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"Währungsunion" - Hebel zur supranationalen Finanzdiktatur

von Christine Bierre

Der im Sommer 2005 entstandene Aufsatz von Christine Bierre über die lange Vorgeschichte der Euro-Einheitswährung ist Teil eines Projekts zu der Frage, was in Europa falsch gelaufen ist. Wer ist verantwortlich für den folgenschweren Versuch, in Europa anstelle der Kooperation von Nationalstaaten mit demokratischer Legimation und Gemeinwohlverpflichtung ein supranationales Regime der Finanzoligarchie zu schaffen?

Die Ablehnung der europäischen Verfassung eröffnet uns eine neue Chance, die Geschichte der Europäischen Währungsunion (EWU) genauer zu betrachten. Der folgende Artikel ist das Ergebnis dieser Untersuchung, die ein erschreckendes Licht auf die Ursachen wirft, welche zu einer sichtbaren Verarmung der Völker und Nationen Europas und zu einer schamlosen Bereicherung der Finanzmächte führten.

Aus dieser Perspektive betrachtet ist die Geschichte der Europäischen Währungsunion höchst interessant, weil sie all die neuralgischen Punkte berührt, die die Entwicklung unseres Kontinents seit den dreißiger Jahren bestimmt haben. Sie führt uns zu den Finanzkreisen, den Synarchisten, in England, Amerika und Kontinentaleuropa, die die Machtergreifung Hitlers in Deutschland unterstützten. Als Hitler sich dann zuerst gegen den Westen wandte, bevor er den Angriff auf die Sowjetunion unternahm, wurde er von diesen Finanzkreisen fallengelassen. Sie beschlossen, sich zusammen mit Churchill hinter Franklin D. Roosevelt zu stellen - aber nur, solange sie dies für nötig hielten, um die Nazis zu besiegen. Nach Roosevelts Tod übernahmen sie sofort wieder alle wichtigen Funktionen und man findet sie auch bei der Gründung der EWU.

Die Geschichte der EWU ermöglicht es uns noch einmal, Charles de Gaulle zu würdigen, den außergewöhnlichen politischen Führer, der - nur von Adenauer unterstützt - dieser Fraktion der imperialen Bankiers die Stirn bot und für die Nationen, die Völker und die Idee einer Welt kämpfte, die sich auf eine Allianz souveräner Nationalstaaten auf der Grundlage einer Prinzipiengemeinschaft gründet. Die Geschichte der EWU zwingt uns schließlich auch, an jene wenig glorreichen Stunden zurückzudenken, als das Frankreich François Mitterrands in dem Augenblick, als die Geschichte dem geteilten Deutschland die Chance gab, seine Einheit wiederherzustellen, diesem seinem wichtigsten Verbündeten in den Rücken fiel.

Am meisten wird es wohl die Leser dieses Artikels überraschen, zu entdecken, daß die EWU, die man uns als Bollwerk gegen die amerikanischen Neokonservativen präsentierte, tatsächlich von genau den Kreisen geschaffen wurde, die die Neokonservativen in Amerika an die Macht gebracht haben!

Zunächst sollte erwähnt werden, daß die am 25. März 1957 von einem harten Kern sechs europäischer Länder unterzeichneten Römischen Verträge keineswegs eine Wirtschafts- und Finanzunion forderten und auch nichts enthielten, was auch nur in Richtung einer Übertragung staatlicher Souveränität auf eine überstaatliche Institution deutete.

Es gab hierzu lediglich einige allgemein gehaltene Artikel: Artikel 104 verpflichtete jeden Mitgliedstaat zu einer "Wirtschaftspolitik, die erforderlich ist, um unter Wahrung eines hohen Beschäftigungsstandes und eines stabilen Preisniveaus das Gleichgewicht seiner Gesamtzahlungsbilanz zu sichern und das Vertrauen in seine Währung aufrechtzuerhalten". Mit Artikel 105 wurde ein "Währungsausschuß" geschaffen, der jedoch rein beratende Funktion hatte, und Artikel 107 verpflichtete die Mitgliedstaaten, ihre "Politik auf dem Gebiet der Wechselkurse als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse" zu behandeln.

Nur Artikel 108 öffnete die Tür für supranationale finanzielle Maßnahmen. Für den Fall, daß "ein Mitgliedstaat hinsichtlich seiner Zahlungsbilanz von Schwierigkeiten betroffen" ist, die geeignet sind, "insbesondere das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes oder die schrittweise Verwirklichung der gemeinsamen Handelspolitik zu gefährden", ist dort vorgesehen, daß "die Kommission unverzüglich die Lage des Staates sowie die Maßnahmen, die er getroffen hat" prüft und dann die Maßnahmen angibt, "die sie dem betreffenden Staat empfiehlt". Falls sich diese Maßnahmen als nicht ausreichend erweisen, empfiehlt die Kommission dem Rat nach Konsultation des Währungsausschusses "gegenseitige Unterstützung und angemessene Maßnahmen". Der Rat kann dann "mit qualifizierter Mehrheit gegenseitige Unterstützung" gewähren.

