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Das Erfolgsgeheimnis der chinesischen Diplomatie ist der Glaube an die Fähigkeit zur Vernunft

Von Alexander Hartmann

Chinas führende englischsprachige Zeitung Global Times (GT) brachte am 27. April ein Feature über die Methode hinter der geheimnisvoll erscheinenden, erfolgreichen Diplomatie von Präsident Xi Jinping. Alle oberschlauen Analysten, Denkfabriken und Redner im Westen waren überrascht, ja schockiert, als Saudis und Iraner letzten Monat das Kriegsbeil begruben. Sofort erschienen auch vermeintlich unlösbare Krisenherde wie der Jemen, in dem es mehr Tote gab als im Ukraine-Konflikt, gar nicht mehr so unlösbar. Auch Saudis und Syrer reden wieder miteinander, obwohl die Saudis ein Jahrzehnt lang einen Bürgerkrieg in Syrien finanziert hatten, in dem ebenfalls viel mehr Menschen starben als im Ukraine-Konflikt.

Kann Xi auch mit dem sturen ukrainischen Präsidenten Selenskyj, mit dem er am 26. April ein einstündiges Telefonat führte, ein kleines Wunder vollbringen? GT erklärt, die Geschichte hinter dem Konflikt sei zwar komplex und es gebe viele Knoten, die aber erkannt und aufgelöst werden könnten. Dies erfordere eben nur „enorme politische Klugheit, Geduld und Ausdauer“.

Ein solcher Ansatz – daß diese Welt Platz für alle hat, für Rußland wie für die westlichen Länder, so daß man sich nicht gegenseitig totschlagen muß, und daß es Unsinn ist, unter irgendwelchen Vorwänden zu versuchen, das politische System der anderen zu verändern –, das mag auf den ersten Blick naiv erscheinen. Als gäbe es nicht die fixe Idee des Westens, daß er anderen Länder ihre Rohstoffe und Arbeitskraft rauben und sogar das Leben ihrer Menschen verkürzen muß, um die internationale Schuldenpyramide der Finanzspekulation noch etwas länger aufrechtzuerhalten. Glaubt Xi wirklich, daß die Regierungen gemeinsam den steinigen Weg bewältigen können, sich von dieser „unüberwindlichen“ Finanzblase zu befreien?

Der Mensch ist gut und fähig zur Vernunft!

Xis Methode entspricht im Kern weitgehend dem umstrittenen 10. Punkt von Helga Zepp-LaRouches „Zehn Prinzipien einer neuen internationalen Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur“, wonach „der Mensch grundsätzlich gut und fähig ist, die Kreativität seines Geistes und die Schönheit seiner Seele unendlich zu vervollkommnen... und daß alles Böse das Ergebnis eines Mangels an Entwicklung ist und daher überwunden werden kann“.Wenn der Mensch von Natur aus gut ist, was hat die Welt dann an diesen gefährlichen Punkt gebracht? Nun, wenn das Böse das Ergebnis mangelnder Entwicklung ist, dann gibt es wahrscheinlich sehr viel Unterentwicklung, die es nicht geben dürfte. Tatsächlich muß man sogar feststellen, daß sich die westliche Welt in vielen Bereichen zurück entwickelt!

 Xi ist mit unermüdlichem Optimismus davon überzeugt, daß wir die Knoten dieser Welt lösen können. Das ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, daß die chinesische Gesellschaft es in den letzten gut 30 Jahren geschafft hat, mehr als 800 Millionen Menschen aus bitterer Armut zu befreien. Aber vergessen wir nicht, daß früher auch Europäer und Amerikaner so dachten!

GT kommt zum Kern der Sache, daß man von dem Ihr-oder-wir-Denken wegkommen muß: „Anders als der ,duale‘ Ansatz, den einige in den USA und im Westen vertreten, bietet China einen anderen Weg voller östlicher Weisheit. Es sieht die Ukraine-Krise als ein komplexes, schwer zu entwirrendes Netz... Es ist möglich, die Knoten langsam einen nach dem anderen zu entwirren und schließlich einen umfassenden Ausweg aus der Krise zu finden. Komplexe Widersprüche allmählich aufzulösen, geduldig und stetig zum Kern des Problems vorzustoßen, das erfordert enorme politische Weisheit, Geduld und Ausdauer...“

 GT weiter: „Nun haben sowohl Rußland als auch die Ukraine Chinas Bemühungen um Frieden und Gespräche begrüßt, und auch europäische Mächte wie Frankreich und Deutschland sowie die Führung der EU erwarten, daß China eine größere Rolle bei der Förderung von Frieden und Gesprächen spielen wird. Nach dem Telefonat zwischen der chinesischen und ukrainischen Führung begrüßte auch das Weiße Haus das Gespräch und bezeichnete es als ,eine gute Sache‘...

China ist in der Lage, direkt mit allen beteiligten Parteien zu kommunizieren, einen Konsens anzustreben und positive Antworten zu erhalten, gerade weil China immer eine objektive und faire Position vertreten und seine Rolle und Verantwortung als Großmacht unter Beweis gestellt hat. Diese Rolle und dieser Einfluß sind in der heutigen Welt unersetzlich…“

Der Westen auf Konfrontationskurs

Im Gegensatz dazu setzt das amerikanische Establishment weiter auf Konfrontation. So veranlaßte Präsident Biden am 26. April, daß im Rahmen des Kräftemessens mit Nordkorea als „erweiterte Abschreckung“ atomar bewaffnete US-U-Boote regelmäßig Südkoreas Häfen anlaufen sollen – obwohl es seinen Vorgängern Clinton und Trump schon mit geringen Zugeständnissen gelungen war, Nordkorea zur Einstellung seines Atomprogramms zu bewegen. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

Doch der Kriegspartei in den USA geht Biden offenbar noch nicht weit genug. Der Leiter des Atlantic Council, Fred Kempe, warf Biden vor, er habe Angst vor einer Konfrontation mit Putin, und Kempe und seine Establishment-Freunde drohen Biden, er werde als Versager in die Geschichte eingehen, wenn er sich nicht auf das tödliche Spiel mit der Atomwaffendrohung gegen Rußland einläßt. Dabei gehen sie arrogant und unverantwortlich von der Annahme aus, Rußland werde „schon nachgeben“, bevor es eine nukleare Vernichtung in Kauf nimmt.

