurde, um im großen Maßstab die Wirkung zu studieren - oder auf die Rolle von Lord Rees-Mogg und den britischen Firmen EMI, die u.a. für das britische Militär produzierte, und Decca bei der Karriere der Beatles und Rolling Stones.

Die Bildungsreformen

Ein wesentlicher weiterer Schritt des „sozialen Engineering“, der Umwertung der Werte, war ein Projekt der OECD, die verbliebenen Reste der an Humboldt orientierten humanistischen Erziehung abzuschaffen. Dr. Alexander King, 1963 der Beauftrage der OECD in Paris und später Vorsitzender des Club von Rome, arbeitete die Direktiven aus, die dann Anfang der 70er in allen OECD-Ländern umgesetzt wurden. In der Bundesrepublik geschah dies ab 1970 durch die Brandtsche Bildungsreform, die den Hebel ansetzte, um den sog. „Bildungsbalast der letzten 2500 Jahre“ aus dem Fenster zu werfen und die Erziehung mehr an pragmatischen Erfordernissen des Arbeitsmarktes zu orientieren - und damit natürlich an den Wertvorstellungen der nachindustriellen Utopie, die integraler Bestandteil des Paradigmenwechsels war.

Das in der PISA-Studie deutlich gewordene Bildungsdesaster begann mit der Brandtschen Erziehungsreform, denn seitdem war die Humboldtsche Idee, daß das Ziel der Erziehung die Entwicklung des schönen Charakters sein soll, ausgetilgt. Die Vernachlässigung des klassischen Bildungsguts und der Naturwissenschaften zugunsten eines mehr soziologisch und politologisch orientierten Unterrichts hat dazu geführt, daß nunmehr die Forderung Bertrand Russells, man müsse die Kinder schon unter zehn Jahren erwischen, wenn man ihnen erfolgreich eintrichtern wolle, daß Schnee schwarz sei (siehe „Der Kongreß für kulturelle Freiheit“), und daß man die Regierungen dazu bewegen müsse, diese Indoktrination im großen Stil zu finanzieren, in die Praxis umgesetzt wurde.

Wenn Adornos Angriff auf die klassische Kultur die Generationen zur Zielscheibe hatte, die in den 50er Jahren lebten, dann stellte die Brandtsche Erziehungsreform sicher, daß die Kinder, die von da ab zur Schule gingen, so gut wie kein Rüstzeug mehr mitbekamen, das sie gegen den ständigen Anprall der Gegenkultur immunisiert hätte. So gibt es heute nicht wenige Jugendliche, die noch niemals klassische Musik bewußt gehört haben oder Lessing, Schiller oder Heine höchstens dem Namen nach kennen - und selbst dies nicht immer. Daß der Paradigmenwandel eine Spirale ist, die sich nach unten immer weiter öffnet und keinen Boden hat, wird jedem sichtbar, der sich die Mühe macht, etwa Videospots der Heavy-Metal-Kategorie anzusehen.

Vergrünung der Köpfe

Eine weitere Schicht der Umwertung der Werte bestand in der Verwandlung der 68er und Rock-Drogen-Sex-Gegenkultur in die Umweltbewegung, die nicht zufällig von Netzwerken in Gang gesetzt wurde, die sich mit jenen überlappten, die schon für die Finanzierung von Projekten der Frankfurter Schule in den USA und die Erziehungsreform von 1970 verantwortlich gewesen waren. Plötzlich tauchte die These von den „Grenzen des Wachstums“ auf, und mit einem riesigen Propagandaaufwand wurde in zahllosen Studien auf die angebliche Endlichkeit der Ressourcen hingewiesen - wobei natürlich die Bedeutung des qualitativen wissenschaftlichen Fortschritts bei der Definition, was eine Ressource ist, immer bewußt ignoriert wurde. Beteiligt an dieser Kampagne waren, um stellvertretend nur einige zu nennen, der schon genannte Dr. Alexander King, ehemals OECD und später Präsident des Club von Rome, die Grenzen des Wachstums-Autoren Forrester und Meadows vom Massachusetts Institute von Technology (MIT), die Rockefeller-Stiftungen u.v.a.