Die Geschichte der EWU ist die Geschichte immer neuer Versuche der Finanzoligarchie, dafür zu sorgen, daß die Mitgliedstaaten ihre Souveränität in Wirtschafts- und Finanzfragen einer supranationalen Institution übertragen, die von den Finanzmächten dominiert wird. Robert Marjolin, einer der Männer, die den größten Beitrag zu diesem Europa der Finanzen geleistet haben, sagt dies in seiner Autobiographie ganz deutlich, wenn er die Gründe kommentiert, warum diese Ideen von der Unterzeichung der Römischen Verträge bis 1974 so wenig Fortschritte machten: "Man schien zu glauben, daß die EWU eine einfache Erweiterung der Zollunion sei, ohne zu begreifen, daß diese beiden Konzepte sich grundlegend unterschieden." Die Zollunion setzte voraus, "daß die Regierungen darauf verzichten, bei der Verfolgung ihrer nationalen Interessen... die Instrumente der Handelspolitik, Zölle und Mengenbeschränkungen zu nutzen". In der EWU dagegen haben "die nationalen Regierungen die Instrumente monetärer und wirtschaftlicher Politik den gemeinsamen Institutionen übertragen".

Das Konzept des Imperiums in der EWU

Beim EU-Gipfeltreffen in Straßburg am 8. Dezember 1989 gab Europa grünes Licht für den EWU-Vertrag, der von einer Kommission unter der Leitung des damaligen EG-Präsidenten Jacques Delors ausgearbeitet worden war. Und 1990 wurden von einer Regierungskonferenz die Phasen des Prozesses festgelegt, der zum Maastrichtvertrag von 1992, zum Vertrag von Amsterdam mit dem Stabilitätspakt 1997 und zur Einführung des Euro und der Europäischen Zentralbank ab 1999 führte.

Historisch jedoch wurde die Grundlage für diesen Prozeß bereits durch das Aktionsprogramm für die zweite Stufe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) (1962-1965) gelegt, das die EWG-Kommission den Mitgliedstaaten am 24. Oktober 1962 vorstellte. Die Einleitung dieses Textes stammte von Walter Hallstein, dem amtierenden Präsidenten der EWG-Kommission, während die verschiedenen Abschnitte von den verschiedenen Arbeitsgruppen der Kommission, die für den jeweiligen Bereich zuständig waren, ausgearbeitet wurden. Robert Marjolin, der für den Bereich Wirtschaft und Finanzen zuständige Vizepräsident, war der Verfasser der Teile, die sich mit Wirtschaft und Finanzen beschäftigten.

Die öffentliche Seite des Lebens von Robert Marjolin ist allgemein bekannt. Als entschiedener Europäer, der den Vereinigten Staaten nahestand, machte Robert Marjolin, von Jean Monnet gefördert, Karriere. Monnet machte Marjolin während des Krieges zum Leiter der französischen Beschaffungsmission in den USA und lud ihn ein, 1945 mit ihm im französischen Planungskommissariat zusammenzuarbeiten. Zwischen 1948 und 1951 öffnete Monnet Marjolin die Tür zu einer großen "europäischen" Karriere, indem er ihn zum Leiter der OEEC (Organisation für europäische Wirtschaftskooperation, ab 1961 OECD) ernennen ließ, die die Gelder des Marshallplans in Europa verteilte. Von 1958 bis 1967 war Marjolin als Vizepräsident der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zuständig für Wirtschaft und Finanzen.

Aber für diesen Artikel von größerer Bedeutung sind die der Öffentlichkeit verborgenen Aspekte seines Lebens, die ihn zweifellos mit dem Kern der anglo-amerikanischen Finanzoligarchie und ihren Plänen für ein Weltimperium verbinden. Marjolin stammte aus sehr bescheidenen Verhältnissen. In seiner Biographie sagt er über sich selbst: "Wonach ich verlangte, war, mich von der Masse abzuheben und anerkannt zu werden." Und immer bestrebt, dieser Finanzoligarchie zu dienen, erklomm er tatsächlich die höchsten Stufen der sozialen Leiter. Von der Vorkriegszeit bis in die letzten Jahre seines Lebens, als er Mitglied des Aufsichtsrates der großen anglo-holländischen Unternehmen Royal Dutch Shell und der Chase Manhattan Bank wurde, unterstand Robert Marjolins Karriere zu einem großen Teil der Aufsicht der wichtigsten Familien der Oligarchie, wie den Rockefellers und Prinz Bernhards Bilderbergern.

Um zu verstehen, wie diese Finanzkreise 1989 durch die EWU die Kontrolle über die Finanzen übernehmen konnten, ist die Tatsache wichtig, daß Robert Marjolin 1945 seinen Freund, den französisch-russischen Philosophen Alexandre Kojève, in die Abteilung für auswärtige Wirtschaftsbeziehungen (DREE, Direction of Exterior Economic Relations) im französischen Wirtschaftsministerium holte. Von diesem strategischen Posten aus zog Kojève über mehr als 20 Jahre im Hintergrund die Fäden zu Gunsten dieser imperialen Finanzinteressen. Auch ist der französischen Öffentlichkeit kaum bekannt, daß Kojève das Konzept des Imperiums einführte, das der europäischen supranationalen Finanzkonstruktion zugrundeliegt. Überzeugt, daß Nationalstaaten seit der Zeit Napoleons keine Chance mehr haben, die Herausforderungen der modernen Kriegsführung alleine zu meistern, betrieb Kojève offen die Bildung regionaler unabhängiger Einheiten, regionaler Imperien, die sich schließlich zu einem "universellen und homogenen Imperium" zusammenschließen sollten!

Zusammen mit Bernard Clappier, seinem Chef im DREE, und Olivier Worms, einem weiteren engen Freund Marjolins, der die Wirtschafts- und Finanzabteilung des französischen Außenministeriums leitete, wirkte Kojève innerhalb der Bürokratie zugunsten dieser supranationalen Konzepte, oft zum Schaden und ohne das Wissen der eigenen Regierung. Da die Vierte Republik (1945-1958) keine starken Regierungen hatte, hatten die drei fast völlige Handlungsfreiheit.

