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Das echte „Neue Bretton Woods"

Die folgende Klarstellung von Lyndon LaRouche erschien schon im Oktober 1998 in der [i]Neuen Solidarität[/i].

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[i]Von Lyndon LaRouche[/i]

Am 18. März 1998 legte ich auf einer Konferenz in Washington den ausgearbeiteten Entwurf meines Vorschlags für ein „Neues Bretton Woods" vor. Dieser Vorschlag sollte als Handlungsrahmen für den amerikanischen Präsidenten dienen. Er bleibt nach wie vor die einzige funktionierende Alternative zum fortschreitenden Zerfall des Weltfinanzsystems, der damals schon eingesetzt hatte.

Später, im August dieses Jahres, nach der jüngsten Verschärfung der anhaltenden Finanz- und Währungskrise, reagierten zunächst wenige, dann immer mehr prominente Persönlichkeiten und Institutionen auf meinen Vorschlag für ein „Neues Bretton Woods". Die Vorschläge dieser Bankiers waren zwar begrenzter als der meinige, aber durchaus kompetent. Unter vernünftigen Bankleuten war man sich über die Dringlichkeit in vier wesentlichen Punkten im allgemeinen einig:

1. Daß die Ära der Globalisierung in Kollision mit der wirtschaftlichen Realität geraten ist. Das war zu erwarten, selbst wenn starrsinnige Ideologen es immer noch nicht einsehen wollen. Entweder kehren wir den Prozeß der „Globalisierung" um und finden umgehend zurück zu internationalen Wirtschaftsbeziehungen, die sich auf den souveränen Nationalstaat als höchste Autorität gründen, oder es wird keine Erholung vom derzeitigen Desintegrationsprozeß des internationalen Finanz- und Währungssystems geben.

2. Daß es sich bei dem wirtschaftspolitischen Modell der Nationen um nichts anderes handeln kann als um die Rückkehr zu dem Geist und den Methoden eines Protektionismus, wie er während der gesamten Wiederaufbauperiode nach dem Krieg herrschte. Die Maßnahmen müssen sich eng an den wirtschaftlichen Schutzvorrichtungen ausrichten, die bis 1958 gang und gäbe waren.

3. Daß die Autoritäten des souveränen Nationalstaates strikte Kapital- und Währungskontrollen einführen müssen und dabei die souveräne Autorität des Nationalstaates in keiner Weise durch alte oder neue internationale Einrichtungen eingeschränkt werden darf.

4. Daß es eine strikt protektionistische Politik für eine sehr umfangreiche, aber äußerst gezielte Kreditausweitung für Produktion und Handel mit realen Gütern aus Landwirtschaft, Infrastruktur und Produktion geben muß - eine protektionistische Politik, die Produktion und Handel in diesen Bereichen massiv fördert, gleichzeitig aber die Kreditvergabe in anderen Bereichen deutlich beschneidet. Vor allem müssen die Finanzspekulation abgeschafft und die unbezahlbaren Riesensummen an Zahlungsverpflichtungen aus sog. „Derivat"-Kontrakten für null und nichtig erklärt werden, als ob sie niemals existiert hätten.

Wie nicht anders zu erwarten war, versuchen seit kurzem verschiedene Leute, namentlich der britische Premierminister, „Strahlemann" Tony Blair, auf diesen Zug aufzuspringen und sich als Urheber des Vorschlags für ein „Neues Bretton Woods" darzustellen. Was Leute wie Blair vorschlagen, ist reine Ablenkung und gefährliche Inkompetenz. Alle kompetenten Fachleute sind sich einig, daß die erforderlichen Charakteristika eines „Neuen Bretton Woods" genau die sind, welche ich am 18. März in Washington dargelegt habe.

Leider sind einige, die es eigentlich besser wissen müßten, Scharlatanen wie Blair auf den Leim gegangen. Aus dieser Richtung kamen dann Äußerungen wie: „Ja, Sie waren zwar der erste, der diesen Vorschlag gemacht hat, aber jetzt haben viele andere den Vorschlag aufgegriffen und Sie aus dem Bild verdrängt." Hätten diese Leute nachgedacht, bevor sie redeten, wären sie auf einen so dummen, aber potentiell gefährlichen Propagandatrick nicht hereingefallen.

