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LaRouche vor dem Institut für Sino-Strategische Studien

[i]Von Lyndon LaRouche[/i]

China in einer sich wandelnden Welt

Die Rede des damaligen US-Präsidentschaftskandidaten
LaRouche vor dem Institut für Sino-Strategische Studien im
kalifornischen Whittier am 17. August 2002.

In der Volksrepublik China findet derzeit eine Neubeurteilung der
Auswirkungen einer sich rasch wandelnden Welt auf Chinas Zukunft in den
nächsten Jahrzehnten statt. Zu den Fragen, die sich dabei stellen,
gehören die Auswirkungen einer sich beschleunigenden Krise der
Währungs- und Wirtschaftssysteme der Welt - einer Krise, die schon im
Gange war, als in den USA George W.Bush im Januar 2001 das
Präsidentenamt antrat. China muß sich auch mit den noch andauernden
unheilvollen Veränderungen der allgemeinen strategischen Lage seit dem
11.September 2001 auseinandersetzen.

Selbst wenn die Lösungen der gegenwärtigen weltweiten Währungs-
und Finanzkrise umgesetzt werden, wird das vor uns liegende Jahrzehnt
für alle Volkswirtschaften der Welt schwierig werden. Die Welt wird nie
wieder zur jüngsten Vergangenheit zurückkehren können. Wir können und
müssen die Weltwirtschaft wieder aufbauen, aber dieser Wiederaufbau
bedeutet, sich für eine neue Politik zu entscheiden und in eine andere
Richtung zu gehen als die, in die die USA und der IWF die Welt in den
letzten Jahrzehnten gesteuert haben.

[h3][/url]Ursprung und Charakter der Weltkrise[/h3]

Betrachten wir in Kürze drei Aspekte: Erstens, die Weltkrise selbst;
zweitens, die verfügbaren Systemlösungen dieser Krise und drittens,
welche Chancen diese Lösungen für China bedeuten.

Betrachten wir zunächst die wichtigsten Faktoren, die zu dieser gegenwärtigen Weltkrise geführt haben.

In der Zeit von 1933-1945 steuerten die Vereinigten Staaten
unter der Führung ihres Präsidenten Franklin D.Roosevelt durch einen
allgemeinen Wirtschaftsaufschwung und einen großen Krieg. Kurz nach dem
zu frühen Tode dieses Präsidenten gingen die USA aus diesem Krieg als
praktisch einzige Weltmacht jener Zeitspanne hervor. Auch wenn
Präsident Roosevelts Absicht, die Welt zu entkolonialisieren, von
seinen Nachfolgern nicht verwirklicht wurde, zogen Nord- und
Südamerika, Westeuropa und Japan aus den Aspekten der Rooseveltschen
Politik, die in das Währungssystem von Bretton Woods der Phase von
1945-1964 eingefügt waren, einen enormen Nutzen. Es gab in diesem
Weltsystem viele Ungerechtigkeiten, dennoch erzeugte dieses Finanz- und
Währungssystem ein großes Nettowachstum für die Realwirtschaft der
Welt.

Etwa seit dem Beginn des Krieges der USA in Indochina 1964-1972
kam es in der amerikanischen Politik zu einer Reihe dramatischer
Veränderungen, die eine Abkehr von der Wirtschaftspolitik der Jahre
1933-1945 und von der traditionellen Militärpolitik, wie sie 1941-1945
angewendet wurde, bedeuteten. Zwischen 1964 und Januar 1981 setzten
sich in der Politik Großbritanniens und der USA drei radikale
Veränderungen durch.
Die erste betraf den Wechsel von einer durch Produktion geprägten
Gesellschaft zu einer nachindustriellen Konsumgesellschaft, angefangen
mit der britischen Regierung Harold Wilson. Die zweite Veränderung
bildete die
Zerstörung des Bretton-Woods-Systems der Jahre 1945-1964 durch eine
Entscheidung Präsident Nixons, mit der am 15.August 1971 ein System
freier Wechselkurse geschaffen wurde. Die dritte umfaßt den drastische
Wechsel in der Politik der USA, der zur Zerstörung der eigenen
Infrastruktur, Landwirtschaft und Industrie führte und zwischen
1977-1981 unter dem Nationalen Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski
begann. Dieser Prozeß beschleunigte sich nach dem Zusammenbruch der
Sowjetmacht 1989-1991.

Die Auswirkungen dieser drei Veränderungen lassen sich anhand der beiden folgenden Abbildungen veranschaulichen: [i]Abbildung 1[/i]
ist pädagogischer Natur; sie spiegelt jedoch eine Veränderung in den
Beziehungen zwischen den Wachstumsraten der Währungs- und Finanztitel
wider, die schätzungsweise im Frühjahr 2000 eintrat. Von dem Punkt an
bis zur Gegenwart muß die Summe der Geldwerte, die zur Stützung der
Finanzpapiere aufgebracht wird, immer größer sein als der Wert der
durch sie subventionierten Finanztitel. Dieser Wechsel ist von der
gleichen Art wie derjenige, der in der Weimarer Republik ungefähr im
Juni-Juli 1923 eintrat. Damit begann die hyperinflationäre Explosion,
die im Oktober-November desselben Jahres die Reichsmark zerstörte. [i]Abbildung 2[/i] zeigt die Entwicklung der Hyperinflation in Deutschland 1923.

