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Provokationen der Ukraine könnten einen Weltkrieg auslösen

eine Analyse von Harley Schlanger

Nach dem Regimewechsel-Putsch gegen die gewählte Regierung der Ukraine im Februar 2014 – der ohne die offene Unterstützung der Vereinigten Staaten und anderer NATO-Staaten nicht möglich gewesen wäre – warnte die russische Führung wiederholt, ein NATO-Beitritt der Ukraine sei für Rußland eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf. Die stetige NATO-Osterweiterung nach der friedlichen Auflösung des Warschauer Paktes 1991 war ein offener Bruch der damaligen Zusagen an die sowjetische Führung, keine NATO-Truppen näher an Rußland heranzuführen.

Aus diesem Grund hatte die Unterzeichnung des Präsidialdekrets Nr. 117/2021 durch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij am 24. März, das die Rückeroberung der Krim von Rußland zur offiziellen ukrainischen Politik erklärt, einen dramatischen Anstieg der Spannungen zur Folge. Als Rußland mehr Truppen ins Grenzgebiet verlegte – nach Angaben Moskaus für ein länger geplantes Übungsmanöver – und seine Streitkräfte auf der Krim verstärkte, riefen die USA für ihre Streitkräfte in Europa die höchste Alarmstufe aus. Zwischen ukrainischen Streitkräften und Verteidigungseinheiten der „abtrünnigen Republiken“ Lugansk und Donezk kam es zu Scharmützeln, ukrainische Kräfte feuerten Granaten auf den Donbaß ab und brachen damit den wackeligen Waffenstillstand.

Die Spannungen stiegen noch weiter an, als US-Präsident Biden gegenüber Selenskij die „unerschütterliche Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine angesichts der anhaltenden Aggression Rußlands im Donbass und auf der Krim“ bekräftigte. Auf Bidens Gespräch mit Selenskij folgte eine Reihe von Gesprächen hoher Regierungsmitglieder mit ihren ukrainischen Amtskollegen, darunter Telefonate von Außenminister Blinken, Sicherheitsberater Sullivan, Verteidigungsminister Austin und Generalstabschef Gen. Milley.

Vorstoß für NATO-Mitgliedschaft der Ukraine

Gleichzeitig trat Selenskij die Flucht nach vorn an. Am 5. und 6. April sprach er mit dem britischen Premierminister Boris Johnson, dem kanadischen Premierminister Trudeau und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg über die Krise und den Wunsch der Ukraine, in die NATO aufgenommen zu werden. Gegenüber letzterem forderte er laut einem Bericht seines Büros eine stärkere NATO-Präsenz im Schwarzen Meer als eine „starke Abschreckung für Rußland“, dem er eine fortgesetzte „großangelegte Militarisierung der Region“ und „die Handelsschifffahrt behindernde“ Maßnahmen vorwarf. Auf die Erklärung, die Ukraine müsse erst militärische Reformen durchführen, um sich für eine
Mitgliedschaft zu qualifizieren, antwortete er, man habe sich zu Reformen verpflichtet, „aber Reformen allein werden Rußland nicht aufhalten. Die NATO ist der einzige Weg, den Krieg im Donbaß zu beenden.“ Die Annahme eines Aktionsplans zur NATO-Mitgliedschaft der Ukraine (MAP) wäre „ein echtes Signal an Rußland“.

Am 6. und 7. April hielt sich der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses und ranghohe Militärberater Stoltenbergs, der britische Air Chief Marshal Sir Stuart Peach, zu einem Treffen mit Selenskij in Kiew auf. Er traf auch mit dem Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Generaloberst Ruslan Chomtschak, zusammen. Nach dem Treffen mit Selenskij sagte er, die NATO verurteile Rußlands „illegale Annexion der Krim und sein aggressives Vorgehen in der Ostukraine“, und bekräftigte: „Die Ukraine ist einer der engsten und wichtigsten Partner der NATO.“ Die angebliche „Annexion“ der Krim fand vor fast sieben Jahren statt, nachdem deren Bevölkerung mit überwältigender
Mehrheit für den Wiederanschluß an Rußland gestimmt hatte.