Schritt für Schritt wurden die Begriffe ausgetauscht: Während es bis Ende der 60er Jahre völlig klar war, daß die Probleme der Entwicklungsländer von einem gewaltigen Mangel an Entwicklung herrührten, ging es vor allem auf die Aktivitäten von John D. Rockefeller III. zurück, daß plötzlich nicht Unterentwicklung, sondern „Überbevölkerung“ als Hauptproblem angesehen wurde und heute, rund 30 Jahre später, die Haltung der allermeisten Menschen z.B. Afrika gegenüber in vollkommener Gleichgültigkeit besteht: „Das laß ich gar nicht an mich herankommen.“

Die Ökologiebewegung als gewissermaßen die Enkelgeneration der Frankfurter Schule, die ja bekanntermaßen den „langen Marsch durch die Institutionen“ angetreten hatte, breitete sich in allen Parteien und Institutionen aus. Je mehr die Brandtsche Erziehungsreform ein wirklich fundiertes Wissen in den Naturwissenschaften schwächte, um so mehr konnten sich mystische, am Gaia-Kult festgemachte Ansichten über die Natur ausbreiten. Die Idee, daß gerade der wissenschaftlich-technische Fortschritt am besten dazu geeignet ist, die größten Umweltprobleme wie z.B. die Ausbreitung der Wüsten, Knappheit an sauberem Wasser usw. zu lösen, geriet in Vergessenheit.

Angriff auf die Menschenwürde

Adornos Ziel, die Grundfesten der Gesellschaft zu zerstören, wurde in erstaunlichem Maße erreicht, nicht zuletzt durch die Kampagne der Umweltbewegung, daß der Mensch nicht die Krone der Schöpfung, wie die Bibel sagt, sondern nur ihr „Bewahrer“ sei, der die Natur nur verwalten dürfe. Immer mehr wurde die Meinung verbreitet, der Mensch sei nicht grundsätzlich anders als alle anderen Lebewesen, sei kein Erkenntniswesen und kein Ebenbild Gottes durch seine schöpferische Vernunft, sondern nur ein besserer Menschenaffe. Wenn der Mensch nur ein Menschenaffe ist, dann ist die Menschenwürde auch nicht mehr „unantastbar“, und so ist es durchaus nicht verwunderlich, wenn der Verfassungsrechtler Matthias Herdegen in einem Kommentar zum Artikel 1 des Grundgesetzes genau zu diesem Schluß kam.

Dieser immer massiver werdende Angriff auf das Menschenbild hat natürlich unmittelbar politische und wirtschaftliche Konsequenzen: Wenn der Satz „Die Menschenwürde ist unantastbar“, den die Väter des Grundgesetzes als Damm gegen die Schrecken der Naziherrschaft konzipierten, nicht mehr uneingeschränkt gilt, dann ist „minderwertiges“ Leben auch nicht mehr von diesem Prinzip geschützt. Das bezieht sich heute auf den ganzen Bereich des ungeborenen Lebens - also Reproduktivmedizin, Embryonenforschung usw. - , aber auch auf die Sterbephase des Menschen. Dann sind wir wieder bei der Nazi-Vorstellung von den „überflüssigen Essern“, auch wenn dies hinter pseudowissenschaftlichen Mäntelchen verborgen werden soll. Und wenn man massive Sparprogramme durchsetzen will, um in der Tradition Hjalmar Schachts die Interessen der Banken gegen das Gemeinwohl der Bevölkerung durchzusetzen, dann muß man zuerst das Menschenbild aushebeln.

Eine höchst bedenkliche Entwicklung ist die Debatte unter einigen Gehirnforschern, zu welchem Grad auch komplexe kognitive Aktivitäten des menschlichen Geistes und bewußte Entscheidungen letztlich nur das Resultat neuronaler Prozesse seien, die nach den gleichen Prinzipien organisiert seien, wie sie auch bei den Tieren vorkämen. Bei dieser Sicht der Dinge fällt sowohl die menschliche Freiheit weg als auch die originelle schöpferische Hypothesenbildung, weil alle Denktätigkeit zu einem Resultat einer Mischung aus genetischen Faktoren und frühen Prägungen des Gehirns erklärt wird, die mit der Pubertät abgeschlossen seien.

