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Liliana Gorini: Die Entwicklung des Mezzogiorno von Antonio Genovesi bis LaRouche

Zu diesem Thema sprach Liliana Gorini, die Vorsitzende von MoviSoL Italien am 2. Juli bei einer wichtigen Konferenz über die wirtschaftliche Perspektiven Süditaliens,  die von Alessia Ruggeri, Präsidentin von UPI Italien, im Schloß Arechi in Salerno unter dem Titel „Meridione 5.0“ organisiert wurde.

Gorini hielt ihre Rede nach der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Senatorin Adriana Poli Bortone, deren Thema die Konflikte zwischen Staat und Regionen und zwischen Italien und der EU war,  dem Vorsitzenden der Anti-Mafia-Kommission des Senats Senator Nicola Morra sowie dem Ökonomen Nino Galloni. Sie überbrachte eine Botschaft der Hoffnung für den Süden, basierend auf den Ideen von LaRouche, Franklin Delano Roosevelt und Antonio Genovesi, dem Inhaber des ersten Lehrstuhls für Wirtschaftswissenschaften in Europa (1754).  Der Hinweis auf die Ideen Genovesis über den Handel als Instrument von Frieden und Zusammenarbeit fand bei einem Vertreter der lokalen Fernsehens in Neapel besondere Zustimmung. 

Die Entwicklung des Mezzogiorno, von Antonio Genovesi bis LaRouche

Zunächst möchte ich mich bei Alessia Ruggeri für die Einladung zu dieser sehr wichtigen Initiative bedanken, die die Handelskammern Süditaliens zusammenführt. Als Vorsitzende von Movisol, der Bewegung des verstorbenen amerikanischen Ökonomen Lyndon LaRouche, und als Neapolitanerin fühle ich mich durch diese Einladung geehrt.

Meine Bewegung kämpft seit Jahrzehnten für konkrete Projekte der wirtschaftlichen Entwicklung, die wir für alle Regionen der Welt ausgearbeitet und veröffentlicht haben, auch für Süditalien, für Afrika, für den Nahen Osten, für Lateinamerika, für Asien, für Osteuropa. So auch, als die Berliner Mauer fiel, die sogenannte Eurasische Landbrücke, die 1991 von Lyndon und Helga LaRouche, der Präsidentin des Schiller-Instituts, vorgestellt wurde und die mit Chinas Belt and Road Initiative, der sogenannten Neuen Seidenstraße, Realität wurde. Davon kann auch Süditalien stark profitieren  (insbesondere die maritime Seidenstraße mit dem Ausbau der Häfen für den Export ins Mittelmeer).

Süditalien als natürliche Brücke zum Mittelmeer: Der Ökonom LaRouche sprach schon in den achtziger Jahren davon, und in den neunziger Jahren wurde er mehrmals ins italienische Parlament eingeladen,  in die Finanz- und Verteidigungsausschüsse von Abgeordnetenhaus und Senat, um seine Lösungen für die Krise zu präsentieren, die durch die Spekulationsblase verursacht wurde, die unsere Realwirtschaft zerstört hat, indem sie alle Ressourcen in der Finanzspekulation konzentrierte. Ich hatte die Ehre, ihn zu diesen Anhörungen im Parlament zu begleiten, wo einige Parlamentarier, ehemalige Gewerkschafter, zugaben, daß LaRouche recht hatte: Ohne ein Neues Bretton Woods, ohne die Wiederherstellung des Glass-Steagall-Gesetzes, mit dem Präsident Roosevelt die Vereinigten Staaten 1933 aus der Wirtschaftsdepression geführt hat, also der klaren Trennung zwischen Geschäftsbanken und spekulativen Banken, werden wir nie aus der Krise herauskommen. LaRouches „Vier Gesetze“, darunter das Glass-Steagall-Gesetz, eine Nationalbank und ein Kreditsystem, das Kredite an Unternehmen, wissenschaftliche Forschung und die Raumfahrt vergibt, sind immer noch die Grundlage für eine echte wirtschaftliche Erholung, die sicher nicht aus dem Konjunkturprogramm der Europäischen Union kommen wird.

Dieses EU-Konjunkturprogramm ist nur  auf den ökologischen Umbau und den Green Deal ausgerichtet,, jenen Green Deal, der vom ehemaligen Gouverneur der Bank of England Mark Carney und von Klaus Schwab vom Weltwirtschaftsforum so sehr als „das neue Gold“ für Spekulanten gepriesen wird, weil er eine neue Spekulationsblase schafft - die der grünen Anleihen.

