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Zur Geschichte des Synarchismus

von Anton Chaitkin

Der amerikanische Historiker Anton Chaitkin erläutert das synarchistische Phänomen am Beispiel des untergehenden Feudalsystems im 18. Jh., als es Lord Shelburne und dem britischen Geheimdienst gelang, eine Wiederholung der erfolgreichen Amerikanischen Revolution von 1776 auf europäischem Boden zu vereiteln, die Französische Revolution im blutigen Terror zu ersticken und mit Napoleon den ersten faschistischen Gewaltherrscher neuen Typs zu installieren.

Das Washingtoner Regime um Vizepräsident Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld bedroht nicht nur die Menschheit, sondern Amerika selbst. Immer mehr Amerikaner sehen in dem Washingtoner Regime von Vizepräsident Cheney, Verteidigungsminister Rumsfeld, dessen Stellvertreter Wolfowitz und deren ganzem Apparat der Lügen und Intrigen eine gefährliche Usurpation des Präsidentenamtes, das Ergebnis des Putsches vom 11. September 2001. Tatsächlich steht Dick Cheneys Kriegspartei politisch wie ideologisch in der Tradition des Synarchismus.[# LaRouches Wahlkomitee LaRouche in 2004 hat am 6. Januar ein 48seitiges neues Pamphlet über die Kriegspartei im Weißen Haus veröffentlicht. Children of Satan II: The Beast-Men ist die Fortsetzung der Schrift Children of Satan: The Ignoble Liars behind Bush's No-Exit War. Die auch auf deutsch erschienene Broschüre (Die Kriegspartei in der US-Regierung) dokumentiert, wie Vizepräsident Cheney die Regierung Bush in den Krieg und in den Ruin gesteuert hat und ist über die Dr.Böttiger Verlags-GmbH erhältlich. Das neue Pamphlet schildert die philosophischen Wurzeln von Cheneys Kreisen in der Geschichte des Synarchismus - der reaktionären Strömung, die von Napoleon Bonaparte über Hitler und Mussolini bis heute "Monster in Menschengestalt" hervorgebracht hat. Der englische Text steht auf der Internetseite www.larouchein2004.net.]

Um das Problem des Synarchismus zu verstehen und zu besiegen, braucht man ein wirkliches Verständnis der Geschichte, und das kann nicht nur eine - noch so komplexe - Auflistung von Verbrechen und Intrigen sein. Die wahre Geschichte handelt vom Ringen um den menschlichen Geist und wie sich die Nationen zu folgender Frage verhalten: Gab der Schöpfer uns Menschen den Verstand, um wissenschaftlichen und sozialen Fortschritt zu gestalten, oder müssen immer irgendwelche "Autoritäten" die Menschen am Gängelband halten, als wären sie nicht besser als Tiere?

Das ist das ständig bohrende grundsätzliche Problem jeder historischen oder politischen Analyse. Man sieht die Übeltäter, die sich für diesen oder jenen Zweck verbündet haben. Man sieht andere, die sich ehrlich für einen guten Zweck einsetzen. Doch was haben diejenigen getan, die mächtig genug waren, die Ereignisse im Großen zu gestalten, um beide Gruppen zu fördern oder zu hindern? Und welchen Grundideen folgten sie dabei?

Die Gründung der amerikanischen Republik beruhte auf Ideen und Vorarbeiten der europäischen republikanischen Philosophen und Staatsmänner - angefangen mit dem Humanismus Platons bis zu dessen Wiederbelebung in der Renaissance im 15. Jahrhundert und danach.

Die amerikanischen Siedlungen des 17. Jahrhunderts sollten Ausgangspunkt für eine neue Renaissance sein, sicher vor der Tyrannei der imperialistischen Herrscher in Europa, allen voran Venedig, mit ihren künstlichen Religionskriegen und Rachefeldzügen. Der Westfälische Friede von 1648 brachte Europa eine Ruhepause und die Aussicht auf dauerhaftes Überleben. Aber die eigentliche Hoffnung der humanistisch-fortschrittlichen Welt ruhte auf Amerika. Increase und Cotton Mather, John Winthrop, Alexander Spotswood und schließlich der Wissenschaftler Benjamin Franklin - in Geist und Taten verbündet mit den größten Köpfen Europas, Gottfried Leibniz, Jonathan Swift und ihren Freunden - , sie alle vereint rangen mit den europäischen Feudal- und Geldmächten um das Schicksal der Menschheit.

Franklins wissenschaftliche Arbeiten und Experimente waren von Platons Gedanken angeregt. Franklin focht auf der Seite von Leibniz im transatlantischen Ideenkrieg gegen die britischen Empiristen und das eigenartige Konstrukt eines "toten Universums" von Isaac Newton und John Locke.[# Siehe dazu H.Graham Lowry, How the Nation Was Won: America's Untold Story, Vol. I, EIRNS, Washington, D.C., 1988.]

Die Gegenspieler von Bowood 

Schon in den frühen 70er Jahren des 18. Jh. galt Franklin als Anführer einer weltweiten Bewegung für die Selbstregierung des Volkes und für wissenschaftlichen Fortschritt. Als Gesandter der amerikanischen Kolonien in England besuchte er häufig den Grafen von Shelburne auf dessen Landsitz Bowood. Shelburne leitete den dreiköpfigen "Geheimausschuß" der britischen Ostindiengesellschaft und war der sophistischste Vertreter der sinistren Geldmächte hinter dem britischen Thron.

Vorsichtig wägten die beiden Hauptkontrahenten einander ab. Shelburne mußte der Verhandlungspartner sein, denn Franklin wußte, daß Shelburne gewisse Zugeständnisse an die Amerikaner befürwortete, weil er fürchtete, bloß brutale Unterdrückung werde zu einem unkontrollierten Aufstand in den Kolonien führen.