Während dieser Vorstoß, die Ukraine in die NATO zu bringen, voranschreitet, hält die NATO die Übung Defender Europe 2021 ab, um sich auf eine mögliche militärische Konfrontation mit Rußland vorzubereiten. Der Vertreter der Ukraine in der Trilateralen Donbaß-Kontaktgruppe, Alexej Arestowitsch, sagte dem YouTube-Kanal UKRLife.TV, die Übung diene der Koordinierung von Aktionen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer zur Vorbereitung auf „Krieg mit Rußland, das Szenario der bewaffneten Konfrontation mit Rußland“. Die Manöver werden sich über den gesamten Mai und Juni hinziehen und die größten seit 25 Jahren sein, mit einer Beteiligung von 28.000 Soldaten aus 26 Ländern, darunter die Ukraine.

Angesichts dieser Provokationen äußerte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Zweifel daran, ob Präsident Wolodymyr Selenskij die ukrainische Armee entlang der im  Waffenstillstand festgelegten Kontaktlinie am Donbaß überhaupt unter Kontrolle hat. „Bisher können wir keine Anzeichen dafür sehen, daß die ukrainische Seite sich etwas beruhigen, die kriegerische Rhetorik hinter dem Gerede über eine imaginäre Bedrohung fallen lassen und die Kontrolle über ihre Armeeeinheiten übernehmen will, die direkt entlang der Kontaktlinie stationiert sind und die oft zu einer Quelle von Provokationen werden“, sagte er laut TASS.

Er fuhr fort: „Es ist wichtig, sicherzustellen, daß nichts die ukrainischen Streitkräfte dazu anstiftet, Feindseligkeiten gegen ihr eigenes Volk zu begehen, die Menschen, die in den selbsternannten Republiken leben.“

Systematische Aufwiegelung

Die Denkfabrik Atlantic Council, die mit Falken aus den USA und anderen NATO-Ländern bestückt ist, gehört zu den Institutionen mit Verbindungen zur Biden-Administration, die einen Konflikt zwischen der NATO und Rußland über die Ukraine schürt. Bemerkenswert ist ein Bericht vom 16. Februar mit dem Titel: „Warum ist die Ukraine immer noch nicht in der NATO?“ Er nimmt Bezug auf ein Interview, das Selenskij dem Nachrichtendienst Axios am 23. Januar nur wenige Tage nach Bidens Amtsantritt gegeben hatte. Auf die Frage, was er Biden sagen würde, wenn sie zum ersten Mal miteinander sprechen, antwortete Selenskij, er würde eine einfache Frage stellen: „Herr Präsident, warum sind wir noch nicht in der NATO?“

In dem Interview sagt er, wenn die Ukraine bereits in der NATO wäre, „hätte es keine Eskalation im Osten der Ukraine gegeben“. Wenn die Ukraine jetzt vom Kreml angegriffen wird, „wer ist dann der Nächste? Es könnte jedes europäische Land sein, es könnten die Vereinigten Staaten sein.“ Der Westen habe es nicht nur mit Bedrohungen durch das russische Militär zu tun, sondern auch mit „Informationskriegsführung und Cyberangriffen“. Sanktionen seien zwar effektiv, um Rußland zurückzuhalten – bezogen auf die Kampagne von Präsident Trumps Außenminister Pompeo und jetzt von Biden und Blinken gegen die Gaspipeline Nord Stream 2 –, aber sie seien nicht genug. Er schloß mit der Aussage, die Rückgabe der Krim müsse auf der Tagesordnung stehen. „Wollen Sie damit sagen, daß wir die Krim aufgeben sollen?“, fragte er den Interviewer.

