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Prinzipien der Außen- und Wirtschaftspolitik in der anbrechenden Ära der "Neuen Seidenstraße"

Die zweite eurasische Landbrücke

[i]Von Helga Zepp-LaRouche[/i]

[i]Am 27. Oktober 1998 sprach die Vorsitzende des Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche auf der internationalen Konferenz "Asiatisch-europäische Wirtschafts- und Handelsbeziehungen im 21. Jahrhundert und die zweite Eurasische Landbrücke" in der chinesischen Hauptstadt Beijing. Frau Zepp-LaRouche hatte bereits im Mai 1996 an dem ersten "Internationalen Symposium über die Entwicklung der Regionen entlang der neuen Eurasischen Landbrücke" teilgenommen. Ihre Rede auf der Eröffnungssitzung der Konferenz geben wir hier wieder.[/i]

Die derzeitige Kernschmelze des Weltfinanzsystems stellt eine ungeheure Gefahr für den Fortbestand ganzer Nationen und ihrer Einwohner dar, aber die tiefgreifende Diskreditierung der mit diesem System verbundenen Institutionen bietet zugleich auch eine einzigartige Chance: Die ungerechten Prinzipien der alten politischen und wirtschaftlichen Ordnung können durch neue, gerechte Prinzipien ersetzt werden, welche das Überleben aller Nationen sicherstellen.

Um kurz die Entwicklung der internationalen Beziehungen seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu verdeutlichen: Es war die feste Absicht des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, das britische Kolonialsystem zu beenden -- eine Ansicht, die er in seinem bekannten Streit mit dem britischen Premierminister Winston Churchill auf der Casablanca-Konferenz unzweideutig zum Ausdruck brachte. Roosevelts frühzeitiger Tod hinterließ allerdings eine Lücke, daher gründete die aufkommende Nachkriegsordnung auf einer Vielzahl unterschiedlicher Grundsätze. Auf der einen Seite beinhaltete das System von Bretton Woods einige nützliche Elemente -- z.B. feste Wechselkurse, begrenzte Konvertierbarkeit bestimmter Währungen, einen Goldreservestandard usw. -- womit nicht nur das "Wirtschaftswunder" in Deutschland und Japan möglich wurde, sondern auch eine allgemeine Phase des Wachstums und der Stabilität der Industrienationen. Auf der anderen Seite wurden die sogenannten Entwicklungsländer von Anfang an in eine relativ benachteiligte Lage gebracht. Auch der Beginn des Kalten Krieges, der die Geschicke der Welt einem Konflikt unterordnete, in dem die Sowjetunion und der Westen gegeneinander ausgespielt wurden, war ein ernster Rückschlag. Aber trotz dieser Fehler funktionierte das System relativ gut, weil es den meisten Teilen der Weltwirtschaft ein reales Wachstum ermöglichte.

Aber nach der Kuba-Raketenkrise 1962 und der Ermordung von US-Präsident Kennedy (1963) entschloß sich die internationale Finanzoligarchie, in die Grundüberzeugungen der Bevölkerung und der Institutionen des Westens bestimmte axiomatische Veränderungen einzuführen. Dieser bewußt herbeigeführte Wertewandel vollzog sich im kulturell-moralischen Bereich wie auch in vergleichbarer Weise in der Wirtschaftspolitik. In erster Instanz war es die Sex-Rock-Drogen-Gegenkultur, die zur moralischen und intellektuellen Erosion des Westens führte. Auf dem Feld der Ökonomie beeinflußten entsprechende neoliberale Ideen -- wie die Utopie der nachindustriellen Dienstleistungsgesellschaft -- die Regierungen, die dann Rahmenbedingungen schufen, unter denen man immer weniger in kapitalintensive und hochtechnologische Bereiche investierte. Als Folge verschob sich die Vorstellung darüber, wie Einkommen geschaffen wird, weg von der Industrie und Landwirtschaft hin zum Streben nach "schnellem Profit" in der Finanzwelt.