Daß die Vorsitzende der „C“DU, Angela Merkel, sich ausgerechnet den zu dieser Richtung zählenden Gehirnforscher Prof. Wolf Singer als Hauptredner auf ihrer Geburtstagsfeier bestellte, sollte wirklich allen eine Warnung sein, die meinen, daß bei dieser Vorsitzenden christliche Werte zu finden seien. Denn dieser neuronale Determinismus leugnet nicht nur das Menschenbild als Imago viva Dei, des Menschen als lebendiges Abbild des Schöpfergottes, der im Unterschied zu allen anderen Lebewesen die Freiheit hat, sich für gut oder böse zu entscheiden. - „Menschen mit problematischen Verhaltensdispositionen als schlecht oder böse abzuurteilen, bedeutet nichts anderes als das Ergebnis einer schicksalhaften Entwicklung des Organs [des Gehirns], das unser Wesen ausmacht, zu bewerten“, schreibt Singer. - Damit leugnet man auch die Möglichkeit, auf das Humboldtsche Ideal der Erziehung zum schönen Charakter des Schülers hinzuarbeiten. Denn wenn das ganze Entwicklungspotential des Hirns mit der Pubertät abgeschlossen ist, dann lohnt es sich ja wohl nicht mehr, in humanistische Bildung zu investieren, denn: „Keiner kann anders als er ist“, meint Singer. Diejenigen, die's haben, haben es eben, und wer es nicht hat, hat es eben nicht. Calvin, der ja auch nur ein PR-Agent für die Oligarchie war, läßt grüßen.

Und damit sind wir, von pseudowissenschaftlichen Verbrämungen einmal abgesehen, letztlich wieder bei der Eugenik, wie sie nicht nur von Coudenhove-Kalergy und von der Eugenik-Gesellschaft in Amerika vertreten wurde. Dabei ist eigentlich irrelevant, ob der Mensch nur als ein Menschenaffe, eine Belastung für die Natur, nur solange mit Menschenwürde ausgestattet, wie er jung und gesund ist, gesehen wird, oder als ein genetisch bestimmtes Computersystem: Was all diesen und ähnlichen Menschenbildern gemeinsam ist, ist, daß sie eben nicht das humanistische Menschenbild repräsentieren, das den Menschen als potentiell kreatives, kognitives Wesen sieht, das wirklich frei ist, und dessen „unveräußerliche Rechte droben hängen in den Sternen“, wie es im Wilhelm Tell heißt und wovon in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung gesprochen wird.

Um zu der eingangs gestellten Frage zurückzukehren, ob ein neuer Faschismus möglich ist: Oh ja, die Gefahr ist massiv, und es ist gerade die Erosion des Menschenbildes, die den Boden dafür bereitet, daß von oben verordnete faschistische Lösungen für die Wirtschaftskrise in der Tradition Hjalmar Schachts von der Masse der Bevölkerung akzeptiert werden.

Man muß sich vergegenwärtigen, welche große Rolle der Kongreß für kulturelle Freiheit und damit eng verwoben die Frankfurter Schule und die anglo-amerikanischen Geheimdienste bei der Umerziehung der deutschen Bevölkerung gespielt haben. Und nur wenn man die verschiedenen Schichten des „sozialen Engineering“, des bewußt wiederholt induzierten Wertewandels als verschiedene Phasen der Evolution der sog. öffentlichen Meinung erfaßt, kann man verstehen, wieso das Bewußtsein eines großen Teils der Bevölkerung in Deutschland eher einer schlechten italienischen Minestrone gleicht als einer kohärenten Weltanschauung oder Philosophie.

Was ist also zu tun?

Der erste Schritt liegt darin, die Umerziehung der Deutschen durch die Besatzungsmächte und was daraus geworden ist, von einem selbstbewußten Standpunkt zu durchdenken. Wenn einem klar wird, welche vorwiegend anglo-amerikanischen Institutionen an einer großangelegten kulturellen Kriegsführung arbeiteten, die den wesentlichen Zweck hatte, das mit der klassischen Kultur verbundene Menschenbild zu zertrümmern und in letzter Konsequenz den Untertanengeist bei einer Mehrheit der Bevölkerung zu verfestigen, wie er für die Satrapen eines Weltimperiums angemessen ist, dann liegt darin die erste Voraussetzung für die innere Befreiung. Um die Absicht dieser kulturellen Kriegsführung zu verstehen, muß man sich nur vergegenwärtigen, daß Personen wie Allen Dulles, John J. McCloy und Truman die historischen Vorgänger von Leuten wie Dick Cheney, Richard Perle oder Paul Wolfowitz sind, die allesamt der Präambel der amerikanischen Verfassung und der Unabhängigkeitserklärung etwa genau so viel Sympathie gegenüberbringen wie damals König Georg III.