Die gegenwärtig explodierende Währungs-/Finanz- und Wirtschaftskrise
ist keine Konjunkturkrise, sondern eine Systemkrise. Das gegenwärtige
System selbst hat sie über einen Zeitraum von etwa 35 Jahren
hervorgerufen. Es gibt keine Lösung dieser Krise, ohne dieses System zu
ersetzen. Auf ähnliche Weise sind in der Vergangenheit Imperien und
Dynastien gestürzt, ja sogar ganze Zivilisationen verschwunden.

[h3][/url]Die Gefahr eines neuen finsteren Zeitalters abwenden[/h3]

Wenn das System nicht geändert wird, ist das folgende weltweite Szenario praktisch unausweichlich.

Nimmt man die Gesamtheit der regulären und irregulären
Verschuldung in den Weltfinanzen einschließlich aller Arten von
Finanzderivaten und "Ramschanleihen", so ergibt sich, daß das
Verhältnis von Schulden zu realem Mehrwert in der Welt heute dem
Schuldenverhältnis vergleichbar ist, das in der Mitte des
14.Jahrhunderts das Lombard-Bankensystem in Europa zum Einsturz
brachte. Der Versuch der Finanziers, die Geldschulden in voller Höhe
einzutreiben, stürzte Europa damals in ein "neues finsteres Zeitalter",
wie es die Historiker nennen, in dem schätzungsweise ein Drittel der
europäischen Bevölkerung ausgelöscht wurde. Wenn man diesen Vergleich
zur heutigen Welt anstellt, muß man zwei Tatsachen klar erkennen.
Erstens, daß die Welt nur durch eine Abkehr vom gegenwärtigen
Weltwährungs- und Finanzsystem gerettet werden kann. Zweitens, warum
einige mächtige finanzielle Sonderinteressen so verzweifelt
entschlossen sind, sich der Einrichtung eines neuen Währungs- und
Finanzsystems entgegenzustemmen.

[i]Es gibt eine Lösung für diese Krise.[/i] Meiner Ansicht nach muß man [i]drei Schritte[/i]
unternehmen, um einen Ausweg aus der weltweiten, sich verschärfenden
kombinierten Finanz- und Währungskrise, Wirtschaftskrise und
strategischen Krise zu finden.

[i]Schritt Nummer Eins:[/i] Man benutzt die Erfahrung des
relativ erfolgreichen Bretton-Woods-System von 1945-1964 als
Bezugspunkt für die Einrichtung eines neuen Weltwährungssystems. Dies
bedeutet ein System fester Wechselkurse im Rahmen einer
protektionistischen Wirtschaftspolitik, die durch Verträge zwischen
Nationen geregelt wird.

Ein solcher Vorschlag wurde von Gruppen führender Parlamentarier in Italien und anderen Ländern unterstützt.

Nach meiner persönlichen Einschätzung sollte man dann den Preis
von Währungsreservegold irgendwo zwischen 800 und 1000 Dollar je
Feinunze ansetzen - vielleicht setze ich den Preis zu niedrig an, aber
diese Schätzung illustriert den Punkt. Welthandel und Realwirtschaft
werden auf der Grundlage langfristiger Kredite reorganisiert - deren
Laufzeit in der Größenordnung eines Vierteljahrhunderts liegt und deren
Kosten einen einfachen Zinssatz von 1-2 Prozent nicht übersteigen - ,
mit denen man die Entwicklung der grundlegenden wirtschaftlichen
Infrastruktur und andere Vorhaben mit besonderer Priorität finanziert.

Zur Gründung eines solchen neuen Systems müßten völlig
souveräne Nationalstaaten eingreifen und zusammenarbeiten, um das
existierende Finanz- und Währungssystem einem von Regierungen
geleiteten Konkursverfahren zu unterziehen. Der Leitsatz wäre dabei von
Anfang an, so wie bei Präsident Franklin Roosevelts Maßnahmen, das
naturrechtliche Verfassungsprinzip des [i]Gemeinwohls[/i]. Alle
wesentlichen Beschäftigungsverhältnisse, Produktion und Rentenzahlungen
müssen wie gewohnt weiterlaufen. Das Niveau der Produktion und
Verteilung realer Güter und notwendiger Dienstleistungen muß gehalten
werden. Man braucht Sofortmaßnahmen zur Ausweitung der Beschäftigung
durch staatlich abgesicherte Kredite, besonders in denjenigen Bereichen
der Infrastruktur, die für das gegenwärtige und zukünftige nationale
Interesse wichtig sind.