[/url] [h4]Ende des Bretton-Woods-Systems[/h4] Die Dollar-Abwertung nach dem Kollaps des britischen Pfundes im November 1967 war der erste Schlag gegen die Stabilität des Systems; er führte zu einer Lage, in der Präsident Nixon 1971 den Dollar von der Goldreserve abkoppelte und somit die Einführung eines "Eurodollar-Marktes" erlaubte. Die Fähigkeit der Kreditschöpfung verlagerte sich von den souveränen Regierungen hin zu privaten Finanzinteressen und unregulierten "Offshore"-Märkten. Mitte der 70er Jahre entschied sich die anglo-amerikanisch dominierte Finanzoligarchie dazu, eine, wie sie es nannte, "kontrollierte Desintegration der Weltwirtschaft" einzuleiten -- was auf der ausdrücklichen Absicht gründete, mögliche "merkantilistische" Tendenzen im Entwicklungssektor nicht hinzunehmen.

In dieser Zeit verschärfte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine "Auflagen" gegenüber der sog. Dritten Welt drastisch und zwang diese Länder immer wieder zu Währungsabwertungen. Das verteuerte ihre notwendigen Importe von Hochtechnologie, während ihre Exporterlöse zugleich verringert wurden. Damit waren sie gezwungen, mehr für die Bedienung ihre Schulden und weniger für ihre soziale Belange auszugeben. Der IWF operierte zunehmend nicht nur als ökonomische, sondern als eine politische Institution, die sich in die Haushaltspolitik einmischte und autoritäre und korrupte Regime unterstützte, während fortschrittliche Regierungen stark beeinträchtigt wurden. Diese finanzielle Destabilisierung und die Einmischung in innere Angelegenheiten der Entwicklungsländer verkehrte die Idee der politischen Unabhängigkeit in ihr krasses Gegenteil. Zugleich benutzten die westlichen Medien ihren weitreichenden Einfluß dazu, die westliche Unkultur von Hollywood und ähnliches in einer Weise zu verbreiten, die man nur als "kulturellen Imperialismus" bezeichnen kann.

Es folgte eine ganze Serie von Deregulierungen der internationalen Finanzmärkte, die den Boden für immer wildere Formen der Spekulation legte. Waren schon der Insiderhandel, die "feindlichen Firmenübernahmen" und die "Ramschanleihen" der 80er Jahre krimineller Natur, so ist es das krebsartige Wachstum der Derivat-Märkte in den 90ern um so mehr. Dennoch verteidigen alle Finanzinstitutionen und Regierungen des Westens die mit diesen Formen der Jagd nach dem schnellen Geld verbundenen Illusionen.

Ein wesentliches Ziel des oben beschriebenen Wertewandels, auf welches die internationalen oligarchischen Kräfte große Anstrengungen verwandten, war es, den souveränen Nationalstaat abzuschaffen -- und damit dessen Möglichkeit, dem Allgemeinwohl der Völker zu dienen --, weil er die Fähigkeit der Oligarchie gefährdete, die Allgemeinheit auszuplündern. Wenn man sich durch Etiketten nicht blenden läßt, dann bedeutet die "Globalisierung" nichts anderes als ein neofeudales Weltsystem, das die Produktion dahin "outsourcen" wird, wo die Sklavenarbeit am billigsten ist. Die Freihandelspolitik hat die Weltwirtschaft -- mit sehr wenigen Ausnahmen wie China -- in eine weltweite Sklavenplantage verwandelt.

[/url] [h4]Wendepunkt 1989/90[/h4] Ein wichtiger Wendepunkt in diesem Prozeß war die Öffnung der Mauer zwischen Ost- und Westeuropa, die von vielen richtig als die große historische Chance für Europa in diesem Jahrhundert beschrieben wurde. In der Tat wurde damit die Chance eröffnet, die Beziehungen zwischen Ost und West, Nord und Süd auf eine völlig neue Grundlage zu stellen. Aber der amerikanischen Ökonom Lyndon LaRouche warnte bereits im November 1989: Sollte dem kollabierenden Sowjetsystem das bereits damals bankrotte System der "freien Marktwirtschaft" übergestülpt werden, so werde der Osten auf das Niveau eines Rohstofflieferanten der Dritten Welt zurückgeworfen, und ein noch dramatischerer Einbruch der Weltwirtschaft werde die Folge sein. LaRouche schlug statt dessen vor, auf Grundlage der Prinzipien der physikalischen Ökonomie Infrastruktur-Entwicklungskorridore von Westeuropa nach Osteuropa zu errichten, ähnlich denen, die jetzt für die Eurasische Landbrücke vorgesehen sind.