Oft traf auf Bowood der mit beiden Männern bekannte internationale Personenkreis zum offenen Gespräch zusammen, um in freundschaftlich-gespannter Stimmung die jeweilige Gegenseite auszuforschen. Man sah dort Shelburnes Priester Abbé Morellet mit Franklin über Magie und Vernunft streiten, während Franklins wissenschaftlicher Zögling und Vertrauter Joseph Priestley die Bücherei seines Arbeitgebers Shelburne ordnete.

Bald erklärten die Vereinigten Staaten ihre Unabhängigkeit, und Franklin gewann das Königreich Frankreich zum Verbündeten der jungen amerikanischen Republik. Er förderte an Englands Hintertür in Irland den Freiheitskampf gegen die Briten, der nun durch die vereinten Gegner Englands ermutigt wurde. Von Rußland über Österreich unter Joseph II. und Spanien unter Karl III. bis nach Südamerika - die Sache Amerikas gewann immer mehr an Ansehen und wurde als gerecht und vernünftig und als Zukunft der Menschheit gepriesen.

Der Imperialismus geriet in schwere Bedrängnis. Doch nun setzte Shelburne einen teuflischen Gegenangriff auf das erfolgreiche Amerika in Gang. Shelburnes Kader und okkulte Spione stürzten Frankreich erst in blutige Verwirrung und Terror und "erlösten" es dann aus diesem Chaos durch Napoleons Gewaltherrschaft, unter der ganz Europa ausgeplündert wurde, bis Frankreich ruiniert und Amerika völlig isoliert war.

Dieses verbrecherische Vorgehen wirkte durch das ganze 19. und 20. Jh. weiter als Vorbild der synarchistischen Bewegung führender Bankiers, die u.a. hinter der Machtergreifung Mussolinis und Hitlers standen.

Shelburnes "Zwinger"

Die Welt sah im Amerika Franklins das Wiederaufleben der Prinzipien des Westfälischen Friedens von 1648, der den 30jährigen Krieg beendet hatte: nationale Souveränität, verbunden mit dem Verzicht auf Rache und einem Verbot religiöser Kreuzzüge und ähnlicher Vorwänden für nicht endenden Krieg. Dieser geordnete Rahmen, mit einem Schutz der Industrie durch die Regierung und staatlichen Kredit, brächte gebildete Bürger, Wahrheitssuchende, Erfinder hervor, die ihre Schaffenskraft und ihren Wohlstand beständig steigern - so wie jeder schöpferische Mensch ein Abbild des Schöpfers ist.

Die britischen Herrscher und die mit ihnen verbündeten kontinentaleuropäischen Fraktionen setzten auf einen totalen Krieg, um das Rad zurückzudrehen und den ihnen verhaßten, ihre Weltordnung störenden Westfälischen Frieden und seine amerikanische Inkarnation zu vertilgen. Shelburne handelte dabei als Vertreter der imperialen Plünderer, Abenteurer und Spekulanten, die hinter den britischen Königen Georg I., II. und III. absolute Macht gewonnen hatten.

Der offenste Sprecher dieser Oligarchie war Bernard Mandeville (1670-1733). Er forderte die Gesetzlosigkeit ungehemmten "Freihandels" und war der Ansicht, die Herrscher seien nur dann sicher, wenn sie ihre Untertanen möglichst kurz hielten und ausbeuteten. "Der sicherste Wohlstand besteht in einer Menge arbeitsamer Armer... Damit eine Gesellschaft glücklich ist, ist es unerläßlich..., daß eine große Anzahl ebenso unwissend wie arm ist... Im Vergleich zur Arbeit ist Schulbesuch Faulheit... Menschen, die ihr Leben voller Arbeit, Mühen und Schmerzen verbringen und beenden sollen, werden sich dem um so geduldiger unterwerfen, je früher man sie daran gewöhnt."

Und weiter behauptete Mandeville: "Die beste Politik besteht darin, die Menschen in ihrer natürlichen Einfachheit zu halten, danach zu streben, ihre Zahl nicht zu vergrößern; sie nie mit Fremden und Überflüssigem in Kontakt kommen zu lassen, sondern alles von ihnen fernzuhalten, was ihre Wünsche wecken oder ihren Verstand vergrößern könnte."[# Diese Schrift wurde 1723 der Neuausgabe seiner berüchtigten Fabel von den Bienen hinzugefügt.]

Auf dem englischen Landsitz von Lord Shelburne herrschte reger Verkehr an solchen Einflußagenten der Geldmächte, die sich als literarische Rechtfertiger ihrer Herrschaft über Menschen und Drehbuchschreiber künstlichen Aufruhrs nützlich machten. Zudem unterhielt Shelburne auf dem Kontinent Stützpunkte für seine Verbündeten und subversiven Agenten in der französischsprechenden Schweiz, in Genf und Umgebung, sowie in Frankreich selbst - wie wir noch beschreiben werden.

Shelburne betraute den Propagandisten der britischen Ostindiengesellschaft, Adam Smith, mit zwei Aufgaben. Erstens sollte er eine Studie der Geschichte des Römischen Reiches entwerfen, die konzeptionell dazu beitragen sollte, ein vergleichbares neues heidnisches Reich mit London als Hauptsitz aufzubauen. Dies übertrug man später einem anderen Forscher der Ostindiengesellschaft, Edward Gibbon, der in seinem Buch Der Aufstieg und Fall des Römischen Reiches das Eindringen des Christentums, der Religion der Schwachen, für den Untergang des mächtigen Weltreichs verantwortlich machte.

