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„Die Gedanken sind frei...“ - aber wir müssen selber denken!

Von Helga Zepp-LaRouche

Es ist zugegebenermaßen für die Menschen in Deutschland - und nicht nur da - nicht einfach, sich angesichts der vielen schlechten Nachrichten, die von den Mainstream-Medien täglich verbreitet werden, und des unwürdigen Spektakels, das von den Politikern der sogenannten GroKo - die inzwischen eher eine KleinKo geworden ist - in den letzten Wochen geboten wurde, eine optimistische Sicht auf die Zukunft zu behalten. Es ist aber durchaus möglich, die komplexe strategische Realität zu durchschauen - vorausgesetzt, man versucht selber, ein eigenständiges Verständnis über die wichtigsten Themen unserer Gegenwart zu entwickeln. Und das erfordert geistige Arbeit.

Oder haben Sie es auch schon alles abgehakt: Trump, Putin, Xi Jinping und Kim Jong-un sind alle Diktatoren, bei denen man gar nicht näher zu wissen braucht, was sie intendieren, weil es eh alles klar ist; die Frauen in Amerika, die sich plötzlich in der #MeToo-Bewegung formiert haben, sind alle heroische, plötzlich befreite Barbie-Puppen, die endlich gegen jahrzehntelange sexuelle Unterdrückung aufgestanden sind; und natürlich sind die Afrikaner arm, weil sie sich nicht entwickeln wollen. Man könnte die Liste solcher nicht hinterfragter Axiome noch um viele Vorurteile fortsetzen.

Ein deutscher Leser hätte, selbst wenn er täglich zehn Tageszeitungen von Bild bis FAZ plus Tagesschau und Heute verfolgen würde, keine Chance, die äußerst spannenden Ereignisse bei der diesjährigen UN-Generalversammlung zu erfassen. Über Trumps UN-Rede wurde unisono nur das Gelächter kommentiert, mit dem ein Teil der Vollversammlung auf Trumps Bemerkung über den Erfolg seiner bisherigen Amtszeit reagierte. Tatsächlich aber war das Interessanteste an Trumps Rede die Kombination der selbstbewußten Darstellung seiner Ablehnung „alter Dogmen, diskreditierter Ideologien und sogenannter Experten, die über die Jahre und immer wieder falsch gelegen“ hätten, und seiner eigenen Vision für eine bessere Menschheit, die durch eine gemeinsame Geschichte und die Arbeit einer gemeinsamen Zukunft verbunden sei. Trump präsentierte in dieser Rede der Weltöffentlichkeit den Grund, warum das transatlantische Establishment so vollkommen hysterisch auf seinen Einzug ins Weiße Haus reagiert: Hier ist ein amerikanischer Präsident, der die „Clubregeln“ der bisher dominierenden Klasse ablehnt, der „outside of the box“ denkt. Und wirklich, wenn man von nebensächlichen Unterschieden absieht, ist Trumps Vision von der Liebe der Patrioten zu ihren jeweiligen Nationen und der gemeinsamen Zukunft der Menschheit gar nicht so weit von Präsident Xi Jinpings „chinesischem Traum“ und der „Schicksalsgemeinschaft für die eine Menschheit“ entfernt.

Wenn man aber Trumps UN-Rede in Verbindung mit den zahlreichen komplexen diplomatischen Aktivitäten betrachtet, in die er am Rande der Vollversammlung in bilateralen Treffen involviert war, wird das bösartige Bild, das seine politischen Gegner über ihn verbreiten, vollends Lügen gestraft.

Trump traf sich u.a. mit dem koreanischen Präsidenten Moon Jae-in, der ihm den Löwenanteil am Erfolg des Fortschritts der Beziehungen zu Nordkorea und dem Prozeß der Denuklearisierung zusprach. Moon unterstrich die äußerst intensive Kooperation, die er mit Trump während dieser Verhandlungen gepflegt habe, und in deren Verlauf Trump für ihn „mehr als ein Freund“ geworden sei, und zu dem er „vollkommenes Vertrauen“ entwickelt habe. Weiterhin gab er der Hoffnung Ausdruck, daß der Prozeß der Aussöhnung mit Nordkorea voraussichtlich noch in diesem Jahr mit einem Friedensvertrag und der Wiedervereinigung der beiden Koreas gekrönt werden könne.

Der russische Außenminister Lawrow fügte seinerseits hinzu, daß Rußland alles beitragen werde, um den wirtschaftlichen Erfolg Nordkoreas in einem wiedervereinigten Korea zu garantieren. Der japanische Ministerpräsident Abe betonte in seiner UN-Rede, er hoffe, noch in diesem Jahr einen Friedensvertrag zwischen Japan und Rußland abschließen zu können, was die Bedingungen für Frieden und Stabilität im gesamten östlichen Asiens enorm verbessern würde.

Wiedervereinigung der Koreas und Friedensvertrag zwischen Japan und Rußland „noch in diesem Jahr“? Trump „mehr als ein Freund“ für Präsident Moon? Wußten Sie das, und paßt das in Ihr Bild von Trump und Ihrem Verständnis, wie der „Geist der Neuen Seidenstraße“ die Beziehungen zwischen den Nationen in Asien bereits verändert hat? Wenn nicht, dann beschweren Sie sich bei Tagesschau und Co.

