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Larry Summers, Rußland und der IWF

Eine der wenigen Personen, die das russische Akademiemitglied Sergej Glasjew in seinem Buch über die verheerenden Wirtschafts"reformen" der Ära Jelzin ("Genocide: Russia and the New World Economic Order, zu deutsch: Völkermord - Rußland und die Neue Weltordnung") namentlich erwähnte, war Larry Summers, der heute den Nationalen Wirtschaftsrat von Präsident Barack Obama leitet. Die deutsche Regierung ist sicher gut beraten, den folgenden Hintergrund bei ihrer Rußlandpolitik in Rechnung zu stellen. 

In seiner Beschreibung über den Kollaps der Pyramide der kurzfristigen russischen Staatsschulden („GKO-Bonds") im August 1998 schrieb Glasjew: „Die vorliegenden Beweise deuten darauf hin, daß die Entscheidungen über die Bankrotterklärung des russischen Finanz- und Bankensystems am 17. August zuvor mit dem damaligen stellv. US-Finanzminister Lawrence Summers und dem stellv. Verwaltungsdirektor des IWF, Stanley Fischer koordiniert wurden... Für die russische Führung führte Herr Anatoli Tschubais diese Koordinierung durch, der nicht nur für seine destruktiven Aktivitäten im Bereich der Privatisierung bekannt ist, sondern auch als erfolgreicher Spieler auf dem Markt der Staatspapiere."

Daß Summers Name in Rußland mit Korruption verbunden wird, liegt auch an einem USAID/Harvard-Projekt, in dessen Rahmen Andrej Shleifer, ein enger Vertrauter von Summers, die russische Regierung in Privatisierungsfragen beriet, während seine Frau und die Freundin eines Mitarbeiters gemeinsam aus einem Hinterzimmer der Vertretung des Harvard-Instituts für internationale Entwicklung (HIID) in Moskau einen Hedgefonds betrieben. Shleifer zahlte später eine Geldbuße von 2 Mio. $ und die Harvard-Universität 6 Mio. $, um eine Einstellung des Verfahrens gegen das HIID durch das Justizministerium zu erwirken.

Aber der HIID-Skandal ist unbedeutend im Vergleich zu dem Schaden, den Summers in Rußland zusammen mit dem IWF-Bürokraten Stanley Fischer, vor allem in den neunziger Jahren anrichtete. Die Ernennung von Summers auf seinen derzeitigen Posten hat in Rußland große Skepsis gegenüber der Regierung Obama ausgelöst - ausgenommen natürlich bei solchen Leute wie dem russischen Finanzminister Alexej Kudrin, der aus der gleichen internationalen Clique stammt wie Summers.

Wie Mark Ames am 10. November 2008 in einem Artikel in der Zeitschrift [i]The Nation [/i]in Erinnerung rief, sammelte Summers seine ersten Erfahrungen in der Sowjetunion und der Region der früheren Sowjetunion in den neunziger Jahren als junger Karrierist aus Harvard. Nach seiner Zeit als führender Wirtschaftsberater bei den Reformen im gerade unabhängig gewordenen Litauen verdoppelte sich die Selbstmordrate in diesem Land, und die Bevölkerung wählte die Kommunistische Partei wieder an die Macht.

Im Januar 1994 wurde bekannt, wie diktatorisch sich Summers gegenüber Rußland verhielt. Eine „höchst ungewöhnliche gemeinsame Stabsmitteilung" des IWF und der Weltbank, die, wie damals das [i]Wall Street Journal Europe[/i] meldete, zuvor mit dem damaligen Staatssekretär im US-Finanzministerium - Larry Summers - abgesprochen wurde - griff die russische Regierung dafür an, daß sie den bestehenden Industrien - „alteingesessene Produzenteninteressen", hieß es in dem Memorandum - zu viele Subventionen und Kredite gebe. Rußland wird in dem Memo vorgeworfen, es versäume es, die Inflation nach den üblichen monetaristischen Rezepten zu bekämpfen. Nur drei Monate zuvor hatte Jelzin das Parlament stürmen lassen, einen Monat zuvor hatte sich dann die Wut der Bevölkerung hierüber und über ihren einbrechenden Lebensstandard bei der Wahl vom Dezember 1993 gezeigt. Trotzdem verlangte das Summers-IWF-Weltbank-Memo, daß Rußland „den Übergang zu einer Marktwirtschaft beschleunigt". Als das Memo bekannt geworden war, verteidigte sich der IWF mit der Behauptung, die in Rußland herrschende Not sei nicht verursacht von Jelzins neoliberaler Schocktherapie, sondern vom Kollaps der Sowjetunion.

Auf gleicher Wellenlänge mit Summers war Anatoli Tschubais, der damalige Leiter des Staatskomitees für Privatisierungen. Drei Jahre später, Tschubais war inzwischen erster stellv. Premierminister, kam der nächste Summers-Skandal in Rußland. Es wurde nämlich ein Brief von Summers - „Lieber Anatoli" - an Tschubais bekannt, aus dem der Grad ihrer Verbundenheit und die selbstherrliche Haltung von Summers gegenüber Rußland deutlich wurde. In diesem Brief, den [i]Nesawisimaja Gaseta[/i] im September 1997 veröffentlichte, wies Summers Tschubais an, sich auf bestimmte Steuerreformen zu konzentrieren („in der Weise, daß die Wettbewerbsfähigkeit westlicher Produkte gestärkt wird", zitiert der Bericht), darauf, sog. Abkommen über gemeinsame Produktion (PSA) durchzusetzen, die ausländischen Investoren mehr Besitzrechte über die russischen Rohstoffvorkommen geben, sowie auf Rußlands Beitritt zur Welthandelsorganisation.

Neben Glasjews Buch gibt es zahlreiche weitere Berichte über die unmittelbaren Eingriffe von Summers. Der angesehene russsische Ökonom Prof. Stanislaw Menschikow berichtete im Dezember 1999 in der [i]Moscow Tribune[/i] über bestimmte Auseinandersetzungen im IWF und in der Weltbank. „Summers Sieg", so Menschikow damals, „führte dazu, daß der IWF gegenüber Rußland die Daumenschrauben weiter anzog."

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