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Was für ein jämmerliches Spektakel! Deutschland braucht eine andere Politik!

Von Helga Zepp-LaRouche

Wenn man unter „absurdem Theater“ die Darstellung von orientierungslosen Menschen in einer sinnentleerten Welt versteht, dann erleben wir soeben eine Gala-Aufführung dieser Gattung in Berlin. Was der Skandal um den Ex-BfV-Chef Maaßen, der als Dank für seine Blindheit auf dem rechten Auge die Karriereleiter hochfallen soll, das rücksichtslose Verhalten Seehofers und die Verwechslung von Gemeinwohl und persönlichem Machterhalt seitens Merkels und Nahles’ demonstrieren, ist die Tatsache, daß sich das Berliner Establishment im falschen Film befindet. Sie agieren nach dem Skript einer Welt, die sich nur in ihren Köpfen befindet, die aber weder mit der Realität der normalen Bevölkerung noch mit den strategischen Entwicklungen zu tun hat. Wenn Deutschland nicht schwersten Schaden nehmen soll, brauchen wir schleunigst eine andere Politik!

Wenn Seehofer die Migration als die „Mutter aller Probleme“ bezeichnet, dann sind er und das geopolitische neoliberale Paradigma, das er vertritt, die „Urgroßmutter aller Probleme“. Denn die Flüchtlingskrise gäbe es nicht in dieser Form, wenn Bush, Obama, Blair und Cameron nicht Kriege auf der Basis von Lügen in Südwestasien geführt hätten, deren völkerrechtswidriger Charakter niemals vom deutschen Establishment thematisiert worden ist. Eklatanter Beweis für diese Mitschuld ist der von Wirtschaftsminister Altmeier verkündete, unerhörte Verkauf von neuen Waffensystemen an Saudi-Arabien, das gerade einen Vernichtungskrieg gegen den Jemen führt. Wenn die Welt Bestand haben soll, dann wird dies ein völkerrechtliches Nachspiel haben!

Und es gäbe diese Krise ebenfalls nicht in dieser Form, wenn sich Europa von der Politik der Kolonialmächte und der nachfolgenden Politik der Konditionalitäten des IWF gegenüber Afrika distanziert hätte. Wenn Europa in den vergangenen Jahrzehnten die Politik der Industrialisierung Afrikas verfolgt hätte, die China dort seit rund zehn Jahren in Angriff genommen hat, dann hätten die afrikanischen Flüchtlinge keinen Grund, ihre Heimat zu verlassen.

Angesichts dieser simplen Realitäten ist das Theater in Berlin nicht nur absurd, sondern auch abscheulich. Maaßen in der Rolle des Bocks als Gärtner, Seehofer als Elefant im Porzellanladen, der kein Morgen kennt, Merkel als die unglaublich schrumpfende Queen und Nahles als Alptraum für Kurt Schumacher und Willy Brandt, die sich im Grabe umdrehen. Was für ein Stück! Und dann noch einmal Nahles als Erfinderin einer neuen olympischen Disziplin: Rückwärtsrudern!

Es ist symptomatisch, daß ein ausgewiesener Zyniker wie der Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer den Finger auf den wunden Punkt legt: Unter der Überschrift „Feministische Pornos statt Proletariat“ schreibt er, die SPD-Spitze habe längst ihre Wähler aus dem Blick verloren. Die SPD in Berlin und die Jusos forderten, daß solche Pornos „gebührenfrei, dauerhaft und niedrigschwellig“ verfügbar sein und deshalb in die Mediatheken von ARD und ZDF aufgenommen werden sollen. Die sind einfach übergeschnappt! Es sollte für jedermann offensichtlich sein, daß die ganze linksliberal-grüne Palette von SPD-Themen, die die existentiellen Sorgen der früheren SPD-Wähler - wie Mietpreise, Altersarmut, Ungerechtigkeit des Gesundheitssystems und Mangel an Zukunftsperspektive - vollkommen ignoriert, der Grund dafür ist, dass die SPD seit 1998 zehn Millionen Wähler verloren hat.

Das reale Problem ist, daß das Verhalten von Seehofer, Merkel, Nahles und Co. die Politikverdrossenheit in diesem Land noch um einige Größenordnungen steigert. Die Ereignisse von Chemnitz und andere Übergriffe werfen unmißverständlich die Schatten der Weimarer Republik an die Wand. Leider ist es nicht mehr von der Hand zu weisen, daß nur 73 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges Faschismus wieder eine Gefahr werden kann. Nachdem der Westen im Februar 2014 den Nazi-Putsch in Kiew unterstützt hatte - bei dem auch Deutschland sein Süppchen gekocht hatte, allerdings von Victoria Nuland mit einem „F...k the EU!“ bedacht worden war -, warnte Präsident Putin, dies werde faschistischen Bewegungen in ganz Europa Auftrieb geben. Leider sehen wir genau diese Entwicklung vor uns.

Eine wesentliche Verantwortung beim Zustandekommen der gegenwärtigen Krise geht auf das Konto der Mainstream-Medien, die längst aufgehört haben, die Wahrheit aufzudecken, wie es Seymour Hersh im Fall des Massakers von My Lai oder Robert Parry im Fall der Lügen über den angeblichen Chemiewaffeneinsatz durch Präsident Assad taten. Stattdessen liefern diese Medien seit geraumer Zeit die „Narrative“ für Regimewechsel nicht genehmer Regierungen, verherrlichen Zahlungen an terroristische Organisation als „humanitäre Hilfe“ oder orchestrieren durch konsistente Negativ-Berichterstattung die Feindbilder Rußland oder China, je nachdem, wie es in die Strategie des geopolitischen Lagers des Westens paßt.