Der zweite Schritt könnte darin liegen, um all die verschiedenen Phasen des Paradigmenwandels seit der Umerziehung durch Besatzungsmächte und Frankfurter Schule gewissermaßen eine riesengroße „Klammer“ zu setzen, welche die verschiedenen Glaubensstrukturen im Zusammenhang mit der „Kritischen Theorie“, den Glaubenssätzen der 68er und Babyboomer, der Rock-Drogen-Sex-Gegenkultur, der Ökologiebewegung, der Yuppies und der modernen Calvinisten und Eugeniker usw. umschließt. Und wenn der menschliche Geist ein Computer wäre, würden wir dann einfach die „Entfernen“-Taste betätigen. Oder wir wenden die „Kritische Theorie“ auf sie selber an... Aber Spaß beiseite.

Tatsächlich müssen wir, um unsere eigenen Wurzeln wiederzufinden, genau an dem anknüpfen, was Adorno, Horkheimer und der Kongreß für kulturelle Freiheit mit all ihren Projekten zu zerstören versuchten: an unserer klassischen Kultur. Denn die deutsche Klassik, für die hier stellvertretend nur Schiller und Beethoven als deren höchste Repräsentanten genannt werden sollen, stellt bis heute vom Standpunkt der Universalgeschichte einen der absoluten Höhepunkte der Menschheit dar. Und es ist kein Zufall, daß ihre Werke längst aufgehört haben, nur deutsches Eigentum zu sein, sondern zur Weltkultur der menschlichen Gattung gehören.

Schillers Gesamtwerk, gleich, ob es sich um die dramatischen, poetischen, ästhetischen oder historischen Werke und Schriften handelt, ist ein so grundlegender Angriff auf die Ideologie der Oligarchie, daß diese ihm bis heute nicht vergeben hat - ergo der wiederholte Versuch, Schiller zu verbieten, wie bei den Karlsbader Beschlüssen Metternichs, den Verleumdungen durch den Erfinder der Umwertung der Werte, Nietzsche, oder das Aufführungsverbot für Wilhelm Tell durch die Nazis, die in dem Stück die implizite Aufforderung zum Tyrannenmord sahen. Oder eben Sir Steven Spender, der zu den Netzwerken des CCF gehörte und der Schillers Stück Maria Stuart mit seiner Übersetzung willkürlich abänderte, weil er mit Schillers Geschichtsauffassung nicht übereinstimmte.

Aus der Sicht der Oligarchie war die deutsche Klassik die größte Bedrohung, denn nicht nur hatte Schiller eine poetische Methode gefunden, den Menschen innerlich wirklich frei zu machen und ihn zu einer „schönen Seele“ zu entwickeln, sondern sein Freund Wilhelm von Humboldt hatte diese Ideen Schillers sogar zu einem Erziehungssystem ausgebaut. Wäre Humboldts Vorstellung einer allgemeinen universellen Bildung vollständig durchgesetzt worden, hätte die Geschichte einen anderen Verlauf genommen. Wenn alle Schüler und Studenten im Sinne Humboldts an einer universellen Ausbildung hätten teilhaben können, wäre für die Oligarchen nur noch Platz im Zoo als Fossil gewesen.

Wenn wir unsere eigene Seele als Nation wiederfinden wollen, müssen wir Nikolaus von Kues, Gottfried Leibniz, Moses Mendelssohn, Gotthold Ephraim Lessing, Friedrich Schiller lesen, wir müssen Bach, Haydn, Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms hören. Wir müssen an dem Höchsten und Besten anknüpfen, was die deutsche Kultur hervorgebracht hat. Und wenn der arme Wolf Singer „nicht anders kann, als er ist“ (und offensichtlich Frau Merkel auch nicht, sonst hätte sie ihn ja nicht eingeladen) dann können wir ihnen nur das sagen, was Schiller schon über Kant geschrieben hat: daß sie wohl eine sehr unglückliche Kindheit gehabt haben müssen, weil sie nur für die Knechte sprechen, nicht aber für die schönen Seelen. Nur weil sie unfrei sind, können sie der Menschheit noch lange nicht die Freiheit absprechen.

Wir sagen mit Schiller: Der Mensch ist größer als sein Schicksal. Und deshalb hat Schiller auch recht, wenn er in dem Gedichtfragment Deutsche Größe schreibt, die deutsche Würde „ist eine sittliche Größe, sie wohnt in der Kultur und im Charakter der Nation, die von ihren politischen Schicksalen unabhängig ist“. Wir werden sie wieder lebendig machen! Und, da kann man ganz beruhigt sein, die Geisteskraft von Leibniz, Schiller und Beethoven ist unvergleichlich höher als die ihrer armseligen Gegner!