Ein ebenso übles Trio bildete Kojève mit dem deutschen Philosophen Leo Strauss - der 1933 in die USA auswanderte, wo er an der Universität Chikago eine berühmte "Schule" gründete - und Carl Schmitt, dem "Kronjuristen" der Nazis. Diese drei "Philosophen" inspirierten die Ideologie der Neokonservativen, die heute in den Vereinigten Staaten an der Macht sind - sie ist ein seltsames Gemisch der reaktionären Ideen Hobbes', Nietzsches und Hegels.

Vom Aktionsprogramm Marjolins 1962 zum Delors-Plan 1989

Und es ist diese Gruppe, die wir auch bei der Entstehung des Aktionsprogramms für die zweite Stufe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) (1962-1965) wiederfinden. Die Vorschläge, die in diesem Programm gemacht werden, wurden zuerst von Robert Marjolin und dem belgisch-amerikanischen Wirtschaftwissenschaftler Robert Triffin ausgearbeitet und von ihnen gemeinsam präsentiert. Triffin war Mitglied des New Yorker Council on Foreign Relations (einer der wichtigsten Organisationen der amerikanischen Eliten) und Wirtschaftsberater von Jean Monnets Wirtschaftskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa (ACUSE). In einem Buch aus dem Jahre 1957 fordert Triffin die Europäer auf, auf eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion hinzuarbeiten.

Kurz vor dem Aktionsprogramm von 1962 machten Triffin und Marjolin gemeinsam den Vorschlag, einen "Europäischen Rücklagefonds" zu schaffen, der durch 10% der Rücklagen der Zentralbanken der Mitgliedstaaten gespeist werden sollte. Ihr Ziel war dabei, dem Brüsseler Beamtenapparat eine unabhängige und übergeordnete Rolle gegenüber den Mitgliedstaaten zu geben. Sie schlugen auch vor, eine neue europäische Verrechnungseinheit zu schaffen.

Das Aktionsprogramm von 1962 sah vor, den Vertrag von Rom durch eine maximale Auslegung des Artikels 108 zu reformieren und damit den Weg zur Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion zu öffnen. Mit der zweiten Stufe, die für den Zeitraum von 1962-1965 geplant war, sollten Konsultationen unter den Mitgliedstaaten vor jeder wichtigen finanziellen Entscheidung festgelegt werden. Die dritte Stufe (1965-1969) sah bereits eine Wirtschafts- und Währungsunion mit festen Wechselkursen zwischen den Währungen und eine Geldpolitik vor, die die kommende Rigidität der EWU von 1989 erahnen ließ.

Aber es wurden nur wenige dieser Vorschläge angenommen, weil Charles de Gaulle jeden Versuch der EWG-Kommission, sich supranationale Macht anzueignen, energisch ablehnte. 1964 willigte der Europäische Rat jedoch ein, einen Ausschuß der Zentralbankpräsidenten einzurichten und die Budgets mittelfristig zu koordinieren. Dies war bereits ein wichtiger Sieg für die Finanziers, denn, wie Robert Marjolin bei einem der ersten Treffen dieses Ausschusses erklärte: "Die zentrale Frage, die es zu behandeln gilt, ist die Entwicklung hin zur Schaffung einer Währungsunion."

Die Pläne von Barre und Werner in den sechziger Jahren

Ende der sechziger Jahre wurde eine neue Offensive in Gang gesetzt, die sich das hochgradig degenerierte internationale finanzielle Klima zu Nutzen machte. In einem von ihm selbst 1969 verfaßten Memorandum informiert uns der zukünftige französische Premierminister Raymond Barre, daß die EWG auf der Konferenz der europäischen Finanzminister, die sich im Februar 1968 in Rom trafen, ein vertrauliches Memorandum - wegen der darin enthaltenen Implikationen für die Politik - "sehr diskret" präsentiert habe. Dieses vom Aktionsprogramm von 1962 inspirierte "Memorandum für gemeinschaftliche Aktionen im finanziellen Bereich" ging in der Tat sehr weit. Es schlug u.a. vor, 1) die Mitgliedstaaten zu verpflichten, "keine Veränderungen der Kursrelationen ohne vorherige Zustimmung vorzunehmen", und 2) eine "Verrechnungseinheit zu definieren, die für alle Aktivitäten der Gemeinschaft benutzt wird, bei denen ein gemeinsamer Nenner gebraucht wird".

Raymond Barre jedoch begrub das Projekt - nicht, weil er grundsätzliche Einwände dagegen gehabt hätte, sondern weil er fürchtete, daß die Mitgliedstaaten, vor allem Frankreich, noch nicht bereit dazu waren, Schritte zur Überstaatlichkeit zu akzeptieren, und daß der Versuch, zu schnell voranzugehen, nationale Reflexe hervorrufen könnte, die einen weiteren Fortschritt in der Sache blockieren würden. Barre hatte Robert Marjolin inzwischen als Vizepräsident der EWG-Kommission abgelöst und war nun für wirtschaftliche und finanzielle Fragen zuständig.

In seinem Memorandum, das er der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 12. Februar 1969 vorlegte, begann Barre eine neue behutsame Offensive, welche die bis dahin erzielten Fortschritte in Richtung einer Europäischen Währungsunion würdigte und daran erinnerte, daß die große Linie schon im Kapitel VIII des Aktionsprogramms von Marjolin aus dem Jahre 1962 festgelegt wurde. In seinem Plan bekräftigte Barre "das Memorandum von 1968". Weiter schlug er vor, über dieses hinaus zu gehen, indem 1) die Koordinierung der mittelfristigen Wirtschaftspolitik, insbesondere in Fragen der Produktion, der Beschäftigung, der Löhne und der Zahlungsbilanzen, gestärkt wird, 2) "verpflichtende vorherige Konsultationen über die kurzfristige Politik" eingeführt werden und 3) weiter an der Schaffung von Instrumenten für eine europäische Geldpolitik gearbeitet wird. Dieses Projekt war in gewissem Sinne gefährlicher als das sehr viel ehrgeizigere Projekt Marjolins und Triffins, weil es durch eine pragmatischere Herangehensweise die europäischen Regierungen dazu verleitete, eine noch tiefgreifendere wirtschaftliche- und finanzielle Harmonisierung zu akzeptieren.

Auch hier ist es kein Zufall, daß wir Raymond Barre in dieser Rolle finden. Barre selbst war ein enger Mitarbeiter und Freund von Robert Marjolin und Alexandre Kojève. Er verfaßte die lobhudelndende Einleitung zur Autobiographie Marjolins, Le travail d'une vie: Memoirs 1911-1986 (Das Werk eines Lebens - Memoiren 1911-1986). Der frühere Premierminister stand auch Alexandre Kojève nahe, wie er selbst in einem Interview sagt, das Dominique Auffret in seinem Buch Alexandre Kojève - La Philosopie, l'Etat, la fin de l'histoire (Alexandre Kojève - Die Philosophie, der Staat, das Ende der Geschichte) veröffentlichte. Dort bestätigt Barre, daß er Kojève erstmals im Jahre 1948 traf, als er anfing, für die DREE (Abt. für Auswärtige Wirtschaftbeziehungen im frz. Außenministerium) zu arbeiten; zu dieser Zeit war Kojéve verantwortlich für die Beziehungen Frankreichs zur OEEC, einer Organisation, die damals von seinem Freund Robert Marjolin geleitet wurde. Barre erwähnt mehrmals den "starken intellektuellen Einfluß", den Kojève auf ihn ausgeübt habe, und die Diskussionen, die er mit ihm über Themen wie die Liberalisierung der Wechselkurse zwischen den OEEC-Staaten und die Vorbereitung der EWU führte.

Raymond Barre enthüllte auch, daß sich Kojève in den sechziger Jahren sehr für der Schaffung regionaler Wirtschaftszonen einsetzte. Barre sagte, Kojève sei der Meinung, "nach innen gewandte Wirtschaftsysteme, Zölle, Begrenzungen des Warenverkehrs, all das seien Relikte der Vergangenheit... eine Idee, die er seiner Vision vom Ende der Geschichte entlehnte" - der von Hegel inspirierten Idee, daß die regionalen Imperien eines Tages in einem universellen und homogenen Imperium zusammenfließen würden.

Der Haager Gipfel von 1969

Beim Haager Gipfel von 1969 wurde jedoch ein noch viel weitergehendes Projekt vorgelegt, das schon die Europäische Währungsunion des Jahres 1989 erahnen ließ. Mehrere neue Faktoren trugen zu dieser neuen Offensive bei, darunter die Intensivierung der Störungen des Weltfinanzsystems, was 1971 zum Ende des Bretton-Woods-Systems führte. Der andere entscheidende Faktor war die Tatsache, daß de Gaulle nicht mehr an der Macht war und durch George Pompidou ersetzt wurde. Pompidou war weit davon entfernt, die gleichen erhabenen Ansichten zu vertreten wie de Gaulle. Dem Vereinigten Königreich und Finanzkreisen nahestehend, beging er den großen Fehler, Großbritannien in den gemeinsamen Markt aufzunehmen - ein Faktor, der die erste beträchtliche Konjunkturabschwächung der europäischen Wirtschaften und das Ende der "Karolingischen Konzeption" des Gaullismus nach sich zog.

In Deutschland war Willy Brandt, ein überzeugter Europaanhänger, an die Regierung gekommen. In einem Bericht, den der Ökonom Ivo Maes für die Nationalbank Belgiens verfaßte, beschreibt Maes, von wem diese neue Offensive ausging: "Die Tatsache, daß Willy Brandt zum neuen deutschen Bundeskanzler gewählt wurde, war sehr wichtig. Brandt war, ebenso wie Gaston Eyskens (Belgien) und Pierre Werner (Luxemburg), ein überzeugter Anhänger des europäischen Föderalismus und der EWU sehr zugetan. Brandt war Mitglied von Jean Monnets 'Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa', das er konsultierte, bevor er das Haager Gipfeltreffen vorbereitete. Monnet hatte Triffin herangezogen, auf den der Vorschlag für einen Europäischen Währungsfonds zurückging."

Bei diesem Haager Gipfel 1969 baten die Staatsoberhäupter den luxemburgischen Premierminister Pierre Werner, einen Plan für die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion auszuarbeiten. Der Werner-Plan, der 1970 unter dem Titel "Europa auf dem Weg zu einer Währungsunion" präsentiert wurde, stellte sich wiederum in die Kontinuität des Vorschlags von Marjolin von 1962 und bezog sich sogar auf den "Vorschlag von Robert Triffin und Robert Marjolin von 1958 zur Schaffung eines Europäischen Rücklagenfonds als letztendliches Ziel einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik". Der Plan sah vor: die stufenweise Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion über einen Zeitraum von maximal sieben bis zehn Jahren, einschließlich eines Mechanismus' zur Reduzierung der Wechselkursschwankungen; die Definition einer Europäischen Verrechnungseinheit, die zunächst pragmatisch und freiwillig verwendet werden und die Entwicklung eines selbständigen europäischen Finanzmarktes fördern sollte sowie die Schaffung eines Europäischen Währungskooperationsfonds, der die notwendige finanzielle Hilfe für kurz- und mittelfristige Finanzoperationen der Gemeinschaft organisieren sollte.

In einer siebten Stufe sollte sich der Währungskooperationsfonds zu einem Europäischen Rücklagefonds mit stark ausgeweiteter Verantwortung umformen, und Pierre Werner schreibt, daß die Zentralbanken "in Übereinstimmung mit Professor Triffins Plan, der vom Monnet-Komitee veranlaßt wurde, einen bestimmten Teil ihrer weltweiten Geldreserven in Form einer Einlage halten würden. Diese Reserven würden in Verrechnungseinheiten ausgewiesen." Werner bemerkt dazu, daß "die Verwendung einer europäischen Verrechnungseinheit uns ein beträchtliches Stück näher an den letzten Schritt bringen wird, der die abschließende Zentralisierung der Geldpolitik und die Ersetzung der nationalen Währungen durch eine einheitliche europäische Währung bedeutet. Dies wird vermutlich nur im Kontext einer stärkeren politischen Verflechtung erfolgen."

Ein Indiz dafür, daß die von diesen "Vätern" Finanzeuropas verfolgten Ziele, die den Ausgangspunkt des Euro-Dollar-Marktes bildeten, alles andere als idealistisch waren, ist eine dem Werner-Bericht beigefügte Note über den freien Kapitalverkehr. Darin werden die Staaten aufgefordert, Maßnahmen zur Einführung eines gemeinsamen Europäischen Finanzmarktes zu ergreifen.

Man sieht auch im Werner-Plan eine Form des monetären Extremismus, der die völlige Freiheit des Verkehrs von Waren, Menschen und Kapital mit einer äußerst strengen Kontrolle der Geld- und Budgetangelegenheiten durch eine einzige supranationale Behörde verbindet. Drei Bedingungen wären demnach für die EWU notwendig: "Eine völlige und irreversible Konvertibilität der Währungen untereinander, eine vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs und die vollständige Integration der Bank- und anderen Finanzmärkte, die Eliminierung von Fluktuationsspannen und die Festsetzung unwiderruflicher Paritäten."

Zum Glück für die Europäer, brachte damals die Krise, die das Ende des Bretton-Woods-System herbeiführte, alle diese Pläne erst einmal zum Stillstand. Die Schaffung der Europäischen "Währungsschlange" im Jahre 1972 und des Europäischen Währungssystems 1978 folgten dann einer anderen Logik: Es waren Maßnahmen, die aus dem Bedürfnis heraus getroffen wurden, die europäischen Wirtschaften zu verteidigen in einer Welt, in der die Freigabe der Wechselkurse und die Globalisierung schwerwiegende Auswirkungen auf diese Wirtschaften hatte; die Absicht dieser Maßnahmen war nicht, eine supranationale Europäische Währungsunion zu schaffen.

Vom Werner-Plan zum Delors-Plan: Tietmeyers Sicht

Die Aussagen Hans Tietmeyers, der zwischen 1993 und 1999 Präsident der Bundesbank war, sind, angesichts seiner systematischen und schamlosen Verteidigung des Standpunktes der Banken gegen die Interessen des Volkes in gewissen Schlüsselmomenten der Geschichte der EWU, besonders aufschlußreich. In einer Rede am 26. April 2005 vor der Royal Irish Academy in Dublin betonte Tietmeyer, der der Werner-Gruppe angehörte, daß "die wirkliche Umkehr bei der europäischen Währungspolitik" 1983 stattfand, "als es in der französischen Regierung zu einer starken Auseinandersetzung über die zukünftige Orientierung der Innenpolitik kam. Es war der neue Finanzminister Jacques Delors, der es schaffte, die Unterstützung von Präsident Mitterrand für eine grundlegende Verlagerung der französischen Innen- und Wirtschaftspolitik hin zu einer systematischen Orientierung in Richtung Stabilität zu gewinnen."

Man erinnert sich gut an diese Auseinandersetzung, die die Einführung der Politik des "liberalen Umschwungs" durch François Mitterrand auslöste - eine katastrophale Sparpolitik, die danach für seine gesamte Amtszeit charakteristisch war. Nach seiner Wahl 1981 hatte Mitterrand eine radikale Politik der Verstaatlichung von Privatbanken und großen Industriebetrieben in Gang gesetzt. Nicht weniger als 36 Banken wurden verstaatlicht, darunter die beiden wichtigsten, Paribas und Suez, sowie auch die sieben größten Industriegruppen wie Rhone Poulenc, Saint Gobain, Pechiney und Usinor. Unter dem Deckmantel einer radikalen linksgerichteten Politik zielte Mitterrands Offensive besonders darauf ab, die alten Gaullisten durch junge sozialistische Beamte oder "europäisch" denkende Bürokraten zu ersetzen, die dem Kreis der internationalen Sozialisten mehr oder weniger nahestanden.

Ende 1982 war die französische Wirtschaft als Folge dieser Politik, die nicht von einer schlüssigen wirtschaftlichen Entwicklungsstrategie unterstützt wurde, erschöpft; es drohte massive Kapitalflucht und Chaos. Innerhalb der Regierung kam es zu einem Konflikt. Auf der einen Seite standen Jean Pierre Chevènement und Laurent Fabius, die für einen Rückzug Frankreichs aus dem europäischen Wirtschaftssystem und für die Freigabe des Francs waren, auf der anderen Jacques Delors und Pierre Mauroy, die dafür waren, in dem System zu bleiben und eine grausame Sparpolitik einzuführen. Damals nahm Jacques Delors die Dienste seines guten Freundes Michel Camdessus - damals Präsident der Banque de France - in Anspruch, um Laurent Fabius zur Aufgabe seiner Haltung zu bewegen, indem er ihm zeigte, daß die Kassen der Banque de France hoffnungslos leer waren und diese Institution nicht dazu in der Lage war, die Währung gegen Angriffe zu schützen. Fabius ließ sich überzeugen und gab auf, und Mitterrand führte 1982 mit einem ersten Plan Jacques Delors' Politik der Härte ein. Ein zweiter und dritter Plan folgten 1983 und 1984. Diese Politik machte Mitterrand zu einem der unpopulärsten Präsidenten in der Geschichte Frankreichs, dem aus den gleichen Gründen nur noch Jacques Chirac während seiner zweiten Amtszeit Konkurrenz machen konnte.

1985 wurde Jacques Delors zum Präsidenten der EG-Kommission ernannt. Diesen Posten behielt er bis 1995, und er setzte alle seine Energien an die Aufgabe, einen von Mitterrand geführten europäischen Supranationalismus zu realisieren. Unter seiner Amtszeit als Präsident der EG-Kommission gelang es den Finanzmächten schließlich, eine einheitliche Währung einzuführen und die EU-Mitgliedstaaten zu einer vollständigen Abschaffung ihrer Währungssouveränität zu bewegen - zugunsten einer unabhängigen Europäischen Zentralbank, deren Politik von den Finanzmärkten definiert wird.

Aber erst 1988 begann die Geschichte der EWU richtig. Tietmeyer zufolge "kam es zu einer bedeutsamen Entwicklung, als wir Deutschen vertrauliche Informationen über mögliche Veränderungen der französischen Position erhielten. Diese besagten, daß die Franzosen dazu bereit sein könnten und würden, die Übertragung der nationalen Währungspolitik auf eine supranationale Institution, wie etwa die Europäische Zentralbank, ins Auge zu fassen." Aufgrund dieser Information schlug die deutsche Präsidentschaft beim EU-Gipfel in Hannover im Juni 1988 die Schaffung einer Gruppe vor, die unter der Leitung von Jacques Delors einen Stufenplan zur Schaffung einer EWU ausarbeiten sollte.

Der Delors-Plan von 1989

Der Delors-Plan wurde 1989 beim EU-Gipfel von Madrid vorgestellt. Er beinhaltete alles, was die Fraktion der Synarchisten sich von Anfang an gewünscht hatte. In perfekter Kontinuität geht der Delors-Plan von den Prämissen des Werner-Plans aus und orientiert seine Vorschläge am Aktionsprogramm von 1962, aus dem wiederum als Option der alte Vorschlag eines Europäischen Rücklagefonds von Triffin und Marjolin aufgegriffen wird!

Der Delors-Plan sieht drei Phasen zur Schaffung einer einzigen Währung und einer einzigen Institution für monetäre Entscheidungen in Europa vor, der die Mitgliedstaaten ihr Entscheidungsrecht in diesem Bereich abtreten: Das von der Europäischen Zentralbank geleitete europäische System der Zentralbanken ist unabhängig von jeder politischen Kontrolle und macht eine von den Finanzmärkten diktierte Politik. Man beachte auch den starken Einfluß des Ökonomen Robert Mundell auf alle diese Pläne, der das Konzept der "optimalen regionalen Wirtschaftszonen" erfand, das eine völlige Deregulierung des Verkehrs von Waren, Menschen und Dienstleistungen mit extrem strengen Richtlinien für die Haushaltspolitik und die Verschuldung verbindet.

Nach dem Delors-Plan verpflichten sich die Mitgliedstaaten dazu, einen ungezügelten und uneingeschränkten Wettbewerb zu garantieren, "öffentliche Subventionen zugunsten bestimmter Teilbereiche" strikt einzuschränken. Eingriffe der Regierungen gegenüber der Europäischen Zentralbank werden untersagt und es wird erklärt, daß "Flexibilität der Löhne und Mobilität der Arbeitnehmer notwendig ist, um die Wettbewerbsunterschiede zwischen den verschiedenen Ländern und Regionen aufzuheben".

Man sollte beachten, daß die Gruppe, die den Delors-Plan ausarbeitete, fast vollständig aus Zentralbankiers bestand. Das hatte seinen Grund in der Tatsache, daß Delors ausdrücklich darauf bestand, die Wirtschafts- und Finanzminister der gewählten Regierungen aus dem Ausschuß fernzuhalten, weil er fürchtete, daß einige von ihnen seine Vorschläge ablehnen würden. Der Ausschuß setzte sich daher aus zwölf Zentralbankiers der Mitgliedstaaten und drei "unabhängigen" Experten zusammen: Alexander Lamfalussy, damals Direktor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Niels Thygesen, ein dänischer Wirtschaftswissenschaftler, der Robert Mundell und seiner Siena-Gruppe nahesteht, und Miguel Boyer von der Banco Exterior de Espana. Von den Zentralbankiers, die an diesem Unternehmen beteiligt waren, gehören heute einige - wie der ehem. Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl (1980-1991), der seine Karriere im Beirat der Carlyle Gruppe der Familie Bush beschloß, und Hans Tietmeyer (1993-1999) - zu den entschiedensten Unterstützern der herrschenden Finanzmächte. Frankreich, das damals noch eine öffentliche Zentralbank besaß, wurde von Jacques de la Rosière vertreten.

Die deutsche Wiedervereinigung und die Unabhängigkeit der EZB

Auf dem EU-Gipfel vom 26.-27. Juni 1989, der grünes Licht für die erste Phase zur Einführung der EWU gab, herrschten immer noch stark voneinander abweichende Ansichten. In Frankreich z.B. bevorzugte der damalige Wirtschaftsminister Pierre Beregovoy eine gemeinsame Währung für Transaktionen außerhalb der Europäischen Union, während Mitterrand und Delors eine Einheitswährung wollten. Margaret Thatcher weigerte sich, sich mit ihrem Land dieser Politik anzuschließen, und Kanzler Kohl zögerte, die Deutsche Mark aufzugeben.

Erst beim EU-Gipfel von Straßburg im Dezember 1989 stimmte Kohl inmitten der starken Spannung, die mit dem Fall der Berliner Mauer und der deutschen Wiedervereinigung einhergingen, zu, die D-Mark aufzugeben und Deutschland der EWU anzugliedern. Er forderte als Gegenleistung von seinen Partnern, daß die EZB wie die Bundesbank unabhängig sein müsse von allen gewählten Regierungen.

Dies ist die offizielle Geschichtsschreibung seit Jacques Attali seine Memoiren - Verbatim I-III ("Wörtlich, Bd. I-III") - über seine Zeit im Elysee-Palast veröffentlichte, wo er als "Graue Eminenz" unter François Mitterrands zwischen 1981 und 1991 bei jedem wichtigen Treffen Mitterands zugegen war. In einem neueren Buch mit dem Titel Es war François Mitterrand präsentierte Attali weitere Details, aus denen hervorgeht, daß Mitterrand aus Angst, Frankreich würde seine politische Führungsrolle in Europa verlieren, gegen die Wiedervereinigung Deutschlands war und sein Möglichstes tat, sie aufzuhalten und sogar zu verhindern. Attali berichtet über ein Treffen Mitterrands mit dem deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher, den Bundeskanzler Kohl am 30. November 1989 nach Frankreich geschickt hatte, um die Nachricht zu überbringen, daß die deutsche Regierung der EWU beim Gipfeltreffen von Straßburg zustimmen würde. Als Genscher über eine deutsche Wiedervereinigung redete, ohne sie in den Kontext einer neuen EWU zu stellen, hämmerte Mitterrand auf Genscher ein: "Wenn die Einheit Deutschlands vor der Schaffung einer europäischen Einheit realisiert wird, werden Sie sich einer Tripelallianz (Frankreich, Großbritannien und UdSSR) gegenübersehen, genau wie in den Jahren 1913 und 1939. Sie werden, ohne Zweifel, 80 Millionen Bürger zählen, aber wenn die UdSSR sich gegen Sie stellt, sind Sie eingekreist, und das wird in einem Krieg enden, in dem alle Europäer sich gegen die Deutschen stellen werden. Ist es das, was Sie wollen? Wenn jedoch die deutsche Einheit nach der Vollendung einer europäischen Einheit weiterbetrieben wird, werden wir Ihnen helfen."

Zwei der engsten Mitarbeiter Mitterrands bestätigten, daß Frankreich von Deutschland tatsächlich forderte, im Austausch für die deutsche Wiedervereinigung der EWU und der Eurozone beizutreten. In einem Interview für das Magazin Limes erklärte Hubert Védrine 1998: "Die Idee der EWU bestand seit den siebziger Jahren in Gestalt des Werner-Plans... Es war der besondere Zusammenhang, der durch den Beginn der Wiedervereinigung geschaffen wurde, die schon bestehende starke persönliche Beziehung zwischen Mitterrand und Helmut Kohl, ihre gemeinsame Vision der Zukunft und Europas, die es erlaubten, im Dezember 1989 in Straßburg die wahre Entscheidung zu treffen, aus der sich alles übrige ergab." Auf die gleiche Frage antwortete Jacques Delors lächelnd, daß "die Umstände den großen Ideen manchmal dienlich sind - und taktische und politische Fähigkeiten"!

Als Gegenleistung für seine Zustimmung zur EWU forderte Deutschland seinerseits, daß die EZB unabhängig von politischer Kontrolle sein müsse.

Ohne François Mitterrand gäbe es vielleicht keine EWU. Jacques Attali betont in seinem neuesten Buch, daß diese europäische Konstruktion Mitterrands Aufmerksamkeit während seiner zweiten Amtszeit, von 1988 bis 1995, völlig in Anspruch nahm und "ihre Realisierung und ihre Fortführung für ihn zur Besessenheit wurde, bis zu dem Punkt, daß er sie 1988 als Grund für seine Bewerbung für eine weitere Amtszeit anführte". Jacques Attali betont auch oft, daß Mitterrand außer dieser Aufgabe keine wirklichen Ziele mehr für seine zweite Amtszeit hatte.

Das ist nicht verwunderlich, wenn man Mitterrands persönlichen Hintergrund seit den dreißiger Jahren kennt. Wie heute wohlbekannt ist - da er selbst dem Journalisten Pierre Pean Teile dieser Geschichte gegenüber enthüllt hat, damit dieser eine "schadensbegrenzende" Version seiner Biographie veröffentlichen konnte - , gehörte Mitterrand einem Kreis an, der von der Synarchie kontrolliert wurde. Die Synarchie ist eine geheime Organisation von Bankiers, die Mussolini, Franco und Hitler an die Macht brachten, um ihre Interessen in der Folgezeit der großen Krise zu sichern, und die sich vom Kommunismus bedroht fühlten. François Mitterrand wird nachgesagt, er habe sich mit "La Cagoule" eingelassen, was wörtlich "die mit den Kappen" bedeutet, denn sie verhüllten ihre Köpfe bei ihren Treffen nach Art des Ku-Klux-Klan. La Cagoule wurde im Jahr 1934 von einem Eugene Deloncle gegründet und von Eugene Schuller, dem Leiter des Kosmetikgiganten l'Oreal, finanziert.

Schullers Tochter Liliane war mit André Bettencourt verheiratet, der während der Besatzung als Chef der "Propagandastaffel" unmittelbar den Anweisungen von Propagandaminister Goebbels, der Wehrmacht und der Gestapo unterstand. Erst 1942, als die Niederlage von Stalingrad deutlich machte, daß die Nazis den Zweiten Weltkrieg verlieren würden, schickte Schuller Bettencourt im Zusammenhang mit dem "Arisierungsprozeß" ihres Schweizer Unternehmens Nestlé in die Schweiz, um Kontakte zum damaligen Kopf des US-Geheimdienstes in Europa, Allen Dulles, herzustellen und den Bruch mit Pétains Regierung in Vichy zu organisieren. Bei der Befreiung retteten die Londoner Mitglieder der "Cagoule" ihre Genossen aus Vichy. Dank der Aussagen André Bettencourts und François Mitterrands blieb Schuller völlig unbehelligt und L'Oreal wurde zu einer Zufluchtsstätte für ihre alten Freunde. Mitterrand wurde als Direktor von Votre Beauté, einem Magazin des L'Oreal-Konzerns, eingestellt, André Bettencourt trat in den Vorstand der Gruppe ein. Mitterrands Freundschaft mit Bettencourt war so eng, daß er, als er Präsident war, erwog, Bettencourt zum Premierminister einer seiner Regierungen zu machen, sich jedoch anders besann, als er erkannte, daß dies zweifellos eine genauere Untersuchung seiner Vergangenheit provozieren könnte. Die Familie Bettencourt, die zweitreichste Familie Frankreichs, ist auch heute noch Königsmacher, und es wurde kürzlich berichtet, daß Anne Fulda, Journalistin beim Figaro, Nicolas Sarkozy in deren Salon eingeführt habe.

Die Oligarchie

So wurden Frankreich und Deutschland dazu verleitet, die schlimmste Politik der internationalen finanziellen Synarchie zu übernehmen, eine Politik, die mittlerweile dazu geführt hat, daß die Finanzmächte die produktive Wirtschaft und die Geschicke der Bevölkerung Europas vollständig kontrollieren.

Wie wir gesehen haben, findet man die Spuren der Finanzoligarchie von Anfang an in der Geschichte der EWU. Zu den am besten sichtbaren Gruppen, die der internationalen Finanzoligarchie vermutlich aber nur als Sprachrohr dienen, gehören die Rockefeller-Stiftung und die Bilderberg-Gruppe, die von David Rockefeller und Prinz Bernhard von Holland gegründet wurden. 1973 begann die Trilaterale Kommission offen, eine globalisierte und in drei Zonen geteilte Welt zu propagieren. Diese drei Zonen sind: Die Vereinigten Staaten, Europa und Asien - eine Vision die völlig mit den imperialen Ideen Kojèves, aber auch mit der Währungskonstruktion Robert Mundells und seiner Siena-Gruppe übereinstimmt.

Daher ist es kein Zufall, daß man Marjolin, Barre und ihre Mitarbeiter unter den Mitgliedern der Trilateralen Kommission findet. Sieben weitere Mitglieder dieser Kommission kommen aus dem Jean-Moulin-Club, dem auch Jacques Delors angehörte. Dort findet man neben Michel Crozier, der zusammen mit Samuel Huntington einen Artikel über die "Die Krise der Demokratie" verfaßte, "Christlich-Soziale", die vor dem Krieg in den "intellektuellen" Clubs wie den "Decades de Pontigny" verkehrten, oder in Uriage, der Kader-Schule, die nach der Niederlage im besetzten Frankreich gegründet wurde, um Führer für Pétains Nationale Revolution wie Paul Delouvrier und François Bloch Lainé auszubilden. Das Aspen-Institut, wo sowohl Raymond Barre und Jacques Delors als auch Michel Perebeau von der Bank BNP-Paribas und der frühere Wirtschafts- und Finanzminister Thierry Breton verkehren, ist ebenfalls eine Brutstätte dieses Netzwerkes. Der gegenwärtige Präsident der EZB Jean Claude Trichet gehört der Bilderberg-Gruppe an, ebenso wie Henri de Castries, der Präsident des Versicherungsgiganten AXA und rechte Hand von Claude Bebear, der sich in den letzten Jahren einen Ruf als "Pate" des französischen ultraliberalen Kapitalismus erworben hat. Man sollte noch erwähnen, daß beide, Raymond Barre und Claude Bebear, bekanntermaßen Antoine Bernheim, einem führenden Kopf der Lazard-Frères-Galaxie, nahestehen, die vor dem Krieg zu den sichtbareren Elementen der Synarchie gehörte und noch heute der äußerst oligarchischen Assicurazione Generali de Trieste e Venezzia vorsteht.

Nachdem wir (Jacques Cheminades Partei Solidarité & Progrès, Anm. d. Red.) einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Ablehnung des Vertrages über die Europäische Verfassung durch die Bürger Frankreichs geleistet haben, nutzen wir die Gelegenheit entschlossen kundzutun, daß wir unseren Kampf fortsetzen, bis dieser Vertrag zurückgenommen wird und Frankreich wieder zu einer nationalen sowie europäischen Politik zurückkehrt, die den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht, und nicht denen der oligarchischen Finanzmächte.