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„Wen die Götter zerstören wollen...“ - Auf dem Weg zum Dritten Weltkrieg

von Helga Zepp-LaRouche
 

Jedem wachsamen Zeitgenossen müßte klar sein, daß wir kurzfristig potentiell an der Schwelle zu einem globalen Nuklearkrieg stehen, der durch eine weitere Eskalation eines jeden der beiden Konflikte – Ukraine-Krieg und Israel-Hamas-Konflikt – ausgelöst werden kann. Was diese Lage unmittelbar so beispiellos gefährlich macht, ist die Tatsache, daß die Staatschefs des Westens nicht auf einen sofortigen Waffenstillstand und diplomatische Lösungen dringen, sondern einseitig Partei ergreifen, und daß die USA sich offensichtlich mittelfristig darauf vorbereiten, einen Krieg mit Rußland und China gleichzeitig zu führen, der in jedem Fall ein nuklearer wäre.

Angesichts dieser existentiellen Gefahr für die gesamte Menschheit brauchen wir eine weltweite Mobilisierung für einen sofortigen Waffenstillstand in beiden Konflikten, Unterstützung für den chinesischen Vorschlag für eine Friedenskonferenz für Südwestasien, und eine neue globale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur, die die Geopolitik endgültig ad acta legt, das Interesse der gesamten Menschheit voranstellt und die Interessen eines jeden Staates auf diesem Planeten berücksichtigt. Mit anderen Worten, wir brauchen dringend ein völlig neues Paradigma als Grundlage der internationalen Politik.

Gestern deutete der israelische Verteidigungsminister Gallant an, daß eine Bodenoffensive in Gaza kurz bevorsteht, die „lang und intensiv“ würde. Gleichzeitig bereiten sich Israels Nachbarn auf eine regionale Eskalation vor, bei der es zur Eröffnung einer zweiten Front zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon kommen könnte, und die im schlimmsten Fall den Iran mit einbeziehen würde. Ab diesem Zeitpunkt könnte man alle Berechnungen beiseite legen.

Die USA entsenden bereits zwei Flugzeugträgergruppen, die USS Dwight D. Eisenhower Carrier Strike Group und die Gerald R. Ford Group, das Kommandoschiff USS Mt. Whitney, Flaggschiff der 6. US-Flotte, insgesamt zehn Kriegsschiffe und 12.000 Mann, die bald alle unter dem gemeinsamen Kommando des Kommandanten der 6. US-Flotte, Vizeadmiral Thomas Ishee, stehen werden, und damit sozusagen „Gewehr bei Fuß“ zum Eingreifen in den Konflikt in Südostasien bereit sind.

Unterdessen hat die Biden-Administration unangekündigt ATACMS-Raketen an die Ukraine geliefert, was eine weitere Eskalation gegenüber Rußland darstellt. Der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, regierte darauf scharf: „Die Konsequenzen dieser Aktion, die absichtlich vor der Öffentlichkeit versteckt wurde, werden von der schwerwiegendsten Art sein... Wir haben erklärt, daß das Vollpumpen des Kiewer Regimes mit Waffen ernsthaft die strategische und regionale Sicherheit untergräbt. Die USA stiften eine direkte Konfrontation zwischen der NATO und Rußland an.“

Als Reaktion auf diese Entwicklungen nutzte Präsident Putin die Bühne seiner Pressekonferenz aus dem Gästehaus der Regierung in Beijing, um beiläufig mitzuteilen, daß russische Kampfflugzeuge, die jetzt permanent über dem Schwarzen Meer Patrouille fliegen, mit der Überschallrakete Kinschal ausgerüstet sind, die mit einer Geschwindigkeit von Mach 9 fliegen kann. Putin wörtlich:

„Und schließlich ist es ein größerer und hochbedeutsamer, wenn auch bisher nicht wahrnehmbarer Fehler, daß die Vereinigten Staaten sich direkter in diesen Konflikt einmischen... Ich möchte Ihnen sagen – was ich Ihnen jetzt sage und mitteile, ist keine Drohung –, daß ich die russischen Luft- und Raumfahrtkräfte angewiesen habe, in der neutralen Zone über dem Schwarzen Meer dauerhaft zu patrouillieren. Unsere MiG-31-Flugzeuge sind mit Kinschal-Systemen ausgerüstet, die bekanntlich eine Reichweite von über 1000 Kilometern haben und Geschwindigkeiten von bis zu Mach 9 erreichen können.“

    Später bekräftigte Putin: „Ich habe betont, daß das keine Drohung ist. Aber wir werden eine visuelle und waffengestützte Kontrolle über das Geschehen im Mittelmeer durchführen.“ Damit können diese Raketen, gegen die es bisher keine Abwehr gibt, mit nur geringer Flugzeit sowohl alle militärischen Ziele in der Ukraine treffen als auch die US-Flugzeugträger vor der israelischen Küste versenken. Wann die Kinschal-Raketen zum Einsatz kommen könnten, z.B. wenn russische Verbündete wie Syrien oder der Iran in die Ausweitung der militärischen Operationen involviert würden, wissen genau nur die Planer.

    Gleichzeitig versucht Präsident Biden, trotz der totalen Überschuldung der USA von 33.628.038.748.492 Dollar (Stand Anfang Oktober) und enormer wirtschaftlicher und sozialer Probleme im Land beim Kongreß noch einmal weitere 100 Milliarden Dollar für diverse Operationen durchzusetzen: rund 60 Milliarden für die Ukraine, 10 Milliarden für Israel, der Rest für Taiwan und die Abwehr von Flüchtlingen an der Grenze zu Mexiko. Und Finanzministerin Janet Yellen setzt trotz aller Anzeichen eines gewaltigen Reputationsverlustes des Dollars und der damit verbundenen Dedollarisierung immer noch auf die Fähigkeit der wundersamen Geldvermehrung und betont, es sei für die USA überhaupt kein Problem, zwei Kriege gleichzeitig zu finanzieren.

    Ungeachtet aller Realitäten auf dem Schlachtfeld – das Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive wird inzwischen selbst von den Mainstream-Medien zugegeben – wird eine baldige Beendigung der Kriege sowohl im Fall der Ukraine als auch im Fall Israel-Hamas explizit ausgeschlossen: Das State Department gab jetzt sogar Anweisungen an US-Diplomaten und andere aus, alle Formulierungen wie „Deeskalation“, „Friedensgespräche“, „Ende der Gewalt“ oder „Waffenstillstand“ zu vermeiden. Zu den „anderen“ gehört offenbar auch Bundeskanzler Scholz, für den diese Vokabeln offensichtlich Fremdwörter sind – im deutlichen Gegensatz zum Gesetzgebungsauftrag aus Artikel 26 des Grundgesetzes, der im Kontext mit Artikel 24 und 25 sowie der Präambel des Grundgesetzes die Friedensverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland festlegt.

    Die Frage ist, ob die Ampel-Koalition immer noch „alles gemeinsam“ mit den USA durchführen will, wenn es um die zukünftige strategische Ausrichtung geht. Denn der neue Militärstrategieplan der USA sieht einen gleichzeitigen Konflikt mit Rußland und China vor, was eine deutliche Abweichung von der bisherigen Einschätzung darstellt, nach der die USA bestenfalls einen Krieg mit einer Supermacht und einen gleichzeitigen regionalen Konflikt bewältigen könnten.

    Und dann ist da noch die bemerkenswerte Formulierung, die Biden in der CBS News-Sendung „60 Minutes“ vom 15. Oktober benutzte: „Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn wir tatsächlich ganz Europa vereinen und Putin endlich ausgeschaltet ist (put down), so daß er den Ärger, den er verursacht, nicht länger verursachen kann.“ Die Formulierung put down, die sich wahlweise mit „niedermachen“ oder „(ein Tier) einschläfern“ übersetzen läßt, ist geradezu haarsträubend, wenn sie im Zusammenhang mit dem Oberbefehlshaber der stärksten Nuklearmacht der Welt verwendet wird.

    Putins Antwort, als er um einen Kommentar zu Bidens Bemerkung gefragt wurde, fiel vergleichsweise gelassen aus: „Wir haben in Rußland ein bekanntes Sprichwort: Lebe lang, lerne viel. Und das gilt nicht nur für Präsident Biden, sondern für die politische Elite in den USA. Wir müssen lernen, die anderen zu respektieren, und dann gibt es keine Notwendigkeit, irgendjemanden niederzumachen... Respekt für andere Völker, andere Länder, andere Nationen, liegt in etwas anderem, nämlich ihre Interessen zu berücksichtigen.“

    Bisher scheinen allerdings nicht die Interessen irgendeiner Nation berücksichtigt zu werden, hingegen aber sehr wohl die des Militärisch-Industriellen-Komplexes in den USA wie in Deutschland. So stiegen die Aktien von Lockheed Martin nach dem Ausbruch des Israel-Hamas-Konflikts an einem einzigen Tag um 9 Prozent, und auch die anderen großen Waffenschmieden strichen fette Gewinne ein.

    Uneingeschränkt auf der Seite Israels zu stehen, wie Scholz es immer wieder betont, beantwortet allerdings nicht die Frage: von welchem Israel? Des Israels, dessen Bürger monatelang auf die Straße gingen gegen Netanjahus Justizreform, oder des Israels, das auch die letzten Reste der Möglichkeit eines palästinischen Staates verschwinden lassen möchte, oder des Israels, in dem die möglichst rasche Abwahl Netanjahus diskutiert wird? Daraus ergäben sich nämlich jeweils völlig andere Perspektiven. Und wäre es nicht auch angebracht, wenn die Medien in Deutschland berichteten, was selbst in Israel veröffentlicht wird, nämlich Netanjahus eigene gezielte Unterstützung der Hamas, um damit die Option eines palästinensischen Staates ein für allemal zu eliminieren?1

    Alle Kräfte, die daran interessiert sind, daß die Doppelkrise Ukraine-Südwestasien nicht in einen Weltkrieg eskaliert, sollten Druck auf ihre Regierungen ausüben, damit diese die vorliegenden Friedensinitiativen aufgreifen. Dazu gehört nicht zuletzt die von China vorgeschlagene Friedenskonferenz für Südostasien. Der von Lyndon LaRouche schon 1975 vorgeschlagene „Oasenplan“ liefert dazu das notwendige wirtschaftliche Entwicklungsprogramm, das die Basis für jede Befriedung der Region sein muß. Die Erfordernisse des Prinzips des Westfälischen Friedens verlangen auch, daß die von der UN beschlossene und von Israel selbst akzeptierte UN-Resolution 242 vom 22. November 1967 endlich umgesetzt wird.

    Aus den hier gemachten Ausführungen ergibt sich deutlich, daß wir uns gegenwärtig auf einer Flugbahn befinden, die früher oder später in die endgültige Katastrophe führt. Wir brauchen also eine sofortige Kehrtwende, und zwar nicht von 360 Grad, sondern von 180 Grad. Den Unterschied dürfte jeder Erstkläßler verstehen.

    zepp-larouche@eir.de