Tony Blair wird nie begreifen, daß „der liebe Gott nicht bereit ist, die Gesetze des Universums in Verhandlungen mit der Finanzoligarchie, die Blair vertritt, zur Disposition zu stellen".

Von der Zeit der Kuba-Krise 1962 an bis zur Einführung des absurden Systems der „freien Wechselkurse" 1972 und der „neuen Weltordnung", die unter Thatcher in England, Mitterrand in Frankreich und Bush in den USA zwischen 1989-1992 aufgezogen wurde, nahmen die vorherrschenden Regierungen und Währungsbehörden eine Reihe maßgeblicher Veränderungen in ihrer politischen Grundausrichtung vor. Alle diese Veränderungen haben in ihrem Zusammenwirken die globale Finanz-, Währungs- und Wirtschaftskatastrophe heraufbeschworen, die jetzt in ihre Endphase eingetreten ist.

Um diese Krankheit zu heilen, muß man ihre Ursachen beseitigen. Entweder werden alle diese grundlegenden Veränderungen der letzten 30 Jahre rückgängig gemacht, und zwar sofort, oder die Erde wird in ein „neues finsteres Zeitalter" stürzen - dem finsteren Zeitalter des 14. Jahrhunderts vergleichbar, aber diesmal in weltweitem Maßstab. So sind „Gottes Gesetze" beschaffen. Vernünftige Regierungen werden mit solchen Gesetzen nicht hadern. Die Angewohnheit, sophistisch um wahr und falsch herumzureden und zu fordern, Gott möge sich doch bitte etwas „demokratischer" verhalten, ist der Grund, warum Tony Blairs Karriere auf ihr Ende zusteuert.

Entgegnungen auf unhaltbare Argumente

Einige typische Einwände wollen wir hier anführen und darauf antworten:

[i]Erster Einwand:[/i] [i]John Maynard Keynes hat das Bretton-Woods-System entworfen, daher bedeutet die Forderung nach einem „Neuen Bretton Woods" eine Rückkehr zu Keynes.[/i]

Das ist im Grundsatz falsch. Die Politik, die Präsident Franklin Delano Roosevelt bei der wirtschaftlichen Erholung der USA nach der Großen Depression der dreißiger Jahre und während der Kriegsmobilisierung ergriff, orientierte sich an zwei Vorbildern: der von Abraham Lincoln begonnenen Mobilisierung der Jahre 1861-76 und der Wiederbelebung dieser Methoden bei der Mobilisierung im Rahmen des Ersten Weltkriegs. Es handelt sich dabei um das, was alle kompetenten Ökonomen unter den „amerikanischen Methoden" des ersten US-Finanzministers Alexander Hamilton und des führenden Ökonomen des 19. Jahrhunderts Henry Carey verstanden. Diese Methoden sind das direkte Gegenteil der Freimarktlehren von Adam Smith und John Maynard Keynes.

Es trifft zu, daß nach dem zu frühen Tod Franklin Roosevelts die Wall-Street-Bande sehr rasch zusammen mit London dazu überging, praktisch alle politischen Maßnahmen, die Roosevelt vor seinem Tode auf den Weg gebracht hatte, zu hintertreiben. Dennoch gingen die Grundzüge des Bretton-Wood-Systems im wesentlichen auf die gegen den Freihandel gerichteten „amerikanischen Methoden" zurück, die mit den wirtschaftlichen Mobilisierungen von 1871-76, 1914-17 und 1934-45 verbunden sind.

[i]Zweiter Einwand:[/i] [i]Niemand würde ernsthaft vorschlagen, zum Bretton-Woods-System der vierziger und fünfziger Jahre zurückzukehren.[/i]

Warum nicht? Jede Abweichung von dieser Politik der vierziger und fünfziger Jahre hat nur zu einem langen und immer rascheren Abwärtsprozeß in den USA in der Zeit nach Kennedy geführt und letztlich mit zur heutigen globalen Katastrophe beigetragen. Für jeden vernünftigen und einfühlsamen Menschen kommt daher nichts anderes in Frage als die Rückkehr zu einer Politik, die erwiesenermaßen erfolgreich ist.