Bedauerlicherweise wurden diese Vorschläge verworfen, und den Wirtschaften im Osten wurde das sog. "IWF-Reformpaket" aufgezwungen, was zu der absehbaren Katastrophe führte. Das wiedervereinigte Deutschland wurde von den ehemaligen Besatzungsmächten nicht nur gezwungen, seine harte D-Mark aufzugeben, sondern sich auch der Finanzordnung zu unterwerfen, die für den gegenwärtigen Kollaps direkt verantwortlich ist.

Die derzeitige Derivat-Blase ist die größte Spekulationsblase in der Geschichte der Finanzmärkte -- und sie wird ebenso sicher platzen wie die früheren, viel kleineren Blasen, wie etwa die holländische Tulpen-Blase und das Kartenhaus des John Law. Dieses System ist jetzt in seiner Endphase, und es wird dieses Jahr nicht überstehen. Die einzige Frage ist: Wird die ganze Welt mit untergehen, oder wird eine verantwortliche Gruppe von Nationen rechtzeitig die Initiative ergreifen, um das alte bankrotte System durch ein neues zu ersetzen?

Sobald klar erkannt ist, daß das alte, im wesentlichen noch koloniale System kollabiert, ist es wichtig, die Prinzipien aufzustellen, sich darüber zu verständigen, wie die Grundlage der neuen Ära der Menschheit beschaffen sein muß.

[/url] [h4]Prinzipien der Zusammenarbeit[/h4] Für die unmittelbare Not-Reorganisation stellen die Erfahrungen der Bewegung der Nichtpaktgebundenen Staaten einen nützlichen Bezugspunkt dar, und eine Lehre, um die Fehler von damals zu vermeiden. Der wesentliche Grund, warum die Gruppe der nichtpaktgebundenen Staaten trotz hervorragender Absichten relativ wirkungslos blieb, bestand darin, daß sie es zuließen, selbst zu einer Art Spiegelbild der Vereinten Nationen zu werden. Und zwar in dem Sinne, daß viele Mitgliedsländer die Blockfreien als Forum benutzten, um "ihr" Problem oder "ihre" Interessen vorzubringen, die in Gegensatz zu irgendeinem anderen Mitgliedsland standen. Diese Haltung erleichterte es supranationalen Kräften, die Lage zu manipulieren. Wegen dieser Kurzsichtigkeit konnten die Mitgliedsländer nicht einmal Konflikte und Kriege untereinander verhindern.

Wenn die neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung funktionieren soll, muß das klassische philosophische Paradox des Einen und des Vielen angesprochen werden: Die Entwicklung der ganzen Menschheit muß das einigende Prinzip muß sein, und es muß ein intelligibles wissenschaftliches Prinzip geben, wie diese Entwicklung zu messen ist. Gleichzeitig müssen die Prinzipien nationaler Souveränität absolut garantiert sein. Die Weltgeschichte zeigt, daß es zwischen diesen beiden Ideen keinen Gegensatz geben muß.

Das Erscheinen des modernen Nationalstaates im 15. Jahrhundert war eine bahnbrechende Leistung der Renaissance in der europäischen Geschichte. Bis zu diesem Zeitpunkt lebten 95% der Bevölkerung in einem Zustand von Sklaverei und Knechtschaft. Nur 5% der Bevölkerung konnten Lesen und Schreiben und nahmen an der Kultur der jeweiligen Zivilisation Anteil. Die Gesellschaft war durch imperiale Herrschaftsstrukturen gekennzeichnet, die noch in keiner Weise als Staaten bezeichnen konnte.

Zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert gewann der Begriff der Souveränität in einer sich vertiefenden Debatte über Staatstheorie an Bedeutung. Es entstand eine Vielzahl von Denkschriften darüber, was es bedeute, Souveränität zu erlangen, indem kein "oberster Herrscher" akzeptiert werde und man gegenüber andern Ländern als souveräner Staat auftrete. Nur langsam wurde durch die Beiträge solcher Philosophen und Dichter wie Raimundus Lullus und Dante Alighieri die Vorstellung entwickelt, daß die Herrscher dem Allgemeinwohl des Volkes verpflichtet seien und daß Adel nicht durch Geburt oder Besitz, sondern durch die Selbstveredelung des Individuums definiert werde -- Ideen, die eine tiefe Verwandtschaft zu den Gedanken von Konfuzius und Menzius aufweisen. Thomas von Aquin und andere entwickelten das Argument, daß das Gemeinwohl durch das Naturrecht, welches der Mensch mittels seiner Vernunft erkennen kann, wiß- und meßbar sei.