Biden täte gut daran, sich ein zweiminütiges Video anzusehen, das der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew kürzlich auf Twitter veröffentlicht hat. Medwedew endet dort mit den Worten: „…Alles Gerede ,Das werden die Russen nie tun‘ oder ,Die Russen werden uns mit Atomwaffen immer nur drohen‘ ist wertlos. Westliche Analytiker, Militärkommandos und politische Führungen müssen einfach nur unsere bekannten Regeln und Absichten bewerten. Der Oberbefehlshaber, der Präsident, hat sich dazu geäußert. Als ehemaliger Präsident weiß ich…, man muß darauf vorbereitet sein, daß in einer bestimmten Situation die Hand nicht davor zurückscheuen darf, sie [Atomwaffen] einzusetzen, so grausam und ungeheuerlich das auch klingen mag.“

Wie Präsident Putin schon vor dem Beginn der Militäroperationen in der Ukraine betont hatte, hat Rußland „nichts mehr, wohin es weiter zurückweichen kann“. Nicht zuletzt deshalb, weil Moskau sich darüber im Klaren ist, daß das eigentliche Ziel des Westens nicht die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine ist, sondern die Zerschlagung Rußlands und dessen dauerhafte Ausschaltung als Hindernis für den westlichen Weltherrschaftsanspruch, wie dies von vielen führenden Denkfabriken in Washington immer wieder gefordert wird. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Russische Föderation in zahlreiche, kleinere Staaten aufzuspalten, die militärisch bedeutungslos sind und sich der Plünderung zugunsten des bankrotten westlichen Finanzsystems nicht widersetzen können. Diesen Propagandaeinrichtungen des Militärisch-Industriellen Komplexes ist das Schicksal der Ukraine und ihrer Bewohner egal, Hauptsache, sie folgen dem Diktat des Westens und opfern sich für seine Vormachtstellung. Und weil diese Politik Rußland existentiell bedroht, ist sie ein sicherer Weg in die gegenseitige Vernichtung.

„Narrative sind nicht die Realität“

In ihrem Internetforum am 27. April kritisierte Helga Zepp-LaRouche, die selbstmörderische Haltung der westlichen Politik: „Die westlichen Institutionen scheinen ihr eigenes Narrativ zu glauben. Aber leider sind Narrative nicht die Realität… Am besorgniserregendsten ist meiner Meinung nach, daß diese wilde Entschlossenheit, die unipolare Welt zu erhalten und immer mehr Waffen in die Ukraine zu schicken, zunehmend in eine Situation führt, in der die Kriegsgefahr tatsächlich von Tag zu Tag wächst und wir Schritt für Schritt einer möglichen Katastrophe näherkommen…

Ich denke, der Westen sieht die Situation nicht realistisch und das unablässige Bestreben nach einer unipolaren Welt und sogar nach der Zerstörung der Russischen Föderation – dazu gibt es eine ganze Reihe von Konferenzen mit dem sogenannten ,Free Nations of Post-Russia Forum‘ vom 25. bis 28. April in Washington – bedeutet in gewissem Sinne eine Katastrophe. Der Westen wird eindeutig von einem Apparat geführt, der auf eine Katastrophe zusteuert…

Wir sind in einer unglaublichen Situation, die sich wirklich einfach lösen ließe; aber das setzt voraus, daß der Westen sich auf Zusammenarbeit mit dem Globalen Süden einstellt, anstatt ständig zu versuchen, eine unipolare Welt zu erzwingen, die in Wirklichkeit schon lange vorbei ist. Es ist ein sehr gefährlicher Moment, und ich habe bei anderen Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht…, wie nahe wir an der möglichen Vernichtung der Zivilisation sind. Denn wenn es zu einer nuklearen Konfrontation zwischen den großen Atommächten kommt, dann ist das das Ende der Zivilisation. Die Menschen, die das nicht so sehen, sind nicht wirklich in der Realität.“
 Zepp-LaRouche rief alle dazu auf, gegen diese Gefahr zu mobilisieren und die Friedensbemühungen Chinas und anderer zu unterstützen.

Wie es in der Global Times heißt: „In gewissem Sinne ist eine Gelegenheit aufgetaucht, eine politische Lösung der Ukraine-Krise zu fördern. Jetzt kommt es darauf an, diese Gelegenheit zu ergreifen und Energie zu sammeln, um der internationalen Gemeinschaft gemeinsam die Tür zum Frieden zu öffnen. Anstatt nur Öl ins Feuer zu gießen, ist die chinesische Seite der Ansicht, daß es keine einfache Lösung für komplexe Probleme gibt und daß Dialog und Verhandlungen der einzig gangbare Weg sind. Die Suche nach langfristigem Frieden und Stabilität für Europa durch Dialog ist der grundlegende Ausweg. Noch ermutigender ist, daß diese Position immer mehr Unterstützung erfährt und die Kräfte, die auf Frieden und Gespräche drängen, stetig wachsen.“

 
Mehr: https://www.bueso.de/internationale-konferenz-fuer-frieden-entwicklung-1516april