[i]Schritt Nummer Zwei:[/i] Im Rahmen der Zusammenarbeit
zwischen Nationen sind bestimmte technische Maßnahmen erforderlich, um
das allgemeine Nettoniveau der physisch-produktiven Arbeitskraft
weltweit zu erhöhen, indem Technologie von technologieexportierenden
Gebieten in Gebiete mit Technologiedefiziten fließt. Typisch für diese
notwendigen Maßnahmen ist der Vorschlag für eine Eurasische Landbrücke,
den meine Mitstreiter in den letzten zehn Jahren unterbreitet haben.
Die eurasische Zusammenarbeit - im Kern wahrscheinlich die Kooperation
Europas mit einer Gruppe von Nationen, die sich im Rahmen einer
strategisch-wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Rußland, China und
Indien zusammenfinden werden - ist typisch für die Art von
Wachstumsprogrammen, die notwendig sind, um eine Rückkehr zu einem
Äquivalent des Bretton-Woods-Systems von 1945-1964 zu erreichen.

[i]Schritt Nummer Drei:[/i] Es ist die Zeit erreicht, in der
wir über die relativ primitive Ebene der Zusammenarbeit, bei der
friedliche Zusammenarbeit nur als eine Form bloßer Negation von
Konflikten behandelt wurde, hinausgehen müssen. Wir brauchen eine
Annäherung an die Politik, die der damalige US-Außenminister John
Quincy Adams für die Zukunft des amerikanischen Kontinents
vorgeschlagen hat: [i]eine Prinzipiengemeinschaft absolut souveräner Nationalstaaten[/i].
Souveränität muß heißen, daß die Staaten sich gemäß jenen nationalen
Kulturen selbst regieren, über die die Mitglieder der Nation Ideen
vermitteln können, die "tiefgehende und leidenschaftliche Konzepte über
Mensch und Natur" betreffen, wie es der englische Dichter Shelley
nannte. Doch unter diesen Nationen muß unser gemeinsames Ziel dasselbe
sein: das Gemeinwohl jeder Nation und das Gemeinwohl, das durch
Zusammenarbeit zwischen Nationen positiv gefördert wird. Diejenigen
Nationen, die bereit sind, eine solche Politik in der Menschheit zu
betreiben, sollten das jetzt tun. Wir sollten nicht versuchen, dies als
unseren Willen anderen Nationen aufzuzwingen, sondern ein Beispiel
setzen, dem diese anderen hoffentlich nacheifern werden.

[h3][/url]Das Gemeinwohl der Menschheit[/h3]

Praktisch sitzen alle Nationen in einem Boot - einem Boot, das
gerade sinkt. Wir werden das Boot nur retten können, wenn wir den
grundlegenden wissenschaftlichen und davon abgeleiteten technischen
Fortschritt der physischen Arbeitsproduktivkraft energisch
vorantreiben. Dies bedeutet, daß man Wissenschaft und Technik mit
denen, die sie brauchen, teilt. Ohne das Motiv, einfach nur um des
Gemeinwohls der Menschheit willen dem Nachbarn und Nächsten zu nutzen,
werden wir den notwendigen Willen zur Überwindung der Gefährdungen des
Gemeinwohls, die heute unter den Völkern der Welt immer mehr um sich
greifen, wahrscheinlich nicht aufbringen können.

Betrachten wir hinsichtlich dieser dritten Erwägung China.
Betrachten wir China mit den Augen des Wirtschaftswissenschaftlers.
Betrachten wir die entscheidenden Fragen der wechselseitigen
Beziehungen zwischen China und der übrigen Welt in Begriffen meiner
Arbeit als langfristiger Wirtschaftsprognostiker.

Fortschritt ist die Frucht einer Kombination aus einer
wissenschaftlich fortschrittlichen Kultur und der sich
fortentwickelnden kulturellen Tradition, durch die ein Volk über seine
praktische Politik entscheidet und diese umsetzt. Die Frucht einer
solchen kombinierten Entwicklung der Kultur erkennt man an dem Nutzen,
den die Arbeit einer heutigen Generation in zwei, drei oder vier
Generationen haben wird. Da es in einer technisch modernen Gesellschaft
ungefähr ein Vierteljahrhundert erfordert, einen neugeborenen Menschen
bis ins junge Erwachsenendasein zu einem qualifizierten Beschäftigten
heranzubilden, müssen wir die langfristigen Auswirkungen der
Entscheidungen der heutigen Generation über einen Zeitraum von nicht
weniger als 50 Jahren in der Zukunft beurteilen. Welchen Zustand Chinas
und des benachbarten Asiens wollen wir in 50 Jahren erreicht haben? Das
sollte bei den politischen Erörterungen ganz Amerikas und Europas mit
China heute auf der Tagesordnung stehen.

Um Fortschritt anzuregen, müssen wir dem lebenden Menschen ein
Verständnis für die Bedeutung seines Lebens und dessen Auswirkungen auf
die kommenden zwei oder mehr Generationen geben. Ein Tier lebt nur im
hier und jetzt - ein Mensch lebt dafür, wie man sich nach vielen
Generationen an ihn erinnern und ihm danken soll. Wenn die Völker der
Nationen so über sich, über ihre Nation und andere Nationen dächten,
hätten die Beziehungen zwischen den Völkern positive Motive: Anstelle
des bloß negativen Wunsches, den schlimmen Folgen des Konflikts zu
entgehen, herrschte das Verständnis, daß der Erfolg des jeweils anderen
notwendig ist.