Shelburne beauftragte Smith auch damit, eine Verteidigung des Freihandels zu schreiben. Dies tat Smith 1776 mit Der Wohlstand der Nationen. Er behauptete darin, wirtschaftlicher Wohlstand entstehe durch die "unsichtbare Hand", indem jeder seine persönlichen selbstsüchtigen Interessen verfolge, und nicht durch den Vorsatz, etwas Gutes zu tun. (Weise rätseln seither, was unter dieser "unsichtbaren Hand" zu verstehen sei: Finanziers, die Aktienblasen manipulieren, oder Leute wie Shelburne, die Aufstände anzetteln?) Smith warnte die Amerikaner und Franzosen, sie sollten nicht mit Regierungsunterstützung den "künstlichen" Wechsel von der Agrar- zur Industriegesellschaft wagen, und griff insbesondere den protektionistischen Finanzminister Ludwigs XIV., Jean Baptiste Colbert, an.

In den 80er Jahren holte Shelburne Jeremy Bentham nach Bowood, einen "Mietphilosophen", der in den Fußstapfen Neros wandelte. Voller Verachtung hatte Bentham im Oktober 1776 gegen die Verteidigung der Menschenrechte in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 polemisiert: "Dies 'halten sie' für eine 'selbstverständliche Wahrheit'. Gleichzeitig sind sie damit einverstanden, daß eine Regierung geschaffen werden sollte, um diese Rechte zu schützen. Sie sehen nicht..., daß nichts, was je Regierung genannt wurde, je anders ausgeübt wurde oder ausgeübt werden kann als auf Kosten des einen oder anderen dieser Rechte, indem irgendeines dieser angeblich unverletzlichen Rechte verletzt wird... In diesen Thesen haben sie die Extravaganz aller früheren Fanatiker übertroffen."

Bentham wurde beauftragt, Reden zu schreiben, die Etienne Dumont in Genf übersetzte und die mit Diplomatenpost oder über andere Wege nach Paris gelangten, wo sie von den Straßenführern des Jakobinerterrors, Marat, Danton und Robespierre, gehalten wurden.

Als Vorbereitung auf diese Arbeit schrieb Bentham 1785 einen Aufsatz, in dem er Päderastie mit dem Argument verteidigte, Strafen gegen Sex von Männern mit Kindern entstammten einer "irrationalen Antipathie" der Gesellschaft gegen das Vergnügen, insbesondere das sexuelle, sowie 1787 ein Pamphlet Zur Verteidigung des Wuchersin dem er sich gegen jegliche Beschränkung des Rechts des Geldverleihers aussprach, so hohe Zinsen zu nehmen, wie er wolle.

Die Zusammenarbeit von Shelburne und Bentham zu dieser Zeit gilt als der Beginn des modernen britischen Geheimdienstes.

England, Schweiz und Frankreich

An den Ufern des Genfer Sees in der Schweiz hatte sich bis zum 18. Jh. ein seltsamer Geldadel versammelt. Einige dieser Familien stammten von führenden Köpfen der Katharer ab, einer heidnischen Sekte, die die Rhone aufwärts gewandert war. Einige waren wohlhabende Protestanten (Hugenotten), Emigranten des innerfranzösischen Religionskriegs. Die meisten gehörten zur Sekte Johannes Calvins. Daraus ergaben sich Bindungen an niederländische Finanziers und konfessionelle Beziehungen zu den Schotten, die imperialen Interessen in London dienten. Zu ihnen gesellten sich später verbitterte Adlige, die vor dem Terror in Frankreich flohen.

Die Verkommenheit in Genf und Paris, Amsterdam und London war kaum zu überbieten, und sehr zu Unrecht spricht man hier vom 18. Jh. als Zeitalter der "Aufklärung". Die Ideologie der Katharer, die heidnische Anbetung von Besitztümern wie Gold, Land, Bergen von Getreide oder den Körpern von Leibeigenen, gebar die Doktrin der Physiokraten: Wohlstand komme einfach aus dem natürlichen Grund und Boden und den Schätzen in ihm, nicht aus schöpferischen Entdeckungen des Menschen und wissenschaftlichem Fortschritt. Adam Smith übernahm seine Freihandelsvorstellungen von den Physiokraten, als er sich in den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts in Frankreich und in der Schweiz aufhielt. Er rügte nur, daß sie die Industrie nicht für ebenso wichtig hielten (denn ohne Kanonen, Uniformen oder Schiffe kommt ein Empire nun einmal nicht aus), übernahm aber die verrückte Behauptung, man dürfe nicht zulassen, daß sich die bewußte Vernunft in die Wirtschaft einmische, weil sie von Natur aus zu wohltätig sei.

In Genf regierte der "Rat der 200", dessen führenden Familien untereinander heirateten und von Spionage, verdeckter Propaganda, Getreidemonopol, Sklavenwirtschaft und Offizierskarrieren im imperialen Ausland lebten. Sie eiferten dem Hochadel Venedigs nach. Berühmte Namen unter den Genfer Familien in den politischen Stürmen des späten 18. Jahrhunderts waren Necker, André, Gallatin, Mallet, de Saussure, du Pan und Prevost.

Der in Genf geborene steinreiche Bankier Jacques Necker wurde 1764 Genfer Botschafter am französischen Hof von Frankreich und 1777 Finanzminister. Necker arbeitete im Geheimen mit den Briten gegen die amerikanisch-französische Allianz und am Sturz der französischen Regierung. Neckers Frau war die ehemalige Verlobte des imperialen britischen Historikers Edward Gibbon. Necker und seine berühmte Tochter Germaine, bekannter als Madame de Staël, intrigierten in beiden Phasen der französischen Wirren, sowohl der "linken" wie der "rechten".