Trumps Anschuldigung gegenüber dem Iran, weltweit der Hauptsponsor des Terrorismus zu sein, ist allerdings angesichts des von Saudi-Arabien gegen den Jemen geführten Vernichtungskriegs und der jahrzehntelangen Verwicklung der USA mit terroristischen Organisationen, seitdem Zbigniew Brzezinski in den 80er Jahren in Afghanistan die „islamische Karte“ gegen die Sowjetunion ausspielte, eine unsägliche Aussage. Andererseits unterstützte Trump faktisch den in Sotschi zwischen Putin und Erdogan ausgehandelten Kompromiß, in Idlib eine Pufferzone zu schaffen und damit die drohende Eskalation zwischen den Streitkräften von fünf Nationen, von denen drei Nuklearmächte sind, nämlich Rußland, den USA, der Türkei, Israel und Syrien, herunterzufahren. Trump dankte ausdrücklich auch den Staatschefs, die den Astana-Prozeß um Syrien befördert hatten - also auch dem Iran.

Seit Monaten ist die Rede von einem Gesamtfriedensplan für Südwestasien, dessen Ausarbeitung Trump initiiert habe, was angesichts der Komplexität der Region und ihrem Charakter als Schlachtfeld für imperiale Szenarien des „Great Game“ des britischen Empire eine Mammut-Aufgabe ist. Aber auch hier wird eine Facette der Trumpschen Diplomatie sichtbar, die die Schwarz-Weiß-Malerei der Mainstream-Medien komplett ausblendet: Die italienische Zeitung La Verita berichtete in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit, daß Italien in den gegenwärtigen Verhandlungen eine Vermittlerrolle zwischen den USA und dem Iran spielen könnte. Der italienische Ministerpräsident Giulio Conte, der sich mit Trump am Rande der UN-Vollversammlung zu einem bilateralen Meeting getroffen hatte, repräsentiert nämlich das einzige wichtigere westliche Land, das sowohl eine sehr gute Beziehung zu Trump aufgebaut als auch einen exzellenten Draht zu China etabliert hat, das natürlich die Dynamik um den Iran maßgeblich beeinflußt.

Wie man sieht, sind auch hier bei der Betrachtung der Trumpschen Politik eher Grau- und Pastellfarben angebracht, als die schrillen Neon-Farben dieser Medien.

Sowohl die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, als auch China begrüßten Trumps Betonung des Rechtes auf Souveränität aller Nationen, betonten allerdings emphatisch, daß dieses Recht eben nicht nur für die USA, sondern für alle gelten müsse. In der Tat steht dieser Anspruch auf Souveränität der Übergriffigkeit diametral entgegen, mit der die US-Administration oft meint, US-Recht extraterritorial überall auf der Welt durchsetzen zu können, wie z.B. bezüglich der Sekundär-Sanktionen gegen ausländische Firmen, die sich den von den USA verhängten Sanktionen gegenüber Rußland, China und dem Iran nicht unterwerfen wollen. Die chinesische regierungsnahe Tageszeitung Global Times betonte, daß sowohl das Prinzip der Souveränität als auch das der Rechtsgleichheit der Nationen aus dem Prozeß des Westfälischen Friedens hervorgegangen seien, und daß es dringend notwendig sei, in den internationalen Beziehungen zu diesem Prinzip zurückzukehren.

Der problematischste Aspekt der Rede Trumps besteht in der Tatsache, daß er sich bezüglich der Erfolge der amerikanischen Wirtschaft seit seinem Amtsantritt zum großen Teil auf die Wertzuwächse an der Börse stützte - ein „Erfolg“, der jederzeit durch den Ausbruch einer neuen Finanzkrise, weitaus gravierender als die von 2008, hinweggefegt werden könnte. Und das Handelsdefizit der USA mit China ist nicht primär Chinas Beitritt zur WTO anzulasten, sondern es geht zurück auf die Politik des New Yorker Council of Foreign Relations und der Trilateralen Kommission in den 70ern, als diese damit begannen, das sogenannte Projekt für die 80er Jahre auszuarbeiten und umzusetzen, das explizit die „Kontrollierte Desintegration der Weltwirtschaft“ anpeilte. Damit verbunden war die Utopie einer „nachindustriellen Gesellschaft“ und der Verlagerung von Produktion in Billig-Lohn-Länder, wie es China damals noch war. Ganze Regionen in den USA, von Pittsburgh bis zum sogenannten Rostgürtel des Mittleren Westens, zeugen heute von den Folgen dieser prinzipiell oligarchischen, neoliberalen Politik.

Bei uns ist übrigens der Zustand von Nordrhein-Westfalen, dem ehemaligen Industriezentrum Deutschlands, der traurige Ausdruck dieser Politik der willentlichen De-Industrialisierung.

Es ist für uns in Deutschland mit der derzeitigen Misere mit der „KleinKo“ und dem völligen Mangel einer klaren Zukunftsperspektive, der von der Kanzlerschaft Merkels ausgeht, extrem wichtig, zu einem differenzierten und eigenständigen Bild über Trump, Rußland, China und andere wichtige Themen zu gelangen. Es sollte jedem denkenden Menschen einleuchtend sein, daß der Weltfrieden davon abhängt, daß vor allem die USA, Rußland, China, und dann weitere wichtige Nationen, wie Indien, Japan etc., eine positive Basis der Kooperation etablieren können. Und deshalb sollten wir die von den Mainstream-Medien im Interesse des geopolitischen Establishments produzierten Klischees durch eigenständige Beurteilung ersetzen. Wie gesagt: „Die Gedanken sind frei...“ - aber nur wenn wir selber denken.

zepp-larouche@eir.de