Wie Prof. Nicola Scafetta von der Universität Neapel auf der Konferenz des Schiller-Instituts am vergangenen Samstag erklärte, hören Regierungen und Politiker nicht auf Wissenschaftler, die einen Klimanotstand leugnen, sondern jagen dem Geld hinterher, das in die grüne Spekulationsblase oder in erneuerbare Energien investiert wird. Ein wirklicher wirtschaftlicher Aufschwung wird jedoch nicht von der grünen Wirtschaft kommen, die unseren Lebensstandard durch steigende Energiekosten sogar senken wird, sondern nur von großen Infrastrukturprojekten und Investitionen in Forschung und Hochtechnologie.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine Antwort zitieren, die LaRouche auf einer Konferenz der Iniziativa Italiana, die kleine und mittlere Unternehmen zusammenbringt, im März 2002 in Mailand einem Unternehmer gab, der ihn nach der Entwicklung Süditaliens fragte. LaRouches Antwort ist auch heute noch gültig (ins deutsche übersetzt nach dem Redetranskript):

Ohne Frage ist hier ein ganz bestimmter Mechanismus im Spiel. Nehmen Sie Italien: Während Sie in dieser speziellen Region [im Norden Italiens, d.R. ] mehr Glück haben, haben Sie im Großteil Italiens weit über, offiziell 10% Arbeitslosigkeit. Betrachten Sie diese 10% Arbeitslosigkeit als einen Verlust, einen wirtschaftlichen Verlust. Das ist menschliches Potential, das arbeiten und etwas von Wert produzieren könnte. Natürlich liegt die größte Last in der Region, die wir den Mezzogiorno nennen, und in anderen Gebieten in anderen Regionen. Und von dem Zeitpunkt an, als die neue Politik des IWF eingeführt wurde, offiziell im Jahr 1976, wurde die Cassa di Mezzogiorno, die früher eine nützliche Rolle spielte, in etwas ganz anderes verwandelt; nicht weil die Absicht der Leiter der Cassa di Mezzogiorno falsch war, sondern weil die Mittel dazu nicht mehr vorhanden waren. Sie haben also ein vernachlässigtes Gebiet Italiens - Sizilien, Süditalien im Allgemeinen -, das schlecht entwickelt ist, was Italien als Ganzes viel kostet! Der Mangel an Entwicklung!

Nun, wie würde ich so etwas angehen? Ich würde sagen, das ist der Grund, warum ich 1975-1976 sehr verärgert war über die Einführung der neuen IWF-Politik in Italien, damals, `75-`76, als der Kampf losging. Weil der Erfolg Italiens davon abhängt, den Bereich Italiens, der arm ist, in einen wirklich produktiven Bereich des Wachstums zu verwandeln. Und das ist möglich.

Ich war sehr glücklich über den Erfolg der Brücke nach Sizilien, die wieder auf die Tagesordnung gesetzt wurde, denn das ist ein wesentlicher Teil, das ist ein revolutionärer Schritt, eine große technologische Herausforderung und ein revolutionärer Schritt, um die Situation zu ändern. Denn jedes Mal, wenn wir Menschen, die in der Wirtschaft nutzlos sind - ohne Hoffnung, ohne Ziel, ohne Mittel, um ihre Familien zu unterstützen - jedes Mal, wenn wir ihnen einen Job geben, der für die Gesellschaft nützlich ist, machen wir einen Gewinn, indem wir einen Verlust abziehen. Sie sind nicht länger ein Verlust für die Wirtschaft.

Nun, wenn wir Infrastruktur entwickeln, von einer nützlichen Art - wo ist der erste Anreiz der Entwicklung von Infrastruktur: Es ist im Wesentlichen eine Steigerung der Aktivität des unternehmerischen Sektors. Das betrifft sogar einfache Ladenbesitzer. Jeder Aspekt der Wirtschaft profitiert davon. Neue Unternehmen entstehen und gedeihen auf der Grundlage dieser Gelegenheit. Wir schaffen also Möglichkeiten. Wenn wir gleichzeitig Exporte generieren, wirkt das auf die gleiche Weise zusammen.

Wenn wir also erkennen, daß der unternehmerische Geist, der viel besser reagieren kann als die Regierung oder die großen Unternehmen, die aktive Oberfläche, der wichtigste Teil der Wirtschaft ist, der sich am schnellsten bewegt und am schnellsten auf eine neue Gelegenheit, eine neue Situation reagiert. …

Wenn man dann ein Kreditsystem zur Verfügung stellt, ein gut verwaltetes Kreditsystem, das von den Regierungen organisiert wird, durch bestehende Bankinstitute als spezielle Programme oder durch spezielle Kreditinstitute, die wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau in Deutschland funktionieren, um diesen Kredit schnell zu entwickeln, kann man tatsächlich ein Programm zur Stimulierung des Kleinunternehmertums aufbauen, das in Verbindung mit einem Infrastrukturprogramm Italien erheblich verändern könnte, vorausgesetzt, wir haben eine Exportorientierung.

Es muß eine Exportorientierung geben; aber dann muß die Binnenwirtschaft- wie produktiv ist die italienische Wirtschaft? Das hängt davon ab, daß die Zahl der Arbeitslosen - der wirklichen Arbeitslosen - reduziert wird, daß der Lebensstandard der Bevölkerung angehoben wird und daß dadurch neue unternehmerische Möglichkeiten auf dem Binnenmarkt geschaffen werden, indem die Vorteile und Auswirkungen der Infrastruktur mit den Vorteilen kombiniert werden, Menschen aus der Arbeitslosigkeit in produktive Beschäftigung zu bringen.“

Dies waren die weisen Worte von LaRouche im Jahr 2002.

Ich möchte mit einer hoffnungsvollen Botschaft  für Süditalien schließen, die aus der ökonomischen Schule von Neapel, der von Antonio Genovesi,  kommt. Sie inspiriert  noch heute Ökonomen auf der ganzen Welt,  eine Hoffnungsbotschaft, die ich 2014 auf einer Konferenz zum Glass-Steagall-Gesetz in Neapel geben durfte, in der ich Roosevelts Konzeption mit der von Antonio Genovesi verglich. In der Tat kämpften beide für eine zentrale Rolle des Staates in der wirtschaftlichen Entwicklung und für das neu gewonnene Vertrauen der Bürger in den Staat und das Gemeinwohl, das heute leider verlorengegangen ist.

In Neapel gab es tatsächlich  nicht nur die erste Eisenbahn, sondern auch den ersten Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften in Europa, der 1754 Antonio Genovesi (aus Salerno) anvertraut wurde. Mit seiner neuplatonischen und thomistischen Konzeption des Gemeinwohls stellte Genovesi der liberalistischen Konzeption von Adam Smith und der Idee des „Homo Homini Lupus“ [Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf) von Thomas Hobbes eine kooperative und nicht-kompetitive Konzeption des Marktes gegenüber, die der des „öffentlichen Glücks“ von Antonio Muratori entspricht. Diese ist dem „pursuit of happiness“ (Streben nach Glückseligkeit)  der amerikanischen Verfassung sehr ähnlich ist). Sein Lehrstuhl für Handel und Mechanik legte großen Wert auf Technik und Technologie als Grundlage der wirtschaftlichen und zivilen Entwicklung, von den Entdeckungen Leonardo da Vincis bis hin zu technologischen Innovationen in Industrie und Landwirtschaft. Sein innovativstes Konzept war das des „öffentlichen Glaubens“ (fede pubblica, Vertrauen in den Staat, oder wie Filangieri es ausdrückte „Vertrauen in die Regierung, in andere Bürger“). „Der Geist des Handels ist nicht der Geist der Eroberungen, eine große Quelle von Kriegen, wenn er sich mit dem Geist der Gier (Spekulation) und mit dem Geist der Macht verbündet, der den Wunsch erzeugt, Völker zu beherrschen und zu überwältigen, ganz zu schweigen von der Allianz mit der Unterwelt und dem organisierten Verbrechen.“

Genovesi war seiner Zeit voraus. In seinen Vorträgen "Lezioni di commercio ossia di economia civile" (1765) entwickelte er ein Konzept, das der LaRouche-Bewegung, die sich gegen Sanktionen gegen Rußland und China wendet, heute sehr am Herzen liegt, nämlich das der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und des Handels zur Sicherung des Friedens sowie des gesellschaftlichen Zusammenlebens:

„Der Handel verbindet die Nationen mit gegenseitigen Interessen, die nur in einem gemeinsamen Frieden bestehen können. Es ist zwar wahr, daß nicht selten der Gier auf Gewinn und Kontrolle der Meere die Nationen bewaffnet und zum Krieg führt; aber das Interesse des Handels entwaffnet sie in kurzer Zeit.“

Dank der Lehren von Genovesi und der Schule von Neapel und dank der „Vier Gesetze“ von LaRouche, allen voran das Glass-Steagall-Gesetz, wird es möglich sein, den Süden Italiens zu entwickeln, ihn ein für allemal aus den Klauen von Mafia und Camorra zu befreien, die ihre Macht auf Unterentwicklung gründen, und auf diese Weise zur Entwicklung des Mittelmeerraums und des Rests der Welt beizutragen.