[i]Dritter Einwand:[/i] [i]Die Welt hat sich seit 1958 gewandelt. Wir müssen diese Veränderungen zementieren. Wir können das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen.[/i]

Als 1819 die reaktionäre Heilige Allianz des Fürsten Metternich Deutschland die unheilvollen „Karlsbader Beschlüsse" aufzwang, wurden sie vom preußischen Hofphilosophen G.W.F. Hegel verteidigt. Hegel versinnbildlicht jene zutiefst unmoralischen Geschöpfe, die eine okkulte Autorität, die sie als „Weltgeist", „Zeitgeist" oder „öffentliche Meinung" bezeichnen, für die Veränderungen der Gesellschaft zum Schlechteren verantwortlich machen. Gleiches gilt etwa für Tony Blair, der erklärt, wir dürften die Veränderungen nach 1962, die doch gerade der Grund für die Abwärtsentwicklung der Weltwirtschaft bis hin zum jetzt drohenden Abgrund einer völligen Desintegration sind, keinesfalls rückgängig machen. Diejenigen, welche diese Veränderungen bewirkten, haben „wirklich das Rad der Geschichte zurückgedreht". Nun müssen wir zusehen, daß es sich wieder vorwärtsdreht.

[i]Vierter Einwand:[/i] [i]Es können keine Veränderungen [an der Weltwirtschaftsordnung] ohne den Konsens aller Nationen vorgenommen werden.[/i]

Warum nicht? Diese Art von Unsinn nannten die Verfechter des Münchener Abkommens mit Adolf Hitler „Frieden in unserer Zeit". Wenn es ums Überleben geht, gilt das Prinzip: Wer überleben kann und will, soll vorangehen; die übrigen werden ihre Erfahrungen machen müssen und später nachfolgen. Ich habe wiederholt erklärt: Wenn die Präsidenten der USA und Chinas, zusammen mit einer wesentlichen Minderheit der anderen Nationen, sich untereinander über eine neue Art von finanziellen, währungspolitischen und wirtschaftlichen Beziehungen verständigen, dann müssen diese Nationen handeln, ob andere Länder dies nun ablehnen oder nicht. Einige Länder, wie auch manche Menschen, lernen erst durch schmerzhafte Erfahrungen. Kein patriotischer Amerikaner hat beispielsweise jemals auf die Einwilligung der britischen Commonwealth-Monarchie gewartet.

Wenn die USA, zusammen mit China, Indien, Rußland und auch Deutschland, zu vernünftigen Beziehungen untereinander finden, wird sich die Mehrheit der Welt einer solchen Partnerschaft anschließen.

[i]Fünfter Einwand:[/i] [i]Das Neue Bretton Woods muß ein neues supranationales Gremium sein, das darüber entscheidet, ob einzelne Nationen das Recht haben, befristet Maßnahmen wie Kapital- und Devisenkontrollen einzuführen.[/i]

Kein funktionsfähiges Abkommen wird das souveräne Recht eines Nationalstaates untergraben, souverän protektionistische Maßnahmen im allgemeinen oder Kapital- und Devisenkontrollen im besonderen zu ergreifen. Souveräne Partner werden ihre souveränen Entscheidungen koordinieren und sie am Prinzip des gegenseitigen Nutzens orientieren. Sie werden niemals ihre souveränen Rechte und Machtmittel an eine supranationale Autorität abtreten.

In den letzten 20 Jahren habe ich unzählige Male in Schriften oder Reden erklärt, daß wir in eine neue Ära der Menschheit eintreten müssen, wie sie der frühere Außenminister John Quincy Adams als Vision entworfen hat: eine Ära, in der die Hobbessche Bestialität einer Politik des „Mächtegleichgewichtes" durch eine „Prinzipiengemeinschaft" überwunden wurde. Wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem die ganze Menschheit durch die üble Diplomatie des „Mächtegleichgewichts" derart bedroht ist, daß sich diese weise Lösung einer Prinzipiengemeinschaft völlig souveräner nationalstaatlicher Republiken unwillkürlich als Alternative anbietet.

Nach meiner Einschätzung wäre das Zustandekommen einer derartigen Beziehung zwischen den Präsidenten der USA und Chinas wahrscheinlich der Ausgangs- und Angelpunkt dafür, unter den Nationen, die die Mehrheit der Menschheit repräsentieren, eine solche wahre Prinzipiengemeinschaft aufzubauen.