Der britische Armeeoffizier John André, Sohn eines Genfer Handelsbankiers, kehrte für eine militärische Ausbildung an die Genfer Universität zurück, bevor er als Meisterspion nach Amerika ging. General George Washington ließ André hängen, weil er Benedict Arnold zum Hochverrat angestiftet hatte. Die Familie André ging in der Familie de Neuflize auf und vereinigte sich mit Schlumberger und Mallet zu einer politisch mächtigen Finanzgruppe, die später auf das Projekt, das als Synarchismus bekannt wurde, großen Einfluß hatte. Diese vereinigten Interessen tauchten auch bei Schlumberger auf, dem großen Spezialisten für Ölhandel und Geheimoperationen, vergleichbar mit Dick Cheneys Firma Halliburton.

Albert Gallatin, der bei dem sittenlosen Genfer "Aufklärer" Voltaire aufgewachsen war, versteckte sich während der Amerikanischen Revolution in den Wäldern von Maine und stand dann in Pennsylvania an der Spitze derer, die sich gegen die Annahme der Verfassung der USA stark machten. Später stand Gallatin als US-Schatzminister an der Spitze der Freihandelsfraktion gegen die amerikanischen Patrioten.

Der Bankier Jacques Mallet du Pan gründete den britischen Zweig der Familie Mallet. Ein Intimus Voltaires und Englands wichtigster französischsprachiger Geheimdienstoffizier schloß Mallet du Pan sich mit Necker und Joseph de Maistre zusammen, die in Europa die Gegner einer Verfassung im amerikanischen Stil anführten.

General Augustin Prevost, der Voltaire sehr nahe stand, war Befehlshaber der britischen Invasion in Süd-Carolina gegen die Amerikanische Revolution. General Prevost führte Englands Schottischen Freimaurer-Ritus auf amerikanischem Boden ein. Die Witwe seines Bruders James Mark heiratete Aaron Burr und machte Burr mit führenden Kreisen des britischen Geheimdienstes bekannt. Augustins Sohn General George Prevost, der britische Generalgouverneur von Kanada, marschierte während des Krieges von 1812 im Staat New York ein. Als Aaron Burr nach dem Hochverratsverfahren in den USA gegen ihn im englischen Exil lebte, waren die Mallet-Prevosts und Jeremy Bentham seine Gastgeber.

Die Genfer Familie de Saussure, die nach Amerika ging und führend unter den Plantagenbesitzern in Süd-Carolina wurde, koordinierte für den britischen Geheimdienst die Tories von Massachusetts und die Betreiber der Sezession der Südstaaten. Ihr Schloß Frontenex in der Schweiz blieb ein Mekka für adelige britische Besucher, und später brüsteten sie sich ihrer besonders engen Beziehungen zu dem britischen Staatsmann und Spionagechef Lord Palmerston.

Auf unterer gesellschaftlicher Ebene wurde Jean-Paul Marat aus Neuchatel zehn Jahre lang vom britischen Geheimdienst in England ausgebildet, ehe er unter der Gewaltherrschaft des Jakobinerterrors Tausende französische Intellektuelle ermorden ließ. Etienne Dumont, Gallatins Intimus, förderte und übersetzte weltweit Jeremy Bentham und unterrichtete Lord Shelburnes Söhne.

Zu Shelburnes politischen Werkzeugen in Frankreich gehörte der Herzog Philipp von Orléans, ein Vetter und Feind Ludwigs XVI. und Gegner der französischen Nationalökonomie, die nun beim Aufbau der USA angewandt wurde. Shelburne und der Herzog von Orléans beschäftigten für ihre Zwecke Kreaturen aus dem Sumpf okkultistischer Scharlatane, vor allem in den Freimaurerlogen Lyons. Eine besondere Rolle spielte dabei der Martinistenorden. Zu den Martinisten, die bei der Destabilisierung Frankreichs von 1780-90 in Erscheinung traten, gehörten Franz Anton Mesmer, Graf Cagliostro (mit richtigem Namen Giuseppe Balsamo), Jacques Cazotte, Fabré d'Olivet und Joseph de Maistre.

Der Martinismus, eine absurde Perversion des Katholizismus, hängt dem Irrglauben an, daß der gefallene Mensch in seiner irdischen Existenz im Exil und seiner Kräfte beraubt ist. Seinen ursprünglichen Zustand könne er nur durch Einweihung in die inneren Ränge einer Geheimgesellschaft erlangen, und zwar durch reinigende Gewalt: sadomasochistische Rituale, Folter und Menschenopfer. Als Anwärter lernt er die Mißhandlung anderer Menschen zu ertragen; er muß seine menschliche Identität, das Mitgefühl, das im Westfälischen Frieden als "Vorteil des anderen" gefeiert wurde, aufgeben. Er verliert die platonische und christliche Erkenntnis, daß es den Menschen wohl ergeht, wenn sie danach streben, anderen statt nur sich selbst zu nutzen.

Diese rituelle Heidentum erzieht sich erbarmungslose imperiale Soldaten und fanatische Bandenchefs, wie es der Stoizismus des Mithrakults für die römischen Cäsaren tat. Nachdem der Martinismus in Frankreich mehrere Umstürze hintereinander organisiert hatte, machten seine Hintermänner in der Bankenwelt daraus Synarchie und Faschismus - nannten es aber lieber Konservativismus oder fundamentalistisches Christentum.

Die französische Konterrevolution

Besorgt über den Mißerfolg des Krieges in Nordamerika und in der Überzeugung, daß Lord George Norths Ministerium seinen Traum vom ewigen Empire zerstören würde, finanzierte Shelburne im Juni 1780 über die East India Company und die mit ihr verbundene Baring Bank den Aufruhr eines jakobinischen Mobs in London, angeblich gegen die sogenannten irischen Reformen. Diese "Reformen" bestanden in kaum mehr als einem erzwungenen Einziehen der Iren in die britische Armee für den Krieg in Nordamerika - ein Schritt, von dem Shelburne sich auch erhoffte, daß er die proamerikanische republikanische Bewegung in Irland schwächte, die im Bündnis mit Franklin einen eigenen Aufstand gegen England führte.

