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Rußland-Sanktionen: ein Coup gegen US-Verfassung – Deutschland muß seine Interessen verteidigen!

Von Helga Zepp-LaRouche

Die beinah gleichgeschaltete Abstimmung in beiden Häusern des US-Kongresses über neue Sanktionen gegen Rußland (sowie den Iran und Nordkorea) stellt einen beispiellosen Skandal dar, der auf mehreren Ebenen bahnbrechende Implikationen hat: Sie sind ein Coup gegen die amerikanische Verfassung und ein rücksichtsloser Angriff auf die europäischen „Verbündeten“, sie setzen die strategische Konfrontation gegen Rußland und China, die Trump überwinden wollte, wieder auf die Tagesordnung, und sie sind eine Verletzung des Völkerrechts, weil sie den Anspruch auf extraterritoriale Gültigkeit der amerikanischen Gesetzgebung erheben. Es ist höchste Zeit, daß der Rest der Welt lernt, die eigenen Interessen zu vertreten, die nur auf einer völlig anderen Ebene der Politik liegen können.

Präsident Trump unterzeichnete ein Gesetz, von dem er bemerkte, daß es verschiedene verfassungswidrige Elemente enthalte, die er nicht umsetzen werde. Offensichtlich wollte sich Trump nicht der Peinlichkeit aussetzen, daß der Kongreß sein Veto mit einer weit die Zwei-Drittel-Mehrheit übersteigenden Mehrheit überstimmen würde. Das Repräsentantenhaus hatte mit 419:3 Stimmen, der Senat mit 98:2 Stimmen für das Gesetz gestimmt.

Es handelt sich aber um nichts weniger als einen Coup gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten von 1787, die ausschließlich dem Präsidenten die Befugnis zugesteht, das Verhältnis zu anderen Staaten zu bestimmen. Das Gesetz zielt sogar darauf ab, dem Präsidenten die Fähigkeit, die Sanktionen jemals wieder aufheben zu können, zu entziehen. Praktisch müßte Trump dem Kongreß einen formellen Antrag zur Aufhebung der Sanktionen schicken, über den dieser dann innerhalb von 30 Tagen positiv oder negativ entscheiden würde, was bei den soeben demonstrierten Mehrheitsverhältnissen eine düstere Perspektive weist. Damit hat der Kongreß praktisch die Macht des Präsidenten, Außenpolitik zu machen, gekidnappt und zugleich die verfassungsmäßige Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative in einem ganz entscheidenden Punkt außer Kraft gesetzt.

Es dauerte offensichtlich Tage, bevor die betroffenen Kreise in Deutschland und Europa sich von dem Schock erholten, daß dieser völkerrechtswidrige Anspruch des US-Kongresses, amerikanische Gesetze auch extraterritorial, also weltweit, geltend zu machen, dieses Mal in voller Breitseite die europäischen „Verbündeten“ und „Freunde“ in Bereichen existentieller Interessen trifft, nämlich der Energie-Sicherheit und - wenn sie nur etwas intensiver darüber nachdenken würden - der Frage von Krieg und Frieden im Zeitalter thermonuklearer Waffen.

Dies trifft die deutsche Wirtschaft in einer Situation, wo sie schon jahrelang von den Rußland-Sanktionen der Obama-Administration - im Falle einiger Unternehmen bis zur Insolvenz - belastet worden ist, während die Exportzahlen der USA nach Rußland im gleichen Zeitraum gestiegen waren.

Es drohen Strafmaßnahmen gegen Firmen, die an der Ostseepipeline Nord-Stream-2 und anderen russischen Energieprojekten beteiligt sind, also potentiell gegen die Lieferanten aller zur Produktion benötigten Materialien, alle Produktions- und Servicefirmen, deren Geschäftsführer, sowie zusätzlich bezüglich des US-Geschäfts dieser Firmen. Sprecher des VDMA und des DIHK protestierten gegen die Sanktionen und verlangen eine „rote Linie“ von der Bundesregierung. Das dürfte schwierig werden. Zwar beschuldigte Außenminister Gabriel die USA, Europa zum Import von amerikanischem, durch Fracking erzeugtem Flüssiggas zwingen zu wollen, und Wirtschaftsministerin Zypries verurteilte die Sanktionen als Verstoß gegen das Völkerrecht. Aber in der CDU gibt es eine ganze Reihe von Quislingen, die um ihrer atlantischen Karriere willen eher ihre Großmutter verkaufen würden, als die nationalen Interessen zu vertreten.

Auch die Position der Regierung, die Reaktion auf die US-Sanktionen mit der EU abzustimmen, dürfte sich angesichts der Uneinigkeit innerhalb der EU als Hornberger Schießen erweisen. Polen und die Baltischen Staaten sind Gegner der Nord-Stream-2-Pipeline, und nur allzu oft willige Instrumente angloamerikanischer Manipulationen, wenn es um Rußland geht. Nach gescheiterter Energiewende, Diesel- und Kartellskandal geht es der deutschen Wirtschaft inzwischen ans Eingemachte.

Offensichtlich hat China erkannt, daß die gleichen Kräfte, die für die gleichgeschaltete Abstimmung im Kongreß bei den Sanktionen gegen Rußland verantwortlich sind, in der Verfolgung ihrer unipolaren Utopie auch rücksichtslos genug sind, um in die vielzitierte Thukydides-Falle gegenüber China zu gehen. Mehrere chinesische Sprecher und Medien kündigten an, daß China Rußland helfen werde, mit den wirtschaftlichen Konsequenzen aus den Sanktionen fertig zu werden, und notfalls auch bei einem Crash des Finanzsystems unterstützen werde. China und Rußland, deren Verhältnis derzeit ohnehin schon das beste sei, daß sie jemals in der Geschichte hatten, würden ihre strategische Partnerschaft noch weiter vertiefen, die gegebenenfalls eine Abschreckung darstellte.