Derweil ist die EU eifrig dabei, die Zentrifugalkräfte in Europa zu verstärken; jüngste Beispiele sind die Angriffe Brüssels auf Polen und Ungarn - was im letzteren Fall den Premierminister Orban nur ermuntert, stattdessen Moskau einen sehr viel angenehmeren Besuch abzustatten. Und genau fünf Jahre nach dem Start der Seidenstraßen-Initiative Chinas, die inzwischen längst den größeren Teil der Menschheit in die Dynamik eines neuen Paradigmas der Win-Win-Kooperation einbezogen hat, kommt die EU mit ihrem Gegenentwurf zur Neuen Seidenstraße daher - der „europäischen Art“, die Konnektivität mit Asien zu verbessern, auf der Basis klarer „Regeln“. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini behauptet, sie habe 20 Länder Eurasiens bereist, die alle mehr Interesse an dem europäischen Vorschlag der Verbesserung der Konnektivität als an der Kooperation mit der chinesischen Seidenstraße bekundet hätten. Es wäre interessant zu erfahren, auf welchem Planeten diese 20 Staaten genau liegen, denn die allermeisten Staaten Eurasiens arbeiten seit langem zu ihrem eigenen Vorteil mit China und Rußland zusammen.

China hingegen reagierte auf den EU-Vorstoß in seiner üblichen Art der Kooperation zum gegenseitigen Vorteil und begrüßte die europäische Initiative: man solle sich nun die Hände reichen und beim Ausbau der eurasischen Infrastruktur kooperieren, die EU und China sollten als Partner und nicht als Rivalen auftreten.

Was für Eurasien gilt, ist offensichtlich um so mehr die Perspektive für die Kooperation Europas mit China bezüglich der Entwicklung Afrikas. So schreibt Professor Nader Habibi von der Brandeis Universität in China Daily, Afrika habe sich trotz der Behauptung Europas, sein hauptsächlicher Handels- und Investitionspartner zu sein, offensichtlich nicht wirtschaftlich entwickelt, doch im Gegensatz dazu eröffne Chinas Engagement das Potential zur Schaffung von Millionen von Arbeitsplätzen. Chinas ökonomische Aktivitäten in Afrika seien deshalb unbedingt im Interesse Europas, wenn es eine wirkliche Lösung für die Flüchtlingskrise finden wolle. Die neue italienische Regierung sei bereits voll auf diesem Weg. Finanzminister Tria und der Staatssekretär im Handelsministerium Michele Geraci hätten soeben eine Absichtserklärung mit China unterzeichnet, bei der Industrialisierung Afrikas zur Überwindung der Flüchtlingskrise zusammenzuarbeiten.

Der Wirtschaftsminister und stellvertretende Premierminister Di Maio gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß Italien als einziges europäisches Land weit fortgeschrittene Verhandlungen mit China bezüglich der Neuen Seidenstraße führe, die voraussichtlich vor Jahresende abgeschlossen werden könnten. Di Maio: „Der Mann, der China in Europa eingeführt hat, war ein Italiener, und zwar ein außergewöhnlicher: Marco Polo... Wie Marco Polo werde ich mich voll für die Neue Seidenstraße engagieren, denn, wie der stellvertretende chinesische Premierminister Hu [Chunhua] gestern sagte, der Ankunftspunkt der Seidenstraße ist Rom, und Italien kann gar nicht anders, als ein fundamentaler Partner der Wirtschaftsgürtel-Initiative Chinas zu sein.“

Das sollte uns hierzulande eine Inspiration sein. Was wir in Deutschland brauchen, ist eine neue Kombination von Kräften, die ungeachtet der Rückzugsgefechte der nicht mehr ganz so großen Großen Koalition eine neue Politik Deutschlands für die Kooperation mit China und Rußland bei der Lösung der wichtigsten strategische Herausforderungen auf die Tagesordnung setzt. Anstatt sich weitere Abfuhren bei den nordafrikanischen Staaten zu holen, die sich weigern, in ihren Ländern Konzentrationslager für afrikanische Flüchtlinge aufzubauen, und das Image der EU durch den martialischen Einsatz von Frontex im Mittelmeer gegen Flüchtlinge in Booten vollends zu ruinieren - was schon weitgehend geschehen ist -, sollten wir sofort auf das Angebot Xi Jinpings eingehen, gemeinsam mit China den afrikanischen Kontinent zu industrialisieren.

Was in der bisherigen deutschen Politik vollkommen fehlt, ist eine großartige Vision für die Zukunft der Menschheit, und genau die hat China seit fünf Jahren auf die Tagesordnung gesetzt. Der Geist der Neuen Seidenstraße hat längst den größeren Teil der Staaten dieser Welt erfaßt: die Idee einer nie dagewesenen Arbeitsteilung im gemeinsamen Interesse und für die Gestaltung einer Zukunft, die nicht nur die Armut auf dem gesamten Planeten in kurzer Zeit überwinden wird, sondern die das Potential aller Menschen auf dieser Erde realisieren kann.

Was jetzt gebraucht wird, sind Menschen in unserem Lande, die in der Lage sind, sich weit über das Klein-klein der oben genannten Akteure zu erheben, die die Kunst des Selbstdenkens statt des „Groupthink“ praktizieren und die das Schicksal Deutschlands nicht Gruppierungen überlassen, die ihre Chance hatten und sie nicht genutzt haben.

Es gibt allen Grund zum Optimismus - aber es muß gehandelt werden. Wir haben das Konzept: „Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke!“

zepp-larouche@eir.de