Zu den führenden Beratern Bidens in Sachen Ukraine gehört Michael Carpenter, ein Mitarbeiter am Eurasien-Zentrum des Atlantic Council. Carpenter, der in der Obama-Administration als Vize-Verteidigungsminister für Rußland, die Ukraine, Eurasien und den Balkan sowie als Rußland-Experte des Nationalen Sicherheitsrats tätig war, ist auch Geschäftsführender Direktor des Biden Center for Diplomacy and Global Engagement an der Universität von Pennsylvania. 2018 begleitete er den ukrainischen Neonazi und
Regierungsbeamten Andrij Parubij auf einer Reise nach Washington. Als er auf Parubijs reuelose Verbindung zur Nazi-Bewegung angesprochen wurde, die maßgeblich am Putsch 2014 beteiligt war, verteidigte er ihn als „Patrioten“ und „großartige Führungspersönlichkeit“.

Carpenter war zusammen mit Biden selbst Autor eines Artikels in der Ausgabe Januar-Februar 2018 von Foreign Affairs, der Zeitschrift des Council on Foreign Relations (CFR), mit der Überschrift: „Wie man dem Kreml die Stirn bietet: Die Demokratie gegen ihre Feinde verteidigen“.

In dem Artikel beginnen sie mit den üblichen Verleumdungen gegen Rußland und Präsident Putin, Rußland greife „schamlos die Grundlagen der westlichen Demokratie an“, wofür es „eine Vielzahl offener und verdeckter Mittel“ einsetze. Im Kreml herrsche „ein irriger, aber hartnäckiger – vielleicht sogar zwanghafter – Glaube, daß Washington aktiv einen Regimewechsel in Rußland betreibt“. Dazu gehöre die „Verschwörungstheorie“, die USA seien an der Planung von Aufständen rund um Rußland beteiligt, u.a. in der Ukraine 2004 und 2014.

Die beiden schlagen u.a. vor, die USA könnten dem „bösartigen Einfluß“ des Kreml am besten begegnen, indem sie „die Abschreckung gegen russische militärische Aggressionen verbessern“, die Energiesicherheit fördern (daher das Beharren darauf, Nord Stream 2 zu verhindern), und bereit sind, „Rußland entsprechende Kosten aufzuerlegen, wenn sie Beweise für seine Missetaten aufdecken“. Entscheidend für das Erreichen dieser Ziele ist es, weiterhin Truppen und militärische Kapazitäten nach Osteuropa zu verlegen“, und dabei auch den Wunsch Georgiens und der Ukraine zu berücksichtigen, der NATO und der EU beizutreten.

Glauben die beiden wirklich, angesichts von Bidens Rolle als Hauptverantwortlicher bei der Koordinierung des Maidan-Putsches 2014, Moskaus Sorge vor westlichen Aktionen im Zusammenhang mit der Ukraine sei nur ein zwanghafter Glaube und eine Verschwörungstheorie?

Was ist die US-Position zum NATO-Beitritt der Ukraine?

Als verschiedene US-Regierungsvertreter um einen Kommentar zu Selenskijs Plädoyer für eine Aufnahme in die NATO gebeten wurden, war keiner bereit, sich dazu zu äußern. Militärvertreter halten an der Position fest, daß die Ukraine erst Reformen durchführen muß, bevor sie dafür in Betracht komme. Und auch Biden sagte in demselben berüchtigten Interview, in dem er dem Fragesteller zustimmte, Putin sei ein „Mörder“, er wolle keinen neuen Kalten Krieg beginnen.