Schon am 21. Januar veröffentlichte die britische Zeitschrift Spectator einen Artikel, in dem spekuliert wurde, ob Präsident Trump vorzeitig aus dem Amt entfernt werden würde - durch eine Amtsenthebung, einen Coup oder einen Mordanschlag. Der Coup ist soeben durch die beispiellose Abstimmung im Kongreß erfolgt, der Sonderermittler Robert Mueller, ehemaliger FBI-Chef, und das gesamte FBI sind derzeit aufgeboten, die „Beweise“ für das geheime Einverständnis zwischen Putin und Trump zu fabrizieren, was dann die Amtsenthebung zur Folge haben soll. Die amerikanische Geschichte, in der eine ganze Reihe von Präsidenten geopolitischen Verschwörungen zum Opfer gefallen sind, gibt Anlaß zur Sorge, daß auch die dritte vom Spectator anvisierte Option keineswegs ausgeschlossen ist.

Was kann Deutschland angesichts dieser hochgefährlichen Lage tun? Eine ganze Menge.

Zunächst einmal beruht die gegenwärtige Hysterie gegen Rußland auf zwei „Narrativen“, die jeder Grundlage entbehren, und die Feststellung des tatsächlichen Tatbestands in diesen beiden Fällen würde dem derzeitigen Rummel den Boden entziehen.

Die erste dieser „Narrativen“ besteht darin, daß Putin die Krim völkerrechtswidrig annektiert habe. Die Wahrheit ist, wie Helmut Schmidt betonte, daß die Ukraine-Krise mit der EU-Konferenz von Maastricht und der damaligen Entscheidung der EU, sich imperial nach Osten auszudehnen, begonnen hat. Ausgelöst wurde die Krise durch den Versuch auf dem EU-Gipfel in Vilnius im November 2013, die Ukraine durch ein EU-Assoziierungsabkommen dem Einfluß der EU und der NATO zu unterstellen. Der Maidan wurde durch vom Westen unterstützte NGOs und Bandera-Nazis organisiert, die auch für den Nazicoup im Februar 2014 in Kiew verantwortlich waren. Als Reaktion darauf kam es dann zu den Entwicklungen in der Ostukraine und der völkerrechtlich legitimen Abstimmung der Bevölkerung auf der Krim, sich Rußland anschließen zu wollen. (Eine umfassende Dokumentation der damaligen Vorgänge finden Sie auf der Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität unter http://www.bueso.de/ukraine). Die Wahrheit über die Ukraine-Krise muß in der Öffentlichkeit klargestellt werden!

Die zweite Narrative, der zufolge Rußland die amerikanischen Wahlen manipuliert und die Computer des DNC „gehackt“ haben soll, wurde vor kurzem durch die Veröffentlichungen der „Geheimdienstveteranen für Vernunft“ (Veteran Intelligence Professionals for Sanity, VIPS) und in einem enorm wichtigten Interview Ray McGoverns gegenüber LaRouchePAC widerlegt. Die ehemaligen Geheimdienstspezialisten, alle Topexperten in ihrem Milieu, haben die forensischen Beweise geliefert, daß es kein russisches „Hacking“ gab, sondern die Daten von Insidern gestohlen und dann „geleaked“ wurden.

Die Untersuchungsergebnisse der VIPS müssen ebenfalls in der Öffentlichkeit bekannt gemacht und die Experten zu Anhörungen im Bundestag eingeladen werden!

Deutschland muß sich, ebenso wie alle anderen betroffenen Staaten, gegen den völkerrechtswidrigen extraterritorialen Rechtsanspruch der USA zur Wehr setzen. Das geeignete Forum dafür wäre die Vollversammlung der Vereinten Nationen, die im September beginnt und die das offensichtliche Gremium ist, um dem Völkerrecht Gehör und Geltung zu verschaffen.

Das allerwichtigste aber ist, eine völlig neue und höhere Ebene der Politik und der Beziehung zwischen den Nationen zu etablieren. Der jetzt eingeschlagene Weg von Sanktionen, Gegensanktionen, Handelskrieg, einer Eskalation von geopolitischen Provokationen, Stellvertreterkriege - wo soll der enden? Im großen, thermonuklearen Krieg?

Wenn wir Deutschen irgend etwas aus den zwei Weltkriegen des 20. Jahrhundert gelernt haben, dann sollten wir jetzt energisch die Initiative ergreifen, und nicht nur eine neue Rußland-Politik auf die Tagesordnung setzen, sondern das Angebot Chinas für eine Win-Win-Kooperation beim Ausbau der Neuen Seidenstraße aufgreifen und gemeinsam mit Rußland, China und anderen Nationen den von Blairs, Bushs und Obamas Kriegen zerstörten Nahen und Mittleren Osten wieder aufbauen, und ebenso Afrika entwickeln.

Laut Umfragen sind 83% der Deutschen gegen die US-Sanktionen gegen Rußland, aber 91% sind gegen Trump. Vielleicht sollten diese massenmediengeschädigten Individuen begreifen, daß nicht Trump das Problem ist, sondern ein gleichgeschalteter US-Kongreß, der die unipolare Weltordnung mit allen Mitteln wieder herstellen will, und sei es um den Preis der Auslöschung der menschlichen Gattung.