Der Aufbau des ersten Nationalstaats unter Ludwig XI. im Frankreich des 15. Jahrhunderts verwirklichte in der Praxis das Konzept, daß Wissenschaft und technischer Fortschritt die Vorbedingungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen sind und daß der Staat daher verpflichtet ist, diesen Fortschritt zu fördern und den Anteil der "Intellektuellen" innerhalb der Gesamtbevölkerung zu steigern. Aber der wichtige Durchbruch bei der Herausbildung des modernen Nationalstaates war die Entwicklung des repräsentativen Systems durch Nikolaus von Kues, womit erstmals die Idee von der Verantwortlichkeit der Herrscher konkretisiert wurde. Auch wurde das vorher hierarchisch von oben nach unten verlaufende Rechtsverhältnis von einem auf gegenseitiger Verantwortung basierenden Rechtsverhältnis zwischen Regierenden und Regierten abgelöst. Das Konzept der Teilnahme an der Selbstregierung und damit die Idee der unveräußerlichen Rechte jedes Menschen wurde erstmals aufgebracht. 300 Jahre später würden diese Konzepte die erste explizit anti-oligarchische Verfassung formen: die Verfassung der amerikanischen Gründerväter.

[/url] [h4]Ökonomie im souveränen Nationalstaat[/h4] Der Grund, warum in den Prinzipien einer zukünftigen gerechten neuen Weltwirtschaftsordnung jede supranationale Institution grundsätzlich abgelehnt werden muß, liegt auf der Hand. Nur der souveräne Nationalstaat verkörpert das Prinzip der Verantwortlichkeit und schützt damit die Rechte des Individuums. Im Gegensatz zu den falschen Annahmen der bankrotten "freien Marktwirtschaft" bildet nicht die Fähigkeit, "billig zu kaufen und teuer zu verkaufen", die Quelle des Reichtums einer Gesellschaft, sondern allein das kreative Potential des Individuums, und daher ist es nicht nur die Pflicht, sondern das reine Selbstinteresse eines Staates, die maximale Entwicklung aller Bürger zu fördern.

Der individuelle kreative Geist ist fähig, immer wieder zutreffende Hypothesen über die Gesetze des Universums aufzustellen, welche in ihrer Folge die Grundlage für wissenschaftlichen und technischen Fortschritt bilden. Wenn dieser Fortschritt etwa in stetig verbesserte Entwürfe von Werkzeugmaschinen umgesetzt wird und diese neuen Werkzeugmaschinen in den Produktionsprozeß eingeführt werden, steigert dies sowohl die Arbeitsproduktivkraft als auch die industrielle Erzeugung. In den bevorstehenden Verhandlungen über eine neue Bretton-Woods-Konferenz, aber auch in den Übereinkünften über neue Handels- und Zollvereinbarungen muß dies berücksichtigt werden.

Heute hat der amerikanische Ökonom Lyndon LaRouche wissenschaftlich intelligible Meßkriterien für das Allgemeinwohl und den notwendigen Wirtschaftsaufbau entwickelt. LaRouches Begriff der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte, welche als Zu- oder Abnahme einer damit zusammenhängenden Funktion gemessen werden kann, ist langfristig betrachtet der Maßstab für eine erfolgreiche Gesellschaft. Unter Bevölkerungsdichte versteht man genau das, was es auf den ersten Blick erscheint: die durchschnittliche Zahl der Menschen, die auf einem Quadratkilometer leben und erhalten werden kann. Der Anstieg der aktuellen und potentiellen Bevölkerungsdichte im Laufe des letzten Jahrtausends auf gegenwärtig etwa 5,5 Mrd. Menschen in der Welt geht darauf zurück, daß es gelungen ist, wissenschaftlich-technischen Fortschritt über eine langen Zeitraum immer wieder neu hervorzubringen, zu verbreiten und umzusetzen.

Die Veränderung der Produktivität pro Quadratkilometer und pro Kopf spiegelt sich in folgenden qualitativen Veränderungen wider:

1. Die Effektivität jedes für die Produktion und menschliche Besiedlung genutzten Quadratkilometers muß steigen.

2. Die Arbeitsproduktivität im Produktionsprozeß muß steigen.

3. Der materielle Lebensstandard pro Kopf und Haushalt -- gemessen an einem Warenkorb -- muß steigen.

Wenn man diesen Parametern folgt, stellt man fest, daß die Menge von Land, die notwendig ist, um einen Menschen zu versorgen, immer kleiner wird, während gleichzeitig der notwendige materielle Verbrauch ansteigt.