Bidens Karriere als Falke in der Haltung gegenüber Rußland und der Ukraine ist jedoch unübersehbar. Es gibt eine Kontinuität von seiner Rolle bei der Oberaufsicht über den Maidan-Putsch bis zu seinen jüngsten Aussagen. Am 30. April 2014, zwei Monate nach dem Regimewechsel-Putsch in Kiew, sagte Biden – mit Carpenter an seiner Seite – in einer Veranstaltung des CFR, Rußlands Besorgnis über die US-Politik gegenüber der Ukraine „hat nichts mit der NATO-Erweiterung zu tun. Sie wurde im Kreml geboren. Sie wurde in Putins Kopf geboren.“ Er sei ein „stolzer Atlantiker“, die NATO und die transatlantischen Beziehungen seien „nie wichtiger gewesen als heute“, und er bekräftigte die
„feierlichen Verpflichtungen“ nach Artikel 5 des NATO-Vertrags „als Antwort auf die russische Aggression“. Ein Vorgeschmack auf die heutige Politik seiner Regierung war seine Aussage: „Wenn es um Energie geht, sollte Rußland nicht in der Lage sein, seine Ressource als politische Waffe gegen seine Nachbarn einzusetzen.“ Und im Falle russischer Verletzungen der ukrainischen Souveränität „müssen wir entschlossen sein, Kosten aufzuerlegen“.

Ein untrügliches Zeichen dafür, daß Biden nicht dazugelernt hat, welche Gefahr seine Förderung des Maidan-Putsches heraufbeschworen hat, ist seine Ernennung von Victoria Nuland zur Nummer drei im Außenministerium als Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten. Nuland ist eine Hardcore-Neokonservative und diente unter Biden als Koordinatorin des Maidan-Putsches vor Ort. Zu dem Bündnis unter ihrer Aufsicht gehörten Mitglieder der ukrainischen Nazibewegung, Anhänger von Stepan Bandera und des
Asow-Bataillons, die heute im staatlichen Militär- und Sicherheitsapparat eingebettet sind und in der Konfrontation mit den abtrünnigen Republiken an vorderster Stelle stehen. Als sich kurz nach Selenskijs Wahl abzeichnete, daß er für eine diplomatische Einigung mit Putin offen war, erhielten er und seine Anhänger von diesen Netzwerken Morddrohungen. Diese Netzwerke sind es, auf die sich Putins Sprecher Peskow bezieht, wenn er in Zweifel stellt, daß Selenskij die Kontrolle über seine eigene Regierung hat.

Ein anderer Teil des Netzwerks, das Nuland in der Ukraine koordinierte, war der berüchtigte britische Ex-MI6-Agent Christopher Steele, der später von Hillary Clintons Kampagne angeheuert wurde, um das Dossier zu fabrizieren, in dem behauptet wird, Putin habe sich in die US-Wahl 2016 auf Donald Trumps Seite eingemischt, weil er ihn angeblich erpressen konnte. Steele lieferte 2014 Dutzende von Berichten über die Situation in der Ukraine an den damaligen US-Außenminister Kerry und an Nuland, und die verbürgte sich später für Steele, als das FBI dessen Vorwürfe gegen Trump und Putin anzweifelte. Das Steele-Dossier und die anschließende „Russiagate“-Untersuchung
untergruben erfolgreich Trumps erklärte Absicht, eine freundliche und kooperative Zusammenarbeit zwischen den USA und Rußland aufzubauen. Trump wurde daraufhin vom Repräsentantenhaus unter dem falschen Vorwurf angeklagt, er habe versucht, Selenskij zu erpressen, um „Schmutz“ über Biden zu erhalten. Er wurde dann in dem Absetzungsverfahren im US-Senat freigesprochen.

Der Artikel erschien zuerst in der dieswöchigen Ausgabe der Wochenzeitung Neue Solidarität.

Anmerkung der BüSo-Redaktion: Deutschland muß sich endlich von den geopolitischen Absichten und Konfrontationen der anglo-amerikanischen Geopolitiker distanzieren und eine konstruktive Zusammenarbeit mit Rußland erneuern. Dies wird der einzige Weg sein, der gefährlichen Falle einer Eskalation zu entgegen, die ansonsten leicht bis zum Dritten Weltkrieg  (Video) führen könnte!