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Ist Dr. Markus Krall mit der Kettensäge unterwegs?

Ein Kommentar von Andrea Andromidas

Seit der Wahlkampagne von Javier Milei und dessen Wahlsieg in Argentinien trägt die Österreichische Schule der Volkswirtschaft ein sehr passendes neues Symbol: eine Kettensäge. Damit will der libertäre Javier nun alles abrasieren, was nach Auffassung dieser Wirtschaftsschule als überflüssig betrachtet wird, worunter anscheinend alles fällt, was nicht im Interesse der Besitzenden liegt. Er kündigte an, die Zahl der Ministerien von 19 auf 8 zu reduzieren, weil die private Hand das alles sowieso besser könne und gleichzeitig eine Menge Geld gespart werde. Das passiert gerade im weit entfernten Argentinien.

Hier in Deutschland plant Herr Dr. Markus Krall den großen Auftritt der selben Österreichischen Schule mit der Gründung einer neuen Partei, die, folgt man seinen jüngsten Verlautbarungen, vermutlich auch mit dem Symbol der Kettensäge an die Öffentlichkeit treten wird. In einer Rede vom 16. November vor dem Hayek-Verein in Dresden mit dem Titel „Zur Lage der Nation“ forderte er die Einsparung von acht Ministerien, sodaß am Ende neben dem Kanzleramt nur noch drei Ministerien nötig wären, nämlich das Verteidigungsministerium, das Finanzministerium und das Außenministerium, das man auch besser gleich zu einem diplomatischen Dienst herabstufe.1

Wie vor ihm schon Mussolini

Das alles ist nicht neu, sondern entspricht der alten aristokratischen Forderung dieser Denkschule, daß der Staat nämlich keine andere Aufgabe habe, als das Eigentum der Besitzenden zu sichern, nach außen und nach innen. Ganz ähnlich tönte schon Benito Mussolini vor gut 100 Jahren, im Juni 1921 in seiner ersten Rede vor dem italienischen Parlament:

„Es ist sinnlos, wenn Giolitti sagt, er wolle die Autorität des Staates wiederherstellen. Die Aufgabe ist enorm schwierig, weil es in Italien bereits drei oder vier Staaten gibt, die um die wahrscheinliche Machtausübung konkurrieren…

Andererseits muß man, um den Staat zu retten, eine chirurgische Operation durchführen. Herr Orano hat gestern gesagt, der Staat sei wie der Riese Briareo, der hundert Arme hat. Ich glaube, wir müssen 95 davon amputieren, das heißt, wir müssen den Staat auf seine rein rechtliche und politische Ausprägung reduzieren…

Der Staat soll uns eine Polizei geben, die die Herren vor Schurken schützt, eine gut organisierte Justiz, eine Armee, die für alle Eventualitäten gerüstet ist, eine Außenpolitik, die mit den nationalen Bedürfnissen im Einklang steht. Alles andere, und da schließe ich auch die höhere Schulbildung nicht aus, muß Sache des Einzelnen sein. Wenn man den Staat retten will, muß man den kollektivistischen Staat (Gut!), wie er uns durch den Krieg notgedrungen überliefert wurde, abschaffen und zum Manchesterstaat zurückkehren…

Der Bürgerkrieg wird auch durch diese Tatsache verschlimmert: daß alle Parteien dazu neigen, sich zu Armeen zu formieren. Daher ist der Zusammenstoß, der, wenn er nicht gefährlich war, als es sich um Parteien in einem nebulösen Zustand handelte, heute viel gefährlicher, wenn die Menschen klar umrissen, befohlen und kontrolliert werden. Andererseits ist es heute allgemein bekannt, daß die arbeitenden Massen auf dem Terrain der Gewalt geschlagen werden. Baidesi hat dies sehr richtig erkannt, aber den tieferen Grund nicht genannt; und der ist folgender: daß die arbeitenden Massen von Natur aus, ich wage es zu sagen, heilige Pazifisten sind, weil sie immer die statischen Reserven der menschlichen Gesellschaft dargestellt haben, während das Risiko, die Gefahr, die Lust am Abenteuer immer die Aufgabe, das Privileg der kleinen Aristokratien waren.“2

Wilhelm v. Humboldts staatliche Bildungsreform

Weil entscheidend, greifen wir heraus, was Dr. Markus Krall über die Bildung sagt:

„... nach meiner Überzeugung sollte das Bildungsministerium nur einen Mindeststandard an Bildung für die Schulen festlegen und die Schulen gehören privatisiert in Elternhand...“

Dieser verächtliche Blick auf eines der wichtigsten und brennendsten Themen im gegenwärtigen Deutschland zeigt, daß, wo selbst die geringste Idee von Staatskunst abhanden gekommen ist, keine Besserung, sondern nur der endgültige Absturz und das Abrasieren ganzer Bevölkerungsteile zu erwarten ist.

Wilhelm von Humboldt erhielt 1809 den Auftrag für den Entwurf einer staatlichen Bildungsreform. Diese Bildungsreform legte den Grundstein für den wissenschaftlichen und industriellen Aufstieg Deutschlands und wurde deshalb bis vor kurzem als Markenzeichen des Erfolgs in der ganzen Welt gepriesen und an vielen Stellen nachgeahmt.

Warum war das erfolgreich? Der Schwerpunkt Humboldts lag, entgegen landläufiger Meinung, nicht bei den Gymnasien, sondern bei dem Aufbau solider Grundschulen. Sein Anliegen war eine erstklassige Erziehung für alle Schichten der Bevölkerung, denn es gelte auch den Schatz zu heben, der sich in den ärmeren Bevölkerungsteilen finde. Alle Kinder sollten diese Möglichkeit bekommen, also mußten alle eine Erziehung erhalten, die nicht nur darin bestehe, lesen und schreiben zu lernen, sondern auch verstehen zu können, was man liest und was man schreibt.

Im Mittelpunkt seiner Überlegungen stand der Mensch, dessen Aufgabe es sei, alle seine Fähigkeiten und Anlagen optimal auszubilden. „Dieser gesamte Unterricht kennt daher auch nur ein und dasselbe Fundament. Denn der gemeinste Tagelöhner und der am feinsten Ausgebildete muß in seinem Gemüt ursprünglich gleichgestimmt werden, wenn jener nicht unter der Menschenwürde roh, und dieser nicht unter der Menschenkraft sentimental, chimärisch und verschroben werden soll.“

Außerdem, so meinte Humboldt, sei es durchaus sinnvoll, wenn der Tischler etwas von Griechisch verstehe, so wie es dem Professor nicht schade zu wissen, wie man Tische drechsle. Aber selbst wem das etwas übertrieben erscheint: Allein diese wenigen Aussagen zeigen, wie Humboldt dachte und welche Methode seine Empfehlungen begründeten, der die staatlichen Institutionen damals folgten und mit großem Erfolg in die Praxis umsetzten. Daß das heute anders ist, ist weder ein Argument gegen Humboldt noch gegen den Staat, sondern ein Ausdruck des allgemeinen kulturellen Niedergangs. Deswegen aber die Erziehung in private Hand zurückgeben zu wollen, offenbart nur den prinzipiell feudalen Charakter und den wirtschaftlichen Unverstand der Österreichischen Schule. Eine Industrienation kann ohne ein Erziehungssystem, das die Ausbildung aller Schichten der Bevölkerung priorisiert, nicht existieren. Herr Dr. Krall kann sicher sein, daß man das in China verstanden hat und daß man dort das „Prinzip Kettensäge“ nur als bedauerlich dumm und rückständig belächeln wird.

Andrea Andromidas ist Mitglied im Landesvorstand des BüSo Landesverbands Hessen

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