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Benefizkonzert: Es muss einen anderen Weg geben - gemeinsam für Menschlichkeit!

Am Mittwoch vor Weihnachten veranstalteten die Berliner Philharmoniker mit vielen hervorragenden internationalen Künstlern ein außergewöhnliches Benefizkonzert „Gemeinsam für Menschlichkeit“.  Damit wurde zur sofortigen Freilassung aller aus Israel nach Gaza entführten Geiseln und zum Schutz der palästinensischen und israelischen Zivilbevölkerung aufgerufen.

In dem von den mitwirkenden Künstlern dazu veröffentlichten Aufruf heisst es:

„Nach dem mörderischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und inmitten einer verheerenden humanitären Krise im Gazastreifen werden immer noch mehr als hundert Geiseln, die aus ihren Häusern in Israel entführt wurden, gefangen gehalten. Ihr Leben und das der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und in Israel ist in Gefahr.

Wir fordern die sofortige Freilassung aller Geiseln und den Schutz aller Zivilistinnen und Zivilisten auf beiden Seiten. Auch die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen muss ausgeweitet werden. Die internationale Gemeinschaft fordern wir auf, sich für eine schnelle diplomatische Lösung einzusetzen, die die Gewalt beendet und den Menschen in der Region ein sicheres, gemeinsames Leben ermöglicht. Als Künstlergemeinschaft weigern wir uns, die Hoffnung auf eine solche Zukunft aufzugeben. Unsere Forderungen wollen wir mit unserem Konzert am 20. Dezember in der Philharmonie Berlin unterstreichen. …

Wir sind der festen Überzeugung, dass eine friedliche Lösung dieses Konflikts möglich ist, die die legitimen Bedürfnisse von Israelis und Palästinensern erfüllt und ein sicheres Leben beider Völker ermöglicht. Die Wiederherstellung der Hoffnung und eines menschenwürdigen Lebens in der Region wird viel Engagement und guten Willen erfordern. Es ist eine Aufgabe, der wir uns jetzt stellen müssen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“

Sämtliche Erlöse und zusätzliche Spenden beim Konzert gingen, so der Aufruf, an das israelische Abducted and Missing Families Forum sowie an die israelisch-palästinensischen Friedensorganisationen Women Wage Peace und Women of the Sun. Das Konzert wurde live über digitalconcerthall.com, rbbkultur.de und radioeins.de übertragen.

Das Konzert war nach Rückkehr des Orchesters von seiner Asien-Tournee kurzfristig organisiert worden und innerhalb weniger Tage ausverkauft gewesen, wie die Intendantin der Berliner Philharmoniker Andrea Zietzschmann in ihrer Einführung vor 2200 Gästen des voll besetzten Großen Saales sagte. Dies zeigt den tiefen Wunsch und die Hoffnung von Künstlern und Zuhörern,  angesichts der barbarischen Entwicklungen im Nahen Osten jetzt für Frieden und Menschlichkeit einzutreten und sich nicht Trauer, Zorn oder Resignation zu überlassen. 

Das zweistündige Programm begann mit dem 1. Satz von Robert Schumanns Klavierquintett op. 44, mit der legendären Pianistin Martha Argerich am Klavier, Guy Brainstein, Christian Tetzlaff (beide Violine), Gerard Causse (Viola) und Steven Isserlis (Violoncello),  Danach sang die Sopranistin Christiane Karg zwei Lieder von Felix Mendelssohn Bartholdy nach dem Text von Heinrich Heine, in Bearbeitungen für Sopran und Streichquartett „Allnächtlich im Traume seh ich dich“ und „Warum sind denn die Rosen so blass?“ Daishin Kshimoto und Elias Elias spielten Violine, Diyang Mei Viola und Ludwig Quandt Violincello.

Dann sprach Efret Machkawa aus Israel für die Familien der entführten Geiseln (Abducted and Missing Families Forum). Ihre Tante wurde mittlerweile freigelassen. Ihr Onkel jedoch befindet sich immer noch in der Gewalt der Hamas und gerade erst hat die Familie in einem Video gesehen, dass er noch lebt. Sie  sprach über die Liebe und Verehrung für ihrem Onkel, der als Agronom in vielen Ländern der Erde zu wichtigen Verbesserungen der Landwirtschaft beigetragen hat.  Frau Machkawa sagte, dieser Angriff habe vollkommen unschuldige Menschen getroffen und Menschen, die sich für die friedliche Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen. Sie selbst arbeitet seit langem im interkulturellen Dialog. Sie fühle sich betrogen, kämpfe aber darum, die Hoffnung und ihre Zuversicht wiederzugewinnen. Sie schloß mit einem leidenschaftlichen Appell für die sofortige Freilassung der Geiseln.

Taiseer Elias spielte im Anschluß ein Werk von Mesut Cemil für Oud solo (arabische Laute), gefolgt vom 3. Satz des Trios in Es-Dur op. 40 von Johannes Brahms mit Christian Tetzlaff (Violine), Stefan Dohr (Horn) und Kirill Gerstein (Klavier). Mitglieder der Berliner Philharmoniker und der Geigerin Lisa Batiashvili (2023/24  ist sie Artist in Residence bei den Philharmonikern) spielten den 3. Satz, ein Scherzo,  des Nonetts Es-Dur op. 38 von Louise Farrenc.   

Die international bekannten Sängerinnen Mira Awad und Noa, begleitet von Gil Dor (Gitarre), setzten einen weiteren Glanzpunkt mit ihren Songs „There must be another way“  (Es muss einen anderen Weg geben) und „Think of Others“. (2009 waren sie als erstes hebräisch/palästinensisches  Duo für Israel beim Eurovisionswettbewerb aufgetreten.) Sie luden das Publikum ein, den Refrain von „Think of Others“ in ihrer jeweils eigenen Sprache mitzusingen.

Dann sprach Meera Eilabouni, die die israelische und palästinensischen Friedensorganisationen Women Wage Peace und Women of the Sun  bei dem Berliner Konzert repräsentierte. (Wie es in dem Aufruf der Künstler heisst, war eine der Gründerinnen von Women Wage Peace die Friedensaktivistin Vivian Silver, die am 7. Oktober in ihrem Haus im Kibbuz Be’eri ermordet wurde.) Frau Eilabouni  verlangte die sofortige Freilassung der Geiseln sowie Diplomatie und Verhandlungen, um den über hundert Jahre andauernden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern endlich zu einer friedlichen Lösung zu bringen, die allen Menschen eine Zukunft und die Verwirklichung ihrer Menschenrechte bietet. Jede Mutter kämpfe für das Leben und Wohlergehen ihrer Kinder und werde nicht davon ablassen. Sie gab bekannt, dass beide Organisationen am gerade für den Friedensnobelpreis nominiert worden seien. 

Das musikalische Programm ging weiter mit dem Flötensolo Nr. 4 von Andre Jovilet (Pour une communion sereine de l'etre avec le monde“ aus Cinq Incantations für Flöte Solo), das Emmanuel Pehud hoch oben im Saal vor der Orgel vortrug. Anschließend sang der Bariton Thomas Hampson, begleitet von Kirill Gerstein am Klavier, das Lied des Verfolgten im Turm von Gustav Mahler (aus: Des Knaben Wunderhorn). Mit dem Satz „Die Gedanken sind frei“ - Mahler hat den Text dieses bekannten Liedes in dieser Komposition eingewoben - wandte sich Hampton am Ende einmal ringsum direkt an alle Zuhörer.

Ernest Blochs bewegendes „Gebet“, aus „Von Jüdischem Leben“ wurde von Steven Isserlis (Violoncello) und Iddeo Bar-Shai (Klavier) vorgetragen.

Die Schauspielerin Martina Gedeck rezitierte Bertold Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“ und endete mit Ingeborg Bachmanns Gedicht (1957) „Nach dieser Sintflut“:

Nach dieser Sintflut/möchte ich die Taube,/und nichts als die Taube,/noch einmal gerettet sehen.
Ich ginge ja unter in diesem Meer!/flög‘ sie nicht aus,/brächte sie nicht/in letzter Stunde das Blatt.

Martha Argerich und Iddo-Bar-Shai spielten in einer Bearbeitung für Klavier zu vier Händen die Sonatina aus „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ von Johann Sebastian Bach (aus: BWV 106). Zum Abschluß spielten die Berliner Philharmoniker unter der Leitung ihres Chefdirigenten Kirill Petrenko und mit Amihai Grosz (Viola) das Adagio nach hebräischen Melodien von Max Bruch „Kol Nidrei“, op. 47.

Mitgefühl, Wahrheit und Schönheit können Hass, Gewalt, Lüge und Hässlichkeit überwinden. Das  wurde an diesem besonderen Nachmittag in der Philharmonie tröstlich erfahrbar. Wenn wir in dieser Gewißheit auch handeln, kann die vielfältige und schöne Menschheitsfamilie ihre Zukunft gemeinsam aufbauen.  

Hier finden Sie das gesamte Programm und den Aufruf im Wortlaut.

Elke Fimmen

 

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