Angeführt von Lord George Gordon, stürmte der protestantische Mob Westminster, und Parlamentarier und Lords flohen über Treppen und aus Fenstern oder landeten in den Hospitälern. Acht Tage lang wurde London geplündert, und den Höhepunkt bildete der Sturm auf das Newgate-Gefängnis und die Befreiung aller Gefangenen, die sich dem Angriff auf das Parlament anschlossen.

Als Leiter des Innenausschusses des Oberhauses sorgte Lord Shelburne persönlich dafür, daß Angst und Schrecken so groß wie möglich wurden, indem er den Einsatz der Heimatgarde über den Riot Act so lange verzögerte, bis die Gewalt sich in alle Ecken der Stadt ausgebreitet hatte. Als die Flammen verloschen, lag auch Lord Norths Ministerium in Asche. North trat als Premierminister zurück, und nach wenigen Monaten wurde Shelburne im neuen Kabinett Rockingham Außenminister für den Nördlichen Bezirk, zu dem die nordamerikanischen Kolonien gehörten. In dieser Funktion sollte er bald in Paris Franklin als Friedensunterhändler gegenübersitzen. Um diese Zeit unterwarf sich König Georg III. ganz der "Venezianischen Partei", der Fraktion Shelburnes und der Ostindiengesellschaft. Infolge dieser Ereignisse übernahm die bisherige Schattenregierung formell die offizielle Staatsverwaltung. Die "verdeckten Aktionen", die vorher bei der Ostindiengesellschaft geplant worden waren, führten nun das Außenministerium und der britische Geheimdienst SIS durch.

Der nützliche Lord Gordon ging nach einem kurzen Aufenthalt im Tower von London, den Shelburne ihm durch persönliche Verwendung bei der Krone abkürzte, in freundlichere Gefilde, in die Niederlande. Dort konvertierte er zum Erstaunen seiner alten schottischen Presbyterianerfreunde zum Judentum und Kabbalismus und nahm den Namen Israel bar Abraham an. Kurz darauf tauchte er in Paris auf, wo er zusammen mit dem Magier Cagliostro gegen Marie Antoinette, die er in okkulten Fragen beriet, als Provokateur arbeitete und an Shelburnes Intrigen gegen den französischen Staat mitwirkte. Später sollte sich in Paris der von Shelburne angezettelte Gordon-Aufstand in einem größeren Maßstab wiederholen, bis hin zum Sturm auf die Bastille.

Als sich unterdessen der amerikanische Unabhängigkeitskrieg weiter entfaltete, versuchte der verräterische französische Finanzminister Jacques Necker die "überflüssigen Ausgaben" für das französisch-amerikanische Bündnis zu verhindern. Der Historiker Richard Morris hat dies so beschrieben: Der Genfer Professor Paul-Henri Mallet, angestellt bei König Georg III., "verbrachte einen guten Teil" des Frühlings 1780 in der Gesellschaft seines Vetters Jacques Necker. Er übermittelte bald "unter dem Siegel der Verschwiegenheit" Neckers Ansichten an Lord Mountstuart, Mallets Mittelsmann zu König Georg III. und Lord Shelburne. ",Würden diese Gespräche enthüllt', warnte er, 'könnten sie Necker', der gerade die Unterstützung des Königs (Ludwig XVI.) gewann, 'in große Gefahr bringen'... Necker war dem Schweizer Historiker gegenüber nach dessen eigenen Bericht sehr offen gewesen. Um Steuerreformen einzuführen, müsse der französische Hof Frieden haben [d.h. die Hilfe für die Amerikanische Revolution einstellen, denn diese sei], ein Krieg, dem er nie zugestimmt hätte noch je zustimmen könnte."

Mountstuart berichtete nach London: "Necker war bereit, hinter dem Rücken von [dem französischen Außenminister] Vergennes einen Frieden zu bewerkstelligen, ohne selbst minimale Ziele der Verbündeten Frankreichs zu erfüllen... und ohne Rücksicht auf die von Ludwig XVI. eingegangenen Verpflichtungen. Am 1. Dezember sandte Necker, in der vollen Gewißheit seiner wachsenden Macht, eine Geheimbotschaft an [den britischen Premierminister] Lord North... 'Sie wünschen Frieden', schrieb Necker, 'das wünsche ich auch.'"[# Richard B. Morris: The Peacemakers. (Die Friedensstifter), New York, 1965, S. 100-104.]

Der Historiker Morris berichtet weiter, Paul-Henri Mallet und Necker hätten der britischen Regierung vorgeschlagen, sie solle versuchen, die aufständischen amerikanischen Kolonien zu spalten - Norden gegen Süden - , um ihren Kampf für die Unabhängigkeit zu schwächen.

Necker mußte bald danach von seinem Kabinettsposten zurücktreten.

Im Oktober 1781 ergaben sich die Briten den Amerikanern und den französischen Truppen unter General Lafayette bei Yorktown, und damit war der Unabhängigkeitskrieg praktisch beendet. Sechs Monate später beschrieb George Washingtons wichtigster Mitarbeiter Alexander Hamilton, der die militärische Aufklärung der Verbündeten koordinierte, mit welcher wirtschaftlichen Tradition die führenden Männer Amerikas das Land entwickeln wollten, sobald die dazu nötige energische Regierung da wäre:

"Schneller Fortschritt... ist in hohem Maße der Fürsorge und Förderung durch die Regierung zuzuschreiben... Frankreichs [Handel]... wäre zu dieser Zeit ohne die Fähigkeiten und nie nachlassenden Bemühungen des großen Colbert [Hervorhebung im Original] nicht in so blühender Verfassung gewesen. Er schuf das Fundament des französischen Handels und lehrte seine Nachfolger den Weg, ihn zu vergrößern und zu verbessern. Die Schaffung einer Wollmanufaktur in einem Königreich, dem die Natur die Mittel dazu zu versagen schien, ist einer von vielen Beweisen dafür, wieviel die Aufmerksamkeit und Schirmherrschaft einer weisen Verwaltung zugunsten des Handels erreichen kann. Die Zahl der von Ludwig XIV. und seit seiner Zeit erlassenen nützlichen Edikte, trotz der häufigen Unterbrechungen wegen der neidischen Feindschaft Großbritanniens, hat Frankreich in einem Maße entwickelt, das den Neid und das Erstaunen seiner Nachbarn erregte."[# 8. April 1782, New York Packet Nr. 5 in Hamiltons Reihe Der Kontinentale.]

1783, als Shelburnes neue Regierung einen Friedensvertrag unterzeichnete, gab Adam Smith eine überarbeitete Version des Wohlstands der Nationen heraus, worin er beklagte: "Herr Colbert, der berühmte Minister Ludwigs XIV...., hat die Industrie und den Handel eines großen Landes genauso [zu regulieren versucht] wie die Abteilungen eines öffentlichen Amtes; und anstatt jedermann zu erlauben, seine eigenen Interessen auf seine eigene Art zu verfolgen..., gewährte er einigen Gewerbezweigen außergewöhnliche Privilegien, während er andere außergewöhnlichen Beschränkungen unterwarf... [Colbert zog]... das Gewerbe in den Städten dem des Landes vor." Smith behauptete, diese "unfaire" Politik - die aus Frankreich eine größere Manufakturkraft machte als England - habe Zyklen gegenseitiger Vergeltung zwischen Frankreich und England ausgelöst, und der Frieden könne nur auf der Grundlage von "Freihandel" gewahrt werden.

Shelburnes eigener höchst wortgewandter Appell für ungezügelten Freihandel und Wucher fiel in seine kurze Amtszeit als Premierminister 1782-83.

Am 27. Januar 1783 hielt Shelburne eine Rede im Oberhaus für die Ratifizierung des Pariser Vertrags, der die amerikanische Revolution und den Konflikt zwischen Frankreich und Spanien formell beendete, und warnte darin: "Sie haben Amerika... einen Anteil an einem Handel gegeben, dessen Monopol Sie sich geizig selbst bewahrten... Wenn es eine Nation unter dem Himmel gibt, die als erste Monopole ablehnen sollte, dann ist es die englische. Zwischen der alten und der neuen Welt und zwischen dem nördlichen und südlichen Europa gelegen, wie wir es einmal sind, sollten wir auf dieser Erde in allererster Linie nach Freihandel streben... Mit mehr Industrie, mit mehr Kapital, mit mehr Unternehmungsgeist als irgendeine Handelsnation auf der Erde sollte unser ständiger Ruf sein: Laßt alle Märkte offen sein."

Nach dem Friedensvertrag von 1783, bevor die Amerikaner über eine starke Bundesregierung verfügten, die ihre Industrie schützte, überschwemmten britische Schiffe die amerikanischen Häfen mit billigen Waren, um Amerikas noch in den Kinderschuhen steckende Manufaktur zu ersticken.

In Frankreich popularisierte der Schweizer Bankier Jacques Mallet du Pan Smiths Freihandelslehre; er nannte Smith den "profundesten und philosophischsten aller metaphysischen Schreiber, die sich mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigten". Pierre Prevost, der Vetter Mallet du Pans, Professor an der Genfer Universität, übersetzte dann die Werke von Adam Smith und dem Professor der Ostindiengesellschaft Thomas Malthus.

1786 kritisierte Mallet du Pan Colberts Politik beständig und bearbeitete König Ludwig XVI., ein Vertragsangebot des britischen Premierministers William Pitt anzunehmen, der Frankreich zwänge, alle wirtschaftlichen Schutzmaßnahmen aufzugeben und das Land der Gnade der englischen "Freihandelspolitik" auszuliefern. Zugleich versagten die internationalen Bankhäuser, angeführt von den Schweizern, plötzlich der französischen Regierung den Kredit, und so war Ludwig XVI. gezwungen, Pitts Eden-Vertrag zu unterzeichnen. Sofort begannen die Briten den Handelskrieg; sie warfen billige Manufakturwaren auf den französischen Markt und schnitten Frankreich von der wichtigen Versorgung mit spanischer Wolle ab.

Bald brachen in Frankreich Beschäftigung, Landwirtschaft und Handel zusammen, und es kam zu Hungersnöten. 1789 wurden wieder der französischen Regierung Kredite versagt. Ludwig XVI. mußte den Genfer Bankier Jacques Necker - nachdem er ihn schon mehrmals gefeuert hatte - wieder als Finanzminister einsetzen, um das Vertrauen der Banken zurückzugewinnen.

Necker schlug als einzige Lösung der Krise Austerität vor. Er erzählte den Franzosen, an ihren Nöten seien allein die "verschwenderischen Ausgaben" des Königs und der Königin schuld. Die Entscheidung rückte näher. Doch in den Jahren bis zu diesem entscheidenden Augenblick hatte die amerikanische Fraktion die Agenten, die am Hof und unter den Reichen von Paris herumspukten, heftig bekämpft.

König Ludwig hatte Benjamin Franklin an die Spitze einer neunköpfigen Kommission berufen, um die Behauptungen des Martinisten Franz Mesmer zu untersuchen, dessen Hypnotismus ("Mesmerismus") einem von seinen Händen ausgehenden animalischen Magnetismus zugeschrieben wurde. Der Astronom und Sekretär der Akademie der Wissenschaften Jean Sylvain Bailly schrieb den Bericht für Franklins Gruppe, worin Mesmers Behauptungen rundum widerlegt wurden.

Bei einem Dinner der Akademie der Wissenschaften machte der Lyoner Martinist Jacques Cazotte 1788 eine bösartige "Prophezeihung": Er sagte, die Amerikafreunde, die hier am Tisch säßen, darunter Jean Sylvain Bailly, würden in wenigen Jahren hingerichtet werden - Bailly werde auf dem Schafott sterben.

Cagliostro hatte schon am 20. Juni 1786 in einem Brief an die Franzosen vorhergesagt: "Die Bastille wird völlig zerstört werden, und das Land, auf dem sie gebaut wurde, wird zur Promenade werden." Der "Graf" machte diese Ankündigung nach seinen Treffen mit der Mutterloge des Schottischen Ritus in London.

Ganz besonders wandten sich Shelburnes Martinisten gegen Königin Marie-Antoinette. Der Bruder der Königin, der österreichische Reformkaiser Joseph II., unterstützte Wolfgang Amadeus Mozart und seine Musik. Die Königin spielte selbst eine Rolle in einer Aufführung des Schauspiels Die Hochzeit des Figaro von Beaumarchais. Das Stück ist eine Satire auf die pornographische Feudaloligarchie und lieferte das Libretto zu Mozarts Oper. Der Dichter Beaumarchais war nebenbei Franklins Waffenlieferant. Die wütenden Anhänger des Herzogs von Orléans wollten die Aufführung des Stückes am königlichen Hof partout verhindern. Der Herzog von Orléans hatte 1778 höchstpersönlich dafür gesorgt, daß Mozart Paris verlassen mußte.

In den Straßen von Paris verbreitete sich Klatsch gegen Marie-Antoinette wegen der sogenannten "Halsband-Affaire", eine Art Vorspiel zur späteren Justizmord an der Königin. Cagliostro und seine Logenbrüder sorgten dafür, daß eine intrigante angebliche Gräfin einen Kardinal in einen großangelegten Betrug hineinzog. Dabei ging es um den Kauf eines sündhaft teuren Halsbands für die Königin, das sie überhaupt nicht haben wollte. Als niemand das inzwischen gestohlene Collier bezahlen wollte, kam es zu einem künstlichen Skandal, in dessen Verlauf die Königin inmitten einer Hungersnot in der Öffentlichkeit als extravagant, gefühllos und "ausländisch" hingestellt wurde.

Nach ihrer Verhaftung und einem Gerichtsprozeß fanden sich die betrügerische Gräfin, die das Halsband gestohlen hatte, Cagliostro und Lord Gordon alle in England wieder und wurden dort als bedauernswürdige Opfer von Tyrannei gefeiert. Der französische König und die Königin wurden wenige Jahre später hingerichtet.

Terror gegen eine Verfassung nach amerikanischem Vorbild

Völlig verarmt durch britischen Freihandel, Neckers Spekulanten und ruinöse Schulden, konnte Frankreich nur unter der Würde einer souveränen Regierung und mit Gesetzen zur Beförderung eines produktiven Wirtschaftswachstums wieder gedeihen. Es brauchte eine schriftliche Verfassung, die den Zweck und die Macht der Regierung beschreibt, das Gemeinwohl zu fördern.

Das amerikanische Beispiel bot sich an. Delegierte des Verfassungskonvents von 1787 hatten sich in Franklins Haus getroffen, um sich über das Programm der geplanten Verfassungsregierung - staatlich geförderte Industrie und Staatskredit - zu informieren.

Am 30. April 1789 wurde General George Washington rechtmäßig in sein Amt als erster Präsident der USA eingeführt und holte sich Hamilton als Finanzminister, um Franklins Programm umzusetzen.

Sieben Wochen nach Antritt der amerikanischen Regierung, am 17. Juni 1789, konstituierte sich eine französische "Nationalversammlung" unter der Präsidentschaft von Jean Sylvain Bailly und nahm die Arbeit auf.

Bailly und General Lafayette, die Fürsprecher des republikanischen Bündnisses mit Amerika, betonten, man brauche eine schriftliche Verfassung, um den König und die ganze Nation unter das Gesetz zu stellen. Dies wäre ein bedeutender Fortschritt gegenüber der britischen "konstitutionellen Monarchie", denn England besaß keine Verfassung, und das einzige Grundgesetz war der bloße Wille der privaten Bankiers, die Regierung und Staatskirche beherrschten.

Nachdem der König der Versammlung ihren eigenen Sitzungsraum verboten hatte, trafen sich die Mitglieder am 20. Juni in einer Tennishalle, dem Ballhaus. Alle bis auf einen unterzeichneten in einem revolutionären Akt einen Eid, worin sie erklärten, die politische Macht gehe vom Volk und seinen Repräsentanten aus, und schworen, sich unter allen Umständen so lange weiter zu treffen, bis eine nationale Verfassung geschrieben, ratifiziert und in Kraft gesetzt wäre.

Das war Frankreichs glorreicher Tag. Was mit dem Ballhausschwur begann, war die wirkliche Französische Revolution, die allein diesen Namen verdient hätte. (Vgl. Pierre Beaudry, "Das Scheitern der Amerikanischen Revolution in Frankreich, Neue Solidarität Nr. 26-28, 2003.)

Auf Anraten des Königs verließ Necker heimlich am 11. Juli Frankreich. Ein unwissender, brutaler Mob wurde auf die Straße geschickt, um gegen Neckers Sturz zu protestieren - obwohl er eigentlich gar nicht entlassen worden war und selbst den König manipulierte. Der Mob trug Büsten von Necker und Orléans als Helden, die regieren sollten.

Sorgfältig geschürte Gerüchte führten dann am 14. Juli zum Sturm auf eine praktisch leere Bastille. Auf Stöcken trug der Pöbel die Köpfe der ermordeten Wachen durch die Straßen. 18 Tage, nachdem er "entlassen" worden war, kehrte Necker in sein Amt zurück.

In den folgenden Wochen wurden Lafayette zum Chef der Nationalgarde und Bailly zum Bürgermeister von Paris gewählt. Aber bald trafen sich auch die "Jakobiner" und stachelten die Bevölkerung mit blutrünstigen Reden an, die in Bowood geschrieben waren. Obwohl die Verfassung Lafayettes und Baillys schließlich angenommen wurde, gewannen die Terroristen 1792 den Kampf gegen die Republikaner. Jeder Anschein von Recht und Gesetz wurde aufgegeben. Der Republikaner Lazare Carnot führte einen brillanten militärischen Feldzug gegen die Königreiche, die Frankreich angriffen, aber aus der Verteidigung wurde bald imperiale Eroberung.

Dies noch eine Republik zu nennen, war ein völliger Mißbrauch dieses Wortes: Die Mächtigen ließen ihre Rivalen massenhaft hinrichten, nur um später selbst auf der Guillotine zu enden. Wissenschaftler, die der Schatz und die Stärke Frankreichs waren - wie Bailly und Lavoisier (der zusammen mit Priestley den Sauerstoff entdeckte und Franklin Gewehrpulver lieferte) - wurden geköpft. Amerikanische Freunde der Revolution wie Tom Paine setzten sich vergeblich dafür ein, das Leben des Königs und der Königin zu schonen und dem Gemetzel ein Ende zu setzen. Britische Historiker verlegten sich auf die Lüge, die Französische Revolution sei ein Kampf gewesen, in dem Linksradikale über rechte Monarchisten siegten.

Thomas Jefferson schrieb 1815 an Lafayette, die Briten hätten ebenso hinter den (traditionell würde man sagen "linken") Anarchisten in der Französischen Revolution gestanden wie hinter dem (gewöhnlich würde man sagen "rechten") Aufstand der Bankiers in Boston im Krieg von 1812:

"Der Ausländer gewann Zeit, mit Gold die Regierung zu anarchisieren, die er mit Waffen nicht besiegen konnte, mit den brüderlichen Umarmungen übertriebener angeheuerter falscher Mitstreiter die echten Republikaner in ihren eigenen Räten zu erdrücken und den Apparat des Jakobinismus vom Wandel auf die Zerstörung der Ordnung umzudrehen; und am Ende wurde die begrenzte Monarchie, die sie [die Republikaner] gesichert hatten, gegen die prinzipienlose und blutige Tyrannei Robespierres ausgetauscht... Nachdem die britische Angst... vor einem republikanischen Frankreich gegenstandslos gemacht war, richtete sie sich auf das republikanische Amerika... Die Marats, die Dantons und Robespierres von Massachusetts stehen im gleichen Sold, unter den gleichen Anordnungen und unternehmen die gleichen Anstrengungen, uns zu anarchisieren, wie es ihre Prototypen in Frankreich taten."[# The Writings of Thomas Jefferson, 14. Feb. 1815; Thomas Jefferson Memorial Association, 1903-04, Vol. XIV, S. 246-251.]

Jacques Mallet du Pan forderte im Frühjahr 1789 in verschiedenen Artikeln "Über die britische Verfassung" und "Über die Erklärung der Rechte" Frankreich auf, das britische parlamentarische System zu übernehmen: ein "Machtgleichgewicht" zwischen Volk, Adel und Krone sowie ein vermittelnder Beirat wie der Kronrat (Privy Council), der sicherstellen müsse, daß die Ausgabe von Kredit von der gewählten Regierung unabhängig strikt in den Händen der Zentralbanken bliebe.

Necker und Mallet du Pan hatten lange gemeinsam gegen die Verbreitung von Franklins amerikanischen Vorstellungen über Wirtschaft und Verfassung gearbeitet. Mallet beklagte, die amerikanische Revolution habe einen "Schwarm von Fanatikern" in Europa erzeugt. Auf den Punkt gebracht ist Mallet du Pans politische Theorie wohl in einem Ausbruch in einem Brief, den er 1772 an seinen Lehrer Voltaire schrieb: "Ich werde all die schwachen Erleuchtungen, die ich Ihnen verdanke, erschöpfen, um das Werk des heiligen Bonifazius auszulöschen."[#zitiert in Frances Acomb, Mallet du Pan, Durham, Duke University Press, 1973, S. 97.] Mallet wollte das Christentum in Europa aufheben.

Mallet du Pan und Necker arbeiteten mit Joseph de Maistre zusammen, einem satanischen Martinisten aus einer Lyoner Loge. Als Adliger war de Maistre beim Vormarsch der französischen Revolutionsarmee aus Savoyen geflohen. Als die beiden und ihre Familien sich 1792-93 in Genf und Lausanne mit ihm in Verbindung setzten, war Necker schon aus dem französischen Dienst ausgeschieden, aber dennoch tief verwickelt in die revolutionären Unruhen, und Mallet du Pan war der wichtigste Leiter des Geheimdienstes der britischen Krone auf dem Kontinent. Sie sorgten für de Maistres Aufstieg als Fürsprecher der finstersten feudalen Reaktion in der Neuzeit und lenkten seine entscheidenden Beiträge zum Aufbau von Napoleon Bonaparte.

Das Monster Napoleon

Was hatten Necker und Mallet du Pan mit de Maistre vor?

Hören wir, wie Mallet sein Szenarium ