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Nach Russland jetzt auch Krieg gegen China? Wer mit dem Feuer spielt, geht daran zugrunde

Von Alexander Hartmann

US-Präsident Joe Biden und Chinas Präsident Xi Jinping sprachen am 28. Juli auf Bidens Wunsch mehr als zwei Stunden miteinander, was angesichts der gefährlichen Lage in der Welt nur zu begrüßen ist. Denn die geopolitischen Brandstifter, die bereits alles tun, um den Konflikt zwischen Rußland und dem Westen um die Ukraine weiter anzuheizen, spielen in der Tat mit dem Feuer, indem sie nun auch einen Konflikt mit China um Taiwan schüren.

Anlaß der jüngsten Eskalation der Spannungen zwischen den USA und China ist die erklärte Absicht Nancy Pelosis, noch im August Taiwan zu besuchen – der erste Besuch einer Sprecherin des US-Repräsentantenhauses seit 1997, und noch dazu unter kriegerischen Umständen. Die extremsten Chinafeinde, wie der republikanische Senator Tom Cotton aus Arkansas, rühren eifrig die Werbetrommel für Pelosis Reise, für die bisher aber noch kein Termin festgelegt wurde. Das Pentagon hat von der Reise abgeraten, aber der Vorsitzende der U.S. Joint Chiefs of Staff, General Mark Milley, hat vom australischen Sydney aus Pelosis Delegation Schutz zugesagt, falls sie nach Taiwan reist: „Wir werden alles Notwendige tun, um eine sichere Durchführung ihres Besuchs zu gewährleisten.“

Gleichzeitig verschärfen Sprecher der US-Regierung ihre Anwürfe gegen China. Auf einem Forum des Center for Strategic and International Affairs (CSIS) am 26. Juli behauptete der stellvertretende Verteidigungsminister für indopazifische Sicherheitsfragen, Ely Ratner, Chinas Marine und Luftwaffe würden im Südchinesischen Meer zunehmend „rücksichtslos“ und dieses „unsichere und unprofessionelle Verhalten“ betreffe nicht nur die US-Streitkräfte, sondern auch die verbündeten Streitkräfte in der Region. Sollte es so weitergehen, „ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem größeren Zwischenfall oder Unfall in der Region kommt“.

China teste „systematisch die Grenzen unserer kollektiven Entschlossenheit“, sagte Ratner. Die Situation im Südchinesischen Meer sei keine isolierte Herausforderung, sondern Ausdruck eines „einheitlichen strategischen Ansatzes Pekings, der sich über den gesamten Indopazifik erstreckt“. In dieser Situation solle das Pentagon die Selbstverteidigungsfähigkeiten der Partner stärken, eine „kampffähige Präsenz“ im Indopazifik aufbauen und stärkere Bündnisse und Partnerschaften in der Region schließen.

Am gleichen Tag äußerte sich Marineminister Carlos del Toro in einem Interview mit Associated Press ebenso kriegerisch und drohte, jeder „asiatische Aggressor“ (sprich: China), der die Souveränität einer anderen Nation in der Region verletze, werde die gleiche Behandlung erfahren wie Rußland von den USA und der NATO für den Einmarsch in die Ukraine. Er wiederholte frühere Äußerungen Bidens, die USA würden die Philippinen verteidigen, wenn deren Souveränität bedroht sei, und warnte, die USA und andere westliche Verbündete würden weiterhin ihre Patrouillen zur Demonstration der „Freiheit der Meere“ im Südchinesischen Meer durchführen. Die Situation in der Ukraine habe gezeigt, daß Länder, „die frei und demokratisch sind“, sich zusammenschließen können, um Gegner, „die dies nicht sind“, zu bekämpfen. Niemand solle daran zweifeln, daß etwas ähnliches im indopazifischen Raum geschehen werde, wenn ein solches „Maß an Aggression“ gegen die Demokratien in der Region eingesetzt werde.

Aus Großbritannien kam sogar der Rat, „nicht vor der nuklearen Option zurückzuschrecken“. Der Nationale Sicherheitsberater des Vereinigten Königreichs, Sir Stephen Lovegrove, sagte Ende Juli auf einem Forum des Center for Strategic and International Studies (CSIS), Beijing baue seine Nuklearstreitmacht aus, und es bestehe die Gefahr einer „Fehlkalkulation“ zwischen dem Westen und China, aber diesem Problem müsse man sich stellen.

Zu den Antreibern eines militärischen Konflikts zwischen dem Westen und China gehört insbesondere die Henry Jackson Society (HJS), die als Stimme der Weltmachtansprüche des „Global Britain“ gilt. Sie veröffentlichte am 15. Juli einen 45seitigen Bericht mit dem Titel „Die Straße sichern: Taiwan in Großbritanniens indopazifische Wende einbinden“ und liefert darin einen Plan, wie man einen Krieg gegen China um Taiwan vom Zaun brechen kann.

In der Zusammenfassung des Berichts bekräftigt die HJS, für das Vereinigte Königreich, seine transatlantischen Verbündeten und seine indopazifischen Partner bestehe eine „erneute Dringlichkeit…, eine Politik zu entwickeln, die dazu beiträgt, den Status quo in den Beziehungen zwischen China und Taiwan aufrechtzuerhalten“. Im Stile des Orwellschen „Newspeak“ versteht die HJS dabei offenbar unter „Status quo“, daß Taiwan nicht Teil Chinas sei – im Gegensatz zur international seit Jahrzehnten anerkannten Position, wonach es nur „ein China mit zwei Systemen“ gibt.

Angesichts der jüngsten geopolitischen Ereignisse, so die HJS, müßten westliche Militärplaner überdenken, „wie Taiwan sich am besten gegen Chinas hegemoniale Ambitionen im gesamten indopazifischen Raum verteidigen kann“, die bereits dazu geführt hätten, Chinas Verläßlichkeit als Handelspartner in Frage zu stellen. Darüber hinaus habe Bidens „strategische Klarheit“ in Bezug auf Taiwans Verteidigung die Debatte über die Bewaffnung Taiwans neu entfacht, „nachdem eine koordinierte Sanktionspolitik Rußland nicht davon abhalten konnte, seinen Angriff auf die Ukraine fortzusetzen“.

Der Bericht erörtert Taiwans Bedarf an „Abschreckungswaffen“ und Optionen für die „Bewaffnung der Taiwaner“. Eine „integrierte Überprüfung“ durch das Globale Britannien könne Taiwan beim Aufbau einer „Verteidigung gegen die erzwungene Rückführung“ durch Chinas Volksbefreiungsarmee helfen. Der Schwerpunkt müsse auf „gezielter Koalitionsbildung“ liegen, um eine zwangsweise Wiedereingliederung zu verhindern, Taiwan zu bewaffnen und seine Beteiligung an globalen Institutionen zu unterstützen. Alle diese Überlegungen zu Taiwan lägen angeblich im nationalen Sicherheitsinteresse Großbritanniens. (Wer weiß, vielleicht erwägt China ja eine Invasion der Britischen Inseln?)

Der Bericht macht die kriegerischen Absichten deutlich und unterstreicht die Bedeutung von AUKUS, dem Dreierbündnis zwischen den USA, Großbritannien und Australien, „als Eckpfeiler einer anti-hegemonialen Koalition, um Chinas Dominanz im Indopazifik und seine Fähigkeit, seine Macht auf die Inselketten der Region auszudehnen, zu verhindern“.

Xi Jinping: Spielt nicht mit dem Feuer!

Präsident Xi warnte in dem mehr als zweistündigen Gespräch mit Biden im Zusammenhang mit ihrer Diskussion über Taiwan und das Verhalten des Westens laut der offiziellen chinesischen Darstellung: „Wer mit dem Feuer spielt, geht daran zugrunde.“ Das wird in der amerikanischen Zusammenfassung des Telefonats nicht erwähnt, dort heißt es bewußt zweideutig: „In Bezug auf Taiwan unterstrich Präsident Biden, daß sich die Politik der Vereinigten Staaten nicht geändert hat und daß die Vereinigten Staaten einseitige Bemühungen, den Status quo zu ändern oder Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan zu untergraben, entschieden ablehnen.“

Gleichzeitig zeigte Xi erneut einen Ausweg aus der Krise auf, indem er betonte, wie wichtig es sei, daß die beiden Großmächte zusammenarbeiten, um die Probleme der Welt zu bewältigen. „Angesichts einer Welt des Wandels und der Unordnung erwarten die internationale Gemeinschaft und die Menschen auf der ganzen Welt von China und den USA, daß sie bei der Wahrung von Frieden und Sicherheit auf der Welt sowie bei der Förderung von globaler Entwicklung und Wohlstand eine führende Rolle übernehmen“, sagte Xi zu Biden. „Das ist die Verantwortung Chinas und der USA als zwei große Länder.“

Xi machte auch deutlich, daß ein grundlegendes Problem die verzerrte Sicht der Vereinigten Staaten ist, die China als Rivalen statt als Partner sieht. Er wies auch darauf hin, daß der Versuch der ökonomischen „Abkopplung“ sehr schwerwiegende Folgen für die Weltwirtschaft habe.

Nach den Ausführungen der chinesischen Seite zu urteilen, verwendete Xi zweifellos viel Zeit darauf, Chinas Position in Bezug auf Taiwan und die Verpflichtung der 1,4 Milliarden Chinesen zum Schutz ihrer Souveränität, einschließlich des Territoriums von Taiwan, zu erläutern. Xi betonte auch, daß die drei Kommuniqués, die als Grundlage für die Beziehungen zwischen den USA und China dienen, nach wie vor das Bekenntnis zur „Ein-China-Politik“ enthalten, was für China bedeutet, daß Taiwan ein Teil von China bleibt. Jeder Versuch der USA, Taiwan als unabhängige Nation zu behandeln, würde die Grundlage der Beziehungen zwischen den USA und China untergraben.

Aber genau in diesem Punkt läßt es die Regierung Biden an „strategischer Klarheit“ vermissen. Präsident Biden hat zwar sowohl in den USA als auch in China das Bekenntnis zur „Ein-China-Politik“ bekräftigt und erklärt, daß die USA die Unabhängigkeit Taiwans nicht unterstützen, aber für die Chinesen stellt sich die Frage, ob diesem Bekenntnis auch entsprechende Taten folgen werden. Die Äußerungen aus dem Regierungslager sprechen jedenfalls eine andere Sprache.

Der Verlauf von Pelosis Reise wird für diese Frage sehr wichtig sein. Wegen der Gewaltenteilung kann die US-Regierung als Exekutive Pelosi als Anführerin der Legislative im Prinzip nicht zwingen, ihr Vorhaben aufzugeben. Aber es besteht eine kleine Chance, daß Pelosi begreift, wie ernst Chinas Regierung und Streitkräfte es mit den Vergeltungsmaßnahmen meinen, die sie für den Fall angedeutet haben, daß sie ihren unverantwortlichen Plan weiterverfolgt. Sie sollte begreifen, daß es nicht ratsam ist, mit dem Feuer zu spielen.