Bei anhaltender Arbeitsproduktivität in bezug auf reale Güter und entsprechendem Anstieg des Pro-Kopf-Verbrauchs zeigen sich folgende Entwicklungstendenzen:

4. Der Energiefluß pro Kopf und Quadratkilometer muß steigen.

5. Die Effektivität pro Landeinheit im Produktionsprozeß muß tendenziell steigen.

Mit diesen Verbesserungen der Realwirtschaft ist auch eine Änderung der sozialen Charakteristika verbunden:

6. Das Verhältnis städtischer zu ländlicher Bevölkerung steigt, bis es scheinbar asymptotisch an einer Obergrenze anlangt.

7. Der Anteil der Beschäftigten in der Produktion von Kapitalgütern steigt gegenüber den Beschäftigten in der Konsumgüterproduktion.

Bei diesen Veränderungen sinkt die Erzeugung von Agrar- und Konsumgütern für den Verbrauch der Haushalte nicht, sondern steigt pro Kopf und Quadratkilometer. Unter diesen Bedingungen kommt es zu folgenden demographischen Veränderungen:

8. Das Alter, in dem der einzelne in den Arbeitsprozeß eintritt, steigt.

9. Es kommt zu einer Verschiebung von arbeitsintensiver Beschäftigung hin zu energieintensiver Beschäftigung.

Alle diese Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt und maximiert werden. Alle zusammen illustrieren sie den Zusammenhang zwischen technischem Fortschritt und dem Anstieg der potentiellen Bevölkerungsdichte. Selbst bei Ländern mit unterschiedlichen Entwicklungsstufen dienen sie als Leitlinie für die Richtung, in welche die Gesellschaft gehen sollte.

Aus offensichtlichen Gründen sollte die zweite Eurasische Landbrücke als Eckstein des globalen Wiederaufbaus der Weltwirtschaft -- Afrika und Iberoamerika nachdrücklich eingeschlossen -- den konkreten Rahmen für die oben aufgezählten Prinzipien bilden. Die beteiligten souveränen Nationen sollten sich nicht nur darin einig sein, daß der Bau der Landbrücke in ihrem gemeinsamen Interesse ist. Zusätzlich sollten sie auch darin übereinstimmen, daß die Anwendung der genannten Prinzipien nicht nur in ihrem ureigensten Interesse liegt, sondern daß es ebenso in ihrem ureigensten Interesse ist, wenn auch alle anderen souveränen Nationen sie anwenden. In diesem Fall ist eine friedliche Zusammenarbeit im gegenseitigen Interesse aller garantiert.

Schon im 15. Jahrhundert erkannte Nikolaus von Kues, daß die Entwicklung jeder neuen Wissenschaft und jeder Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis für die Menschheit so wertvoll ist, daß alle Nationen unmittelbar Zugang dazu erhalten sollten, um ihre Entwicklung zu erleichtern. Er schlug daher eine Art internationalen "Pool" vor, in dem alle Entdeckungen gesammelt werden sollten, damit alle Nationen Zugang dazu haben. Diese Ablehnung technologischer Apartheid sollte in die Neue Weltwirtschaftsordnung übernommen werden.

Dies Programm weltweiten Wiederaufbaus zum Wohle aller Nationen wird nur erfolgreich sein, wenn es mit einer neuen kulturellen und moralischen Renaissance verbunden wird. Studiert man die arabische Renaissance des 8. Jahrhunderts, die neokonfuzianische Renaissance des 12. Jh., die italienische Renaissance des 15. Jh. und die klassische Periode in Deutschland Ende des 18. und Anfang des 19. Jh., so sieht man, daß sie sich stets wieder dem Besten zuwandten, was die Menschheit bis zu diesem Zeitpunkt geschaffen hatte, um aus diesem reichen Erbe etwas Neues und Höheres zu schaffen. Deshalb ist der Weg in die Zukunft für uns heute klar.

Wir müssen nur das Beste nehmen, was die chinesische, die europäische und andere Kulturen zur Weltgeschichte beigetragen haben, und unsere eigene Kultur, angereichert durch das Genie der anderen, wieder aufgreifen und uns durch sie inspirieren lassen, zu einem neuen Goldenen Zeitalter der Menschheit beizutragen.