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Israel: Frühere deutsche Botschafter fordern Bundesregierung auf, das Völkerrecht zu verteidigen

In einem Appell, der am 2. Juli in der Wochenzeitung DIE ZEIT veröffentlicht wurde, verlangen dreizehn frühere deutsche Botschafter von der Bundesregierung eine konsequentere Linie gegenüber Israel zur Einhaltung des Völkerrechts. Die Autoren sind ehemalige deutsche Botschafterinnen und Botschafter u.a. in Amman, Ankara, Bagdad, Beirut, Damaskus, Islamabad, Kairo, Ramallah, Rabat, Riad, Sanaa,Teheran, Tripolis und Tunis. In dem ZEIT-Bericht werden Hansjörg Haber (zuletzt Botschafter im Jemen), Martin Kobler (zuletzt Botschafter in Pakistan, zuvor UN-Sondergesandter in Libyen) und Birgitta Siefker (zuletzt Botschafterin in Jordanien) zitiert.

Der Appel trägt die Überschrift: "Wir appellieren an die Bundesregierung: den Worten müssen Taten folgen!"

Neben Ausführungen zur Lagebeschreibung heisst es darin u.a.: "Bundeskanzler Merz und Außenminister Wadephul haben vor einigen Wochen die israelische Kriegsführung in Gaza als nicht mehr nachvollziehbar kritisiert, die humanitäre Notlage der Palästinenser im Gazastreifen unerträglich genannt und eine Überprüfung deutscher Rüstungsexporte an Israel angekündigt. Vor dem Hintergrund von Verletzungen des Völkerrechts und „Überschreitungen“ der Verhältnismäßigkeit könne man nicht mehr schweigen, hieß es. Für den mutigen Schritt, all dies zum ersten Mal mit klaren Worten zu benennen, haben der Bundeskanzler und der Außenminister unseren Respekt.

Weil Worte allein keine Verhaltensänderung auf israelischer Seite bewirken, muss die neue Bundesregierung nach diesem wichtigen Realtiätscheck nun konkrete politische
Schlussfolgerungen für ihre Nahostpolitik ziehen. Hierfür wollen wir folgende Gedanken in die Debatte einbringen:

....Die Bundesregierung sollte sich in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht noch nachdrücklicher für eine Öffnung des Gazastreifens einsetzen, insbesondere für UN-Organisationen wie das Welternährungsprogramm (WFP), das UN-Büro für die Koordination der humanitären Hilfe (OCHA) und das Flüchtlingshilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), sowie für deren fortgesetzte finanzielle Unterstützung.

Die Bundesregierung sollte sich dezidierter für Lösungen einsetzen, die den Palästinensern ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben in Gaza ermöglichen, und anderen Politiken wie Vertreibung und Besatzung eine noch klarere Absage erteilen.

2. Der Internationale Gerichtshof, die höchste gerichtliche Instanz der Vereinten Nationen, prüft derzeit, ob in Gaza ein Völkermord geschieht. Seit Januar 2024 ordnete der IGH mehrere vorläufige Maßnahmen an, die Israel und Drittstaaten verpflichten, einen möglichen Völkermord im Gazastreifen zu verhindern. Diese Pflicht ergibt sich auch aus Artikel 1 der Völkermordkonvention. Die Anordnung der Maßnahmen deutet darauf hin, dass der IGH den Vorwurf des Völkermords sehr ernst nimmt. Sollte der IGH urteilen, dass in Gaza Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder sogar ein Völkermord verübt wurden, wird Deutschland sich dem Vorwurf stellen müssen, es habe hierzu in voller Kenntnis der Umstände durch die Lieferung von Waffen, die in Gaza eingesetzt wurden, beigetragen.

Der Internationale Strafgerichtshof hat wegen des Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen Haftbefehle u.a. gegen Hamas-Führer und den israelischen Premierminister
Netanyahu erlassen. Sich über die Verbindlichkeit dieser Haftbefehle hinwegzusetzen, wäre ein klarer Verstoß gegen (auch deutsches) Recht. Obendrein wäre es der Bundesrepublik, einem aktiven Gründungshelfer des Strafgerichtshofs, unwürdig.

Die Bundesregierung muss diese Verfahren respektieren. Sie sollte schnellstens eine restriktivere Haltung zu Rüstungsexporten und zur militärischen Kooperation mit
Israel entwickeln. Sonst drohen Konsequenzen vor internationalen Gerichtshöfen und nach innerdeutschem Recht womöglich auch strafrechtliche Schritte gegen Beamte und
Politiker. ..."

Nach weiteren Ausführungen über Israels Vorgehen in Gaza und im Westjordanland, sowie über die Hamas, heisst es:

"... Die Prinzipien der UN-Charta, die Achtung des humanitären Völkerrechts und die von uns gewollte regelgestützte internationale Ordnung stehen unter massivem Druck. Soll zukünftig die Stärke des Rechts gelten oder das Recht des Stärkeren? Den richtigen Weg einzuschlagen, wird Mut erfordern. Der Ausgang wird nicht nur darüber entscheiden, wie es im Nahen Osten weitergeht, sondern in unserer internationalen Ordnung insgesamt.

Schließlich: Wenn die Existenz und Sicherheit Israels Teil deutscher Staatsraison sind, darf Deutschland auch nicht dazu beitragen, dass Israel sich selbst verliert und ruiniert. Ein Status Israels als internationaler Pariastaat, der für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen wurde und sich gegen entsprechende Konsequenzen nur noch durch ein US-Veto im Sicherheitsrat behaupten kann, würde die Sicherheit und Zukunft Israels als demokratischen und liberalen Lands zur Disposition stellen.

Wahre Freunde handeln, wenn sich ihr Freund in Gefahr begibt. Den begrüßenswerten Worten der Bundesregierung müssen daher jetzt auch Taten folgen. Die Vorschläge
liegen auf dem Tisch und werden u.a. in der EU seit langem diskutiert: Neben den oben genannten Maßnahmen wäre das insbesondere die Anerkennung eines demokratisch
legitimierten palästinenschen Staates. Für die deutsche Nahostpolitik, die seit Jahrzehnten für sich beansprucht, einen besonders hohen ethisch-moralischen Anspruch
zu verfolgen, gilt umso mehr: Die Zeit zu handeln ist jetzt."

 

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