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Großbritanniens "imperiale Ambitionen" und die Gefahr eines neuen Weltkrieges

Eine aktuelle Analyse von Harley Schlanger -  „Die Zeit der unipolaren Welt ist vorbei.“ Dieser Satz des russischen Präsidenten Wladimir Putin in seinem jährlichen Dialog mit dem russischen Volk am 1. Juli spiegelt die gleiche Haltung wider, die die chinesische Botschaft in London während des G7-Gipfels zum Ausdruck gebracht hatte: „Die Tage sind längst vorbei“, daß eine „kleine Gruppe von Ländern“ globale politische Entscheidungen diktieren kann.

Wenige Tage vor dem Dialog hatte Putin am 28. Juni ein Online-Sitzung mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping gehabt, in der die beiden vereinbarten, den gegenseitigen Freundschaftsvertrag um fünf Jahre zu verlängern. In ihrem gemeinsamen Kommuniqué versichern sie eine „dauerhafte Freundschaft“, die auf der bilateralen Zusammenarbeit in Politik, Wirtschaft und Kultur wie auch der gegenseitigen Sicherheit basiert. Xi erklärte, das Abkommen bilde die Grundlage für den „Aufbau einer Zukunftsgemeinschaft für die Menschheit“.

Provokation im Schwarzen Meer

Gerade dieses Bekenntnis zur multilateralen Zusammenarbeit ist es, was die Verfechter einer willkürlichen, unilateralen „regelbasierten Ordnung“ in London und Washington zu so verzweifelten Aktionen treibt, wie dem bewußt provokanten Eindringen des britischen Kriegsschiffs HMS Defender in russische Hoheitsgewässer im Schwarzen Meer bei Sewastopol am 23. Juni. Als der Zerstörer der britischen Marine in russische Gewässer eindrang, funkte die russische Schwarzmeerflotte eine Warnung. Nachdem sie eine Viertelstunde lang keine Antwort erhalten hatte, gab ein russisches Grenzpatrouillenschiff Warnschüsse ab. Neun Minuten später wurden dann Bomben in die Fahrrinne vor dem Schiff geworfen, das daraufhin abdrehte.

Während Moskau von einer Provokation sprach, leugnete das britische Verteidigungsministerium anfangs, daß Schüsse abgefeuert wurden, und sprach von einer „unschuldigen Durchfahrt durch ukrainische Gewässer“. Ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson verteidigte anschließend das Vorgehen und erklärte: „Das Vereinigte Königreich erkennt Rußlands Anspruch auf die Krim nicht an“, was darauf schließen läßt, daß die Absichten keineswegs so unschuldig waren, wie behauptet wurde.

Zudem bestätigte ein auf dem Schiff mitfahrender BBC-Reporter, Jonathan Beale, daß tatsächlich Warnschüsse abgefeuert wurden. Und er fügte hinzu, die Mission des Zerstörers „war ein bewußter Schritt, um gegenüber Rußland ein Zeichen zu setzen“. Ein Zeichen wofür? Laut einer Quelle aus dem britischen Verteidigungsministerium ging es darum, „unser Recht auf freie Schiffahrt in internationalen Gewässern“ zu bekräftigen.

Daß es sich um eine geplante Provokation handelte, zeigte die erstaunliche Entdeckung von geheimen Dokumenten des Ministeriums einige Tage später an einer Bushaltestelle in Kent. Darin ist die geplante Passage detailliert beschrieben, und es heißt, es sei damit zu rechnen, daß Rußland „aggressiv“ reagieren könnte. Man kann davon ausgehen, daß diese Entdeckung kein Zufall war, sondern ein Versuch, die wahrscheinliche russische militärische Reaktion auf zukünftige Provokationen zu sondieren. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Sacharowa, machte sich über den Vorfall lustig: „Wozu brauchen wir russische Hacker, wenn es britische Bushaltestellen gibt?“

Dennoch nehmen die Russen die Angelegenheit keineswegs auf die leichte Schulter, verschiedene Sprecher, darunter hochrangige Militärs, warnten, beim nächsten Mal würden die Schiffe beschossen, die durch russische Gewässer fahren.

Nur vier Stunden vor dem Vorfall hatte Putin vor der russischen Internationalen Sicherheitskonferenz angedeutet, daß es wahrscheinlich Operationen geben werde, um die kleinen, aber bedeutenden Fortschritte des Biden-Putin-Gipfels acht Tage zuvor zu untergraben. Er eröffnete seine Rede mit der Warnung: „Die geopolitischen Prozesse werden trotz vereinzelter positiver Signale zunehmend turbulent. Auch die Erosion des Völkerrechts geht weiter.“

Putin und Lawrow erläutern den Hintergrund

In seinem Dialog am 1. Juli gab Putin eine detailliertere Antwort auf die Frage, warum dieses riskante Spiel begonnen wurde. Er fragte: „Was wollten diese Provokateure zeigen, und welche Ziele wollten sie erreichen?“ Dies sei „nicht nur von den Briten, sondern auch von den Amerikanern inszeniert“ worden, denn das russische Radar habe in der Nähe US-Aufklärungsflugzeuge identifiziert, die beobachten sollten, welches die russischen „Gegenmaßnahmen zu dieser Art von Provokation sein könnten“.

Grundsätzlich prangerte er die Heuchelei derer an, die die Provokation inszenierten und von Demokratie sprechen, aber die Entscheidung der Bevölkerung der Krim, sich der Russischen Föderation anzuschließen, nicht akzeptieren. Putin bezog sich auf die Spannungen, die sich hochschaukelten, als der ukrainische Präsident Selenskyj drohte, die Krim gewaltsam zurückzuerobern, und Rußland als Reaktion darauf Truppen mobilisierte. Er sagte, nachdem er die Truppen zurückgezogen hatte, „sind sie an unseren Grenzen aufgetaucht“.

Er bekräftigte seine Überzeugung, daß die Aktion im Schwarzen Meer eine Reaktion auf die Fortschritte seines Gipfels mit Präsident Biden war. Solch „destruktives Verhalten“ wie Militärübungen, Provokationen und Sanktionen seien ein Versuch der US-NATO-Kräfte, „ihre Monopolstellung um jeden Preis zu bewahren“. Aber „die Welt verändert sich dramatisch... Die Zeit der unipolaren Welt ist vorbei.“

Dies war auch das Thema eines Artikels von Außenminister Sergej Lawrow, der am 28. Juni unter der Überschrift „Das Gesetz, die Rechte und die Regeln“ erschien. Lawrow befaßt sich darin ausführlich mit der Heuchelei hinter dem Anspruch auf eine willkürliche, sogenannte regelbasierte Ordnung: „Wenn jemand gegen die Regeln des Westens verstößt, reagiert dieser sofort mit der haltlosen Behauptung, daß ,die Regeln gebrochen wurden‘“, und beanspruche das Recht einzugreifen, „um die Täter zur Verantwortung zu ziehen“.

Helga Zepp-LaRouche warnte, die Verteidigung der alten Weltordnung durch eine Flucht nach vorne mit militärischen Mitteln zeige, „daß wir uns gegenwärtig in einer Dynamik befinden, etwa mit dem globalen NATO-Plan 2030“, durch die man „eine globale Kriegsmaschinerie“ aufbauen will, die „Rußland und China einkreisen soll“. (Lesen Sie dazu auch ihre Rede bei der internationalen Konferenz des Schiller-Instituts am 26.Juni.)

Briten machen Ukraine und Schwarzes Meer zum Brennpunkt

Vor der von der HMS Defender provozierten Konfrontation nahe der Krim war an Bord desselben Schiffes ein Abkommen zwischen der britischen Regierung und der Ukraine zur Aufrüstung der ukrainischen Marine unterzeichnet worden. Die Briten verpflichten sich, neue „Marineplattformen“ und „defensive schiffsgestützte Bewaffnung“ zu liefern, Marinepersonal auszubilden und neue Marinestützpunkte im Schwarzen Meer und im Asowschen Meer zu bauen. Laut einem Beitrag auf der Regierungsseite gov.uk vom 23. Juni – dem Tag des Eindringens der Defender – soll das Abkommen dazu beitragen, „gemeinsame Bedrohungen abzuschrecken“!

Obwohl die Diskussion über einen NATO-Beitritt der Ukraine vorerst eingestellt wurde, lassen solche Vereinbarungen auf die Absicht schließen, die Ukraine weiterhin als Aufmarschgebiet für einen Ost-West-Konflikt zu nutzen. Putin hat die Frage einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zur „roten Linie“ erklärt.

Ein zweiter Zwischenfall ereignete sich nur einen Tag später am 24. Juni, als die niederländische Fregatte Evertsen von einem Geschwader russischer Kampfflugzeuge empfangen wurde, als sie sich auf russische Gewässer zubewegte, bis sie abdrehte. Zu den Spannungen tragen auch die NATO-Marineübungen „Sea Breeze“ im Schwarzen Meer bei, die vom 28. Juni bis zum 23. Juli stattfinden. Rußlands Schwarzmeer-Streitkräfte werden diese Manöver genau beobachten.

Die Dichte provokativer Aktivitäten drückt die Absicht der NATO aus, „Unterstützung für die ukrainische Souveränität“ zu zeigen, wie es in einem Kommuniqué des Gipfeltreffens der NATO-Staatschefs vom 14. Juni in Brüssel heißt. Darin heißt es, die NATO „erkennt die illegale und illegitime Annexion der Krim durch Rußland nicht an und wird sie nicht anerkennen“, und die NATO unterstützt Selenskyjs Drohung, die Krim zurückzuerobern, indem sie deren „vorübergehende Besetzung“ durch Rußland anprangert.

Putin spielte zwar die Gefahr eines Krieges herunter, der selbst dann unwahrscheinlich sei, wenn Rußland die HMS Defender versenken würde, aber schon in der Vergangenheit haben vorsätzliche „Unfälle“ als Auslöser für Kriege gedient. Man darf nicht ausschließen, daß weitere derartige „Sondierungen“ stattfinden werden.

Der ehemalige britische Botschafter Craig Murray hat in einer Erklärung, worin er den Defender-Zwischenfall als „Wahnsinn“ verurteilt, auf das Offensichtliche hingewiesen: daß britische Kriegsschiffe im Schwarzen Meer nichts zu suchen haben. „Das Vereinigte Königreich muß seine imperialen Ambitionen ablegen“, schreibt er.

Doch bisher prägen solche imperialen Ambitionen, die sowohl auf dem G7-Gipfel als auch auf dem NATO-Gipfel sichtbar waren, immer noch die transatlantische Politik gegenüber Rußland und China. Die Ereignisse am Schwarzen Meer bestätigen, daß die „Atempause“, die der Genfer Gipfel verschafft hat, wieder verschwinden wird, wenn die USA nicht endgültig mit den imperialen geopolitischen Plänen der Briten brechen.