Papst Franziskus rief in seiner Neujahrsansprache an das Diplomatische Korps eindringlich zu Frieden durch Verhandlungen und Diplomatie auf.
Es folgen Auszüge, die unserer Redaktion besonders bemerkenswert erscheinen. Der offizielle, vollständige Wortlaut ist hier zu finden: https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2024-01/papst-franziskus-ansprache-diplomaten-neujahr-frieden-konflikte.html
... Liebe Botschafterinnen und Botschafter,
es gibt ein Wort, das an den beiden wichtigsten christlichen Festen in besonderer Weise erklingt. Wir hören es im Gesang der Engel, die in der Nacht die Geburt des Erlösers verkünden, und wir vernehmen es aus dem Mund des auferstandenen Jesus: Es ist das Wort „Frieden“. Er ist in erster Linie ein Geschenk Gottes. Er ist es, der uns seinen Frieden hinterlässt (vgl. Joh 14,27); aber gleichzeitig liegt er auch in unserer Verantwortung: »Selig, die Frieden stiften« (Mt 5,9). Ein Wort, das so zerbrechlich und gleichzeitig so anspruchsvoll und bedeutsam ist. Ihm möchte ich unsere heutige Betrachtung widmen, in einem Moment der Geschichte, in dem er zunehmend bedroht, geschwächt und zum Teil verloren ist. Schließlich ist es die Aufgabe des Heiligen Stuhls, innerhalb der internationalen Gemeinschaft eine prophetische Stimme zu sein und an das Gewissen zu appellieren.
An Heiligabend 1944 richtete Pius XII. eine berühmte Radiobotschaft an die Völker der ganzen Welt. Der Zweite Weltkrieg ging nach mehr als fünf Jahren des Konflikts dem Ende entgegen und die Menschheit – so der Papst – verspürte den immer klareren und festeren Willen, »diesen Weltkrieg, diesen allgemeinen Umsturz zum Ausgangspunkt für ein neues Zeitalter, für eine tiefgreifende Erneuerung«[1] zu machen. Achtzig Jahre später scheint der Antrieb für diese „tiefgreifende Erneuerung“ erloschen zu sein, und die Welt wird von immer mehr Konflikten heimgesucht, die das, was ich wiederholt als „dritten Weltkrieg in Stücken“ bezeichnet habe, langsam in einen echten globalen Konflikt verwandeln.
Ich kann an dieser Stelle nicht umhin, erneut meine Besorgnis über die Geschehnisse in Israel und Palästina zum Ausdruck zu bringen. Wir alle waren schockiert über den Terroranschlag gegen die Bevölkerung in Israel am 7. Oktober, bei dem so viele unschuldige Menschen auf grausame Art und Weise verletzt, misshandelt und getötet und viele als Geiseln genommen wurden. Ich wiederhole meine Verurteilung dieser Aktion und aller Formen des Terrorismus und Extremismus: Dadurch werden die Probleme zwischen den Völkern nicht gelöst, sondern vielmehr verschärft, was überall Leid verursacht. Tatsächlich hat dies eine starke militärische Reaktion Israels im Gazastreifen hervorgerufen, die zum Tod von Zehntausenden von Palästinenserinnen und Palästinensern, zumeist Zivilistinnen und Zivilisten, darunter viele Kinder, Jugendliche und junge Menschen, geführt und eine äußerst ernste humanitäre Situation mit unvorstellbarem Leid verursacht hat.
Ich wiederhole meinen Appell an alle beteiligten Parteien für einen Waffenstillstand an allen Fronten, auch im Libanon, und für die sofortige Freilassung aller Geiseln in Gaza. Ich rufe dazu auf, der palästinensischen Bevölkerung humanitäre Hilfe zukommen zu lassen und Krankenhäusern, Schulen und religiösen Stätten jeden notwendigen Schutz zu gewähren.
Ich hoffe, dass die Internationale Gemeinschaft entschlossen die Zwei-Staaten-Lösung, einen israelischen und einen palästinensischen Staat sowie einen international garantierten Sonderstatus für die Stadt Jerusalem, verfolgen wird, damit Israelis und Palästinenser endlich in Frieden und Sicherheit leben können.
Der derzeitige Konflikt in Gaza führt zu einer weiteren Destabilisierung einer fragilen und spannungsgeladenen Region. Insbesondere darf man das syrische Volk nicht vergessen, das in einer wirtschaftlich und politisch instabilen Situation lebt, die durch das Erdbeben im vergangenen Februar noch verschlimmert wurde. Die internationale Gemeinschaft sollte die beteiligten Parteien dazu ermutigen, einen konstruktiven und ernsthaften Dialog zu führen und nach neuen Lösungen zu suchen, damit das syrische Volk nicht länger unter den internationalen Sanktionen leiden muss. Außerdem bringe ich mein Mitgefühl für die Millionen syrischer Flüchtlinge zum Ausdruck, die sich noch immer in den Nachbarländern wie Jordanien und Libanon aufhalten.
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Leider hat nach fast zwei Jahren des groß angelegten Krieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine der ersehnte Frieden immer noch nicht den Weg in die Köpfe und Herzen gefunden, trotz der zahlreichen Opfer und der enormen Zerstörung. Einen Konflikt, der sich zum Nachteil von Millionen von Menschen immer mehr verfestigt, kann man nicht weiter andauern lassen, sondern man muss dieser Tragödie unter Beachtung des Völkerrechts auf dem Verhandlungsweg ein Ende setzen.
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Wenn wir nun unseren Blick auf Afrika richten, haben wir das Leid von Millionen von Menschen vor Augen, die unter den vielfältigen humanitären Krisen leiden, in denen sich verschiedene Länder südlich der Sahara befinden. Diese sind bedingt durch den internationalen Terrorismus, die komplexen soziopolitischen Probleme und die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels, zu denen noch die Folgen von Militärputschen in einigen Ländern und von bestimmten Wahlprozessen kommen, die von Korruption, Einschüchterung und Gewalt geprägt sind.
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Exzellenzen, meine Damen und Herren,
hinter diesem Bild, das ich kurz und ohne Anspruch auf Vollständigkeit skizzieren wollte, verbirgt sich eine zunehmend zerrissene Welt, aber vor allem Millionen von Menschen – Männer, Frauen, Väter, Mütter, Kinder – deren Gesichter uns meist unbekannt sind und die wir oft vergessen.
Auf der anderen Seite finden moderne Kriege nicht mehr nur auf fest begrenzten Schlachtfeldern statt und sie betreffen auch nicht nur die Soldaten. Wo die Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Zielen nicht mehr beachtet zu werden scheint, gibt es keinen Konflikt, der nicht am Ende auf die ein oder andere Weise unterschiedslos die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft zieht. Die Ereignisse in der Ukraine und im Gazastreifen sind ein klarer Beweis dafür. Wir dürfen nicht vergessen, dass die schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht Kriegsverbrechen sind und dass es nicht ausreicht, sie aufzudecken, sondern dass es notwendig ist, sie zu verhindern. Die internationale Gemeinschaft muss sich daher stärker für den Schutz und die Umsetzung des humanitären Völkerrechts einsetzen, da dies der einzige Weg ist, die Menschenwürde in kriegerischen Konfliktsituationen zu schützen.
Zu Beginn dieses Jahres klingt die Mahnung des Zweiten Vatikanischen Konzils in Gaudium et spes so aktuell wie nie zuvor: »Für den Kriegsfall bestehen verschiedene internationale Konventionen, von einer recht großen Anzahl von Ländern mit dem Ziel unterzeichnet, die Unmenschlichkeit von Kriegshandlungen und -folgen zu mindern. [...] Alle diese Verträge müssen gehalten werden. Außerdem müssen alle, insbesondere die Regierungen und die Sachverständigen, alles tun, um diese Abmachungen nach Möglichkeit zu verbessern und dadurch die Unmenschlichkeiten des Krieges besser und wirksamer einzudämmen.«[2] Auch bei der Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung muss die Verhältnismäßigkeit der Gewaltanwendung beachtet werden.
Vielleicht ist uns nicht klar, dass zivile Opfer keine „Kollateralschäden“ sind. Es sind Männer und Frauen mit Vor- und Nachnamen, die ihr Leben verlieren. Es sind Kinder, die zu Waisen werden und um ihre Zukunft gebracht werden. Es sind Menschen, die hungern, dürsten und frieren, oder die durch die Wirkung der modernen Waffen verstümmelt werden. Wenn wir jedem einzelnen von ihnen in die Augen schauen, sie beim Namen nennen und ihre persönliche Geschichte erzählen könnten, würden wir den Krieg als das erkennen, was er ist: nichts als eine entsetzliche Tragödie und „ein unnötiges Blutbad“[3], das die Würde jedes Menschen auf dieser Erde verletzt.
Auf der anderen Seite können die Kriege dank der enormen Verfügbarkeit von Waffen weitergeführt werden. Es gilt, eine Abrüstungspolitik zu verfolgen, denn es ist illusorisch zu glauben, dass Rüstung einen abschreckenden Effekt hat. Eher das Gegenteil ist der Fall: Die Verfügbarkeit von Waffen ermutigt zu ihrem Einsatz und steigert ihre Produktion. Waffen schaffen Misstrauen und entziehen Ressourcen. Wie viele Leben könnten mit den Mitteln, die heute für Rüstung ausgegeben werden, gerettet werden? Wäre es nicht besser, sie in eine echte globale Sicherheit zu investieren? Die Herausforderungen unserer Zeit machen nicht an den Grenzen halt, wie die verschiedenen Krisen – Ernährungs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Gesundheitskrisen – zeigen, die den Beginn des neuen Jahrhunderts kennzeichnen. An dieser Stelle wiederhole ich den Vorschlag, einen globalen Fonds einzurichten, um endlich den Hunger[4] zu beseitigen und eine nachhaltige Entwicklung des gesamten Planeten zu fördern.
Unter den Bedrohungen, die von solchen Todeswerkzeugen ausgehen, kann ich nicht umhin, die Bedrohung durch Atomwaffenarsenale und die Entwicklung von immer ausgefeilteren und zerstörerischen Sprengkörpern zu erwähnen. Ich wiederhole noch einmal, dass es unmoralisch ist, Atomwaffen herzustellen und zu besitzen. In diesem Zusammenhang bringe ich die Hoffnung zum Ausdruck, dass es baldmöglichst zur Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Wiederherstellung des Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans, besser bekannt unter dem Namen „Atomabkommen mit dem Iran“, kommt, um eine sicherere Zukunft für alle zu gewährleisten.
Um Frieden zu erreichen, genügt es jedoch nicht, nur die Kriegsmittel zu beseitigen, es müssen auch die Ursachen der Kriege ausgemerzt werden, allen voran der Hunger, eine Geißel, von der noch immer ganze Regionen der Erde betroffen sind, während in anderen Regionen massive Lebensmittelverschwendung herrscht. Dann ist da noch die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die einige wenige reich macht und ganze Bevölkerungsgruppen, die eigentlich die natürlichen Nutznießer dieser Ressourcen wären, in Elend und Armut zurücklässt. Damit verbunden ist die Ausbeutung von Menschen, die gezwungen sind, unterbezahlt und ohne echte Aussichten auf eine berufliche Weiterentwicklung zu arbeiten.
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Die Kriege, die Armut und der Missbrauch unseres gemeinsamen Hauses sowie die kontinuierliche Ausbeutung seiner Ressourcen, die den Naturkatastrophen zugrunde liegen, sind auch die Gründe, die Tausende von Menschen dazu bringen, ihre Heimat auf der Suche nach einer Zukunft in Frieden und Sicherheit zu verlassen. Auf ihrer Reise setzen sie ihr Leben auf gefährlichen Routen aufs Spiel, zum Beispiel in der Wüste Sahara, im Darién Gap an der Grenze zwischen Kolumbien und Panama, in Zentralamerika, im Norden Mexikos, an der Grenze zu den Vereinigten Staaten und vor allem im Mittelmeer. Letzteres ist in den vergangenen zehn Jahren leider zu einem großen Friedhof geworden, auf dem sich immer wieder Tragödien ereignen, die auch auf skrupellose Menschenhändler zurückzuführen sind. Unter den vielen Opfern sind, vergessen wir das nicht, auch viele unbegleitete Minderjährige.
Das Mittelmeer sollte stattdessen eine Werkstatt des Friedens sein, ein Ort, »an dem sich verschiedene Länder und Wirklichkeiten auf der Grundlage unseres gemeinsamen Menschseins […] begegnen«[8], wie ich bei meiner Reise nach Marseille anlässlich der Rencontres Méditerranéennes, für die ich den Organisatoren und den französischen Behörden danke, betont habe. Angesichts dieser ungeheuren Tragödie verschließen wir leicht unser Herz und verschanzen uns hinter der Angst vor einer „Invasion“. Wir vergessen leicht, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die Gesichter und Namen haben, und wir ignorieren die eigentliche Berufung des Mare Nostrum, das kein Grab sein soll, sondern ein Ort der Begegnung und der gegenseitigen Bereicherung zwischen Menschen, Völkern und Kulturen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Migration reguliert werden muss, damit Migranten aufgenommen, gefördert, begleitet und integriert werden können, unter Berücksichtigung der Kultur, des Empfindens und der Sicherheit der Bevölkerungsgruppen, die die Aufnahme und Integration übernehmen. Andererseits muss auch an das Recht erinnert werden, im eigenen Land bleiben zu können, und an die daraus resultierende Notwendigkeit, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass dies auch tatsächlich geschehen kann.
Angesichts dieser Herausforderung darf kein Land allein gelassen werden, noch ist es denkbar, das Problem isoliert durch restriktivere und repressivere Gesetze anzugehen, die manchmal unter dem Druck der Angst oder zur Steigerung der Wählergunst verabschiedet werden. Ich begrüße daher das Bestreben der Europäischen Union, mit der Einführung des neuen Migrations- und Asylpakts eine gemeinsame Lösung zu finden, auch wenn ich einige Grenzen dieses Paktes sehe, insbesondere hinsichtlich der Anerkennung des Rechts auf Asyl und der Gefahr willkürlichen Freiheitsentzugs.
….Gleichzeitig stelle ich mit Bedauern fest, dass sich vor allem im Westen eine Kultur des Todes ausbreitet, die im Namen eines vorgetäuschten Mitleids Kinder, Alte und Kranke aussondert.
Der Weg des Friedens erfordert die Achtung der Menschenrechte, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, deren 75-jähriges Bestehen wir kürzlich gefeiert haben, einfach und klar formuliert sind. Es handelt sich dabei um rational einleuchtende und allgemein anerkannte Grundsätze. Leider haben die Versuche der letzten Jahrzehnte, neue Rechte einzuführen, die nicht ganz mit den ursprünglich definierten übereinstimmen und nicht immer akzeptabel sind, zu ideologischen Kolonisierungen geführt, unter denen die Gender-Theorie eine zentrale Rolle spielt, die sehr gefährlich ist, weil sie mit ihrem Anspruch, alle gleich zu machen, die Unterschiede auslöscht. Solche ideologischen Kolonisierungen dienen nicht der Schaffung von Frieden, sondern führen vielmehr zu Wunden und Spaltungen zwischen den Staaten.
Der Dialog hingegen muss die Seele der internationalen Gemeinschaft sein. Die aktuelle Situation ist auch auf eine Schwächung der Strukturen der multilateralen Diplomatie zurückzuführen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Die Organisationen, die zur Förderung von Sicherheit, Frieden und Zusammenarbeit geschaffen wurden, sind nicht mehr in der Lage, alle ihre Mitglieder an einem Tisch zu vereinen. Es besteht die Gefahr einer „Monadologie“ und einer Aufsplitterung in „Clubs“, die nur Staaten akzeptieren, die als ideologisch gleichgesinnt gelten. Selbst bislang gut funktionierenden Organisationen, die sich auf das Gemeinwohl und technische Fragen konzentrieren, droht eine Lähmung durch ideologische Polarisierung, da sie von einzelnen Staaten instrumentalisiert werden.
Um ein gemeinsames Engagement für den Frieden wieder neu zu beleben, müssen wir uns auf die Wurzeln, den Geist und die Werte besinnen, aus denen diese Organisationen entstanden sind. Dabei ist der veränderte Kontext zu berücksichtigen und zugleich müssen auch jene in den Blick genommen werden, die sich durch die Strukturen der internationalen Organisationen nicht angemessen abgebildet fühlen.
Dialog erfordert natürlich Geduld, Beharrlichkeit und die Fähigkeit zuzuhören, aber wenn man einen aufrichtigen Versuch unternimmt, Unstimmigkeiten zu beenden, können bedeutende Ergebnisse erzielt werden. Ich denke da zum Beispiel an das Abkommen von Belfast, auch bekannt als Karfreitagsabkommen, das von der britischen und der irischen Regierung unterzeichnet wurde und dessen 25-jähriges Bestehen letztes Jahr begangen wurde. Es beendete einen dreißigjährigen gewaltsamen Konflikt und kann als Beispiel dienen, um die Verantwortlichen anzuspornen und zu ermutigen, an Friedensprozesse zu glauben, trotz der Schwierigkeiten und Opfer, die sie erfordern.
Der Weg des Friedens führt über einen politischen und gesellschaftlichen Dialog, denn er ist die Grundlage für ein ziviles Zusammenleben in einer modernen politischen Gemeinschaft. Im Jahr 2024 werden in vielen Staaten Wahlen abgehalten. Wahlen sind ein grundlegendes Moment im Leben eines Landes, da sie allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, ihre Regierenden verantwortungsvoll zu wählen. Die Worte von Pius XII. klingen aktueller denn je: »Seine Meinung sagen über die ihm auferlegten Pflichten und Opfer und nicht gezwungen sein zu gehorchen ohne angehört zu werden: das sind zwei Rechte des Bürgers, die in der Demokratie, wie schon ihr Name sagt, ihren Ausdruck finden. Aus der Festigkeit, der Übereinstimmung und den Erfolgen dieser Berührung zwischen Bürgern und Regierung kann man erkennen, ob eine Demokratie gesund und im Gleichgewicht und wie stark ihre Lebenskraft und Entwicklungsfähigkeit ist«[9].
Deshalb ist es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger, vor allem die jüngeren Generationen, die zum ersten Mal an die Urnen gerufen sind, es als ihre vorrangige Verantwortung empfinden, durch eine freie und bewusste Teilnahme an den Wahlen zum Aufbau des Gemeinwohls beizutragen. Auf der anderen Seite sollte Politik nie als Aneignung von Macht, sondern als »herausragende Form der Nächstenliebe«[10] und damit als Dienst am Nächsten innerhalb einer lokalen oder nationalen Gemeinschaft verstanden werden.
Der Weg des Friedens führt auch über den interreligiösen Dialog, der zuallererst den Schutz der Religionsfreiheit und die Achtung von Minderheiten erfordert. Es schmerzt beispielsweise, dass es immer mehr Länder gibt, wo unter massivem Einsatz von Technik Modelle einer zentralisierten Kontrolle über die Religionsfreiheit zur Anwendung kommen. An anderen Orten befinden sich religiöse Minderheitengemeinschaften oft in einer zunehmend dramatischen Situation. In einigen Fällen sind sie vom Aussterben bedroht, und zwar durch eine Kombination aus terroristischen Aktionen, Angriffen auf das kulturelle Erbe und subtileren Maßnahmen wie der Ausweitung von Anti-Konversionsgesetzen, der Manipulation von Wahlvorschriften und finanziellen Restriktionen.
Besonders besorgniserregend ist die Zunahme antisemitischer Akte in den letzten Monaten, und ich möchte noch einmal betonen, dass dieses Übel aus der Gesellschaft ausgemerzt werden muss, vor allem durch Erziehung zur Geschwisterlichkeit und zur Akzeptanz des Anderen.
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[I]n diesem Jahr bereitet sich die Kirche auf das Heilige Jahr (2025) vor, das an Weihnachten beginnen wird. Ich danke insbesondere den italienischen Autoritäten, sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene, für die Anstrengungen, die sie unternehmen, um die Stadt Rom auf den Empfang zahlreicher Pilger vorzubereiten und ihnen eine geistlich fruchtbare Teilnahme am Heiligen Jahr zu ermöglichen.Vielleicht brauchen wir das Heilige Jahr heute mehr denn je. Angesichts von so viel Leid, das nicht nur bei den direkt Betroffenen, sondern in allen unseren Gesellschaften Verzweiflung hervorruft; angesichts unserer jungen Menschen, die sich, anstatt von einer besseren Zukunft zu träumen, oft ohnmächtig und entmutigt fühlen; und angesichts der Dunkelheit dieser Welt, die sich eher auszubreiten als zu verringern scheint, ergeht mit dem Jubiläumsjahr die Botschaft, dass Gott sein Volk niemals im Stich lässt und die Türen seines Reiches immer offenhält. In der jüdisch-christlichen Tradition ist das Jubeljahr eine Zeit der Gnade, in der wir Gottes Barmherzigkeit und die Gabe seines Friedens erfahren. Es ist eine Zeit der Gerechtigkeit, in der die Sünden vergeben werden, in der die Versöhnung die Ungerechtigkeit überwindet und in der die Erde zur Ruhe kommt. Es kann für alle – Christen und Nichtchristen gleichermaßen – zu einer Zeit werden, in der die Schwerter zerbrochen und zu Pflugscharen gemacht werden; zu einer Zeit, in der ein Volk nicht mehr das Schwert gegen ein anderes Volk erhebt und die Kunst des Krieges nicht mehr gelernt wird (vgl. Jes 2,4).
Dies ist mein Herzenswunsch für jeden von Ihnen, liebe Botschafter und Botschafterinnen, für Ihre Familien, für Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und für die Völker, die Sie repräsentieren. Danke und allen ein gutes neues Jahr!