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Einstein hatte recht: Ein Tor, der seine Fehler ständig wiederholt!

Von Helga Zepp-LaRouche

Der denkwürdige Satz von Bundeskanzlerin Merkel nach der Bundestagswahl und dem dramatischen Stimmenverlust der Parteien der großen Koalition - „Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten“ - wirft ein Schlaglicht auf das Problem, das sie so ziemlich mit der Mehrheit des neoliberalen Establishment des transatlantischen Sektors, teilt, Hillary Clinton eingeschlossen. Es ist ihr sogar zu glauben; wenn jemand so völlig von der Legitimität der eigenen Machterhaltung als Selbstzweck überzeugt ist, kommt es ihm oder ihr gar nicht in den Sinn, daß es eine tiefere Gesetzmäßigkeit gibt, deren Verletzung sich rächt, und daß es sehr wohl völlig andere Optionen gibt, wie sich die Geschichte entwickeln könnte.

Also verfährt dieses Establishment nach dem Prinzip: Weiter so, wie gehabt. Einstein kommentierte dazu, es sei die Definition von Wahnsinn, immer wieder das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Was angesichts der akuten Gefahr einer neuen Finanzkrise wesentlich gefährlicher als 2007/08 ist. Wenn Franz Josef Strauß die Manöver in der CSU heute erleben könnte, fühlte er sich mit seinem inzwischen geflügelten Wort der Steigerung: „Feind, Todfeind, Parteifreund“ voll und ganz bestätigt. Und bei der SPD? Gibt es eine Reflektion darüber, woran es wohl liegen mag, daß die SPD das schlechteste Ergebnis seit Bismarck erreicht hat, während Jeremy Corbyn und die Labour Party den größten Stimmenzuwachs seit 1945 und das beste Ergebnis seit einer Generation zu verzeichnen haben? Offensichtlich nicht, wenn die SPD Andrea Nahles, die während ihrer Zeit als Arbeitsministerin die Hartz-4-Gesetze sogar noch verschärft hat, als „Parteilinke“ bezeichnet und zur Fraktionsvorsitzenden bestellt wird.

Ebenso abgehoben überbieten sich die diversen „EU-Retter“ gegenseitig - von Jean Claude Juncker über Donald Tusk bis Emmanuel Macron, dessen Timing für seine Rede zur Zukunft der EU angesichts des Wahlergebnisses in Deutschland sich als mehr als unglücklich erwies. Aufgrund des Wahlergebnisses der AfD ist kaum zu erwarten, daß sich die konservativen Flügel von CDU/CSU oder die FDP zu neuen EU-Entwürfen überreden lassen, die der AfD noch mehr Aufwind verschaffen und dem deutschen Steuerzahler noch mehr in die Tasche zu greifen drohen. Der Versuch, ein System zu perpetuieren, das die Privilegien der Wenigen auf Kosten derer zu verteidigen versucht, die zu wenig Mittel haben, um sich zu verteidigen, kann und wird keinen Bestand haben.

Angesichts der substantiellen politischen Differenzen bezüglich einer Obergrenze für Flüchtlinge, der Finanzpolitik, des Verhältnisses zu Rußland etc., die zwischen den Parteien existieren, die jetzt versuchen, eine „Jamaika-Koalition“ zusammenzubringen, könnte es monatelang dauern, ehe es zu dieser oder doch noch einmal zu einer Großen Koalition, vielleicht ohne Merkel, kommen kann. Es ist absolut möglich, daß es schon lange vorher zu einer neuen Finanzkrise kommt, daß also der „Staatsnotstand“, von dem Thomas Oppermann quasi nebenbei sagte, daß er „noch“ nicht eingetreten sei, sich sehr plötzlich auf die Tagesordnung setzt.

Kurz vor der Bundestagswahl veröffentlichte die Deutsche Bank einen Bericht mit dem Titel: „Die nächste Finanzkrise“, der die eindeutige Warnung enthält: „Wir sind ziemlich sicher, daß es demnächst eine neue Finanzkrise oder einen Schock gibt.“ Ähnliche Warnungen häufen sich, selbst Spiegel und Welt, der ehemalige italienische Wirtschafts- und Finanzminister Tremonti, das Adam Smith Institut und soeben auch 15 deutsche und französische Ökonomen, darunter IFO-Chef Fuest und DIW-Chef Fratscher - sie alle weisen auf die unmittelbare Gefahr einer Wiederholung der Krise von 2008 hin.

In der Tat gleicht das transatlantische Finanzsystem einem Minenfeld, in dem Dutzende von potentiellen Auslösern liegen. So ist die Verschuldung amerikanischer Firmen dank der Null- oder Niedrigzinsen von 2010-2016 von 7 auf 14 Billionen Dollar gestiegen, und im laufenden Jahr noch einmal um 800 Milliarden Dollar. Diese Schulden werden von den Wall-Street-Banken bereits wieder in die notorischen CLOs (collateralized loan obligations) gebündelt, mit deren Hilfe die bereits wertlosen Junk Bonds weiterverkauft werden. Bloomberg schrieb am 26. September, daß nichts die Firmen daran hindert, diese Junk Bonds gleichzeitig an zwei, drei oder mehr Kapitalgeber auszugeben und sich so in unbezahlbare Positionen zu bringen. Wenn diese Firmen dann bankrott gehen, sind die Verluste keineswegs immer „eingepreist“, wie die Analysten es euphemistisch auszudrücken belieben. Als kürzlich die Spielzeugfirma Toys R Us pleite ging, kollabierte der Marktpreis ihrer rund 5 Milliarden Anleihen auf nur 20 Cent, und nicht auf 40 Cent pro Dollar, wie die Investoren angenommen hatten.

Aber auch die italienische Bankenkrise, die die EZB aus Panik über einen drohenden Systemkollaps immer wieder die vielzitierten „Regeln“ vergessen läßt, die Auswirkungen einer Abspaltung Kataloniens von Spanien auf die Eurozone, die unverkäuflichen „Level 3- Derivate“, sowie die Gesamtverschuldung von Staaten, Autokäufern, US-Studenten oder ein größeres „Kreditereignis“ sind alle nur verschiedene Phänomene des selben Problems: Diese auf maximale Profitorientierung ausgerichtete Kasino-Wirtschaft, die 2007/2008 die Welt beinahe ins Chaos gestützt hat, steht heute am Abgrund eines noch weitaus gefährlicheren Kollapses, weil alle „Instrumente“ der Zentralbanken, wie Gelddrucken und sogar Negativzinsen, aufgebraucht sind. Und vielleicht hat ja der Rückritt Schäubles als Finanzminister etwas damit zu tun, daß er den Zustand des Scherbenhaufens kennt, den er zurückläßt.

Man darf vermuten, daß die diversen Europa-Retter, die einen europäischen Finanzminister und einen europäischen Haushalt fordern, sowie die Ökonomen, die eine dringende Reform der EU anmahnen, den Zustand des Finanzsystems ebenso kennen und schon sehr konkrete Vorstellungen davon haben, wie die Lasten durch eine Kombination von Bail-out (Steuerzahler), Bail-in („Haircut“) und Transferzahlungen (deutsche Sparer) abgewälzt werden sollen. Das Resultat solcher Szenarien wäre unvorstellbares Chaos.

Es gibt nur eine andere, realistische Alternative. Seit Präsident Trump damit begonnen hat, den Widerstand der Neokons in der Republikanischen Partei dadurch zu umgehen, daß er mit den Demokraten im Kongreß gemeinsame Haushaltsfragen wie die Katastrophenhilfe für die von Hurrikanen zerstörten Staaten in Angriff nimmt, ist die Chance gewachsen, daß er eines seiner Wahlversprechen wahr macht: die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Trennbankengesetzes. Der jüngste, von der AFL-CIO organisierte Internetauftritt der Kongreßabgeordneten Marcy Kaptur und Walter Jones war in dieser Hinsicht vielversprechend.

Die rechtzeitige Einführung von Glass-Steagall, d.h. die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, das Abschreiben unbezahlbarer ausstehender Kontrakte sowie die Schaffung eines ausschließlich auf die Finanzierung der physischen Wirtschaft ausgerichteten Kreditsystems, etwa in der Tradition der KfW nach dem Zweiten Weltkrieg, ist die einzige Chance, einem Desaster zu entgehen.

Das Angebot, mit dem neuen, sich rapide entwickelnden Wirtschafts- und Finanzmodell der Neuen Seidenstraße zu kooperieren, ist von Präsident Xi Jinping oftmals ausgesprochen worden. Anstatt in alter geopolitischer Manier versuchen zu wollen, China und seine Wirtschaftsgürtel-Initiative einzudämmen, was ohnehin nicht gelingen wird, sollten Deutschland und die anderen Staaten Europas sich an den vielen Aufbauprojekten beteiligen: Beim Ausbau der Infrastruktur in Ost- und Zentraleuropa, auf dem Balkan, dem Ausbau von Knotenpunkten mit der Seidenstraße in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal. Der wirtschaftliche Aufbau Syriens, des Irak, Afghanistans und vor allem des gesamten afrikanischen Kontinents bietet phantastische Perspektiven - für den deutschen Mittelstand und für die produktive Vollbeschäftigung jetzt arbeitsloser junger Menschen in ganz Europa.

Die Notwendigkeit der Reorganisation eines maroden Finanzsystems, das dafür verantwortlich ist, daß sich die Schere zwischen Reich und Arm auf unerträgliche Weise geöffnet hat und dessen Ungerechtigkeit den Boden bereitet hat für den Brexit, die Abwahl von Hillary Clinton, das Nein zum Referendum in Italien und jetzt für das miserable Wahlergebnis der großen Koalition, sollte so schwer nicht einzusehen sein. Der wirtschaftliche Kahlschlag in den neuen Bundesländern, der mit der Politik der Treuhand unter Birgit Breuel begonnen hat, war Ausdruck dieses ungerechten Systems. Ohne diese Erfahrung, die Entvölkerung ganzer Ortschaften, das Gefühl, trotz renovierter Marktplätze an den Rand der Gesellschaft geschoben worden zu sein, wäre die Reaktion im Osten Deutschlands auf die Flüchtlingskrise niemals so heftig ausgefallen, und die AfD wäre jetzt nicht stärkste Partei in Sachsen und zweitstärkste in den anderen vier neuen Bundesländern.

Ungeachtet der weitgehenden Zensur der Mainstream-Medien wächst ein völlig neues Wirtschaftssystem, das auf ganz anderen Prinzipien beruht - nämlich auf dem Gemeinwohl der Menschen und einer Win-Win-Kooperation der teilnehmenden Staaten. Es ist in Deutschlands ureigenstem Interesse, an diesem neuen Paradigma mitzuarbeiten.

Einstein hatte recht:„Probleme kann man nie mit der gleichen Denkweise lösen, mit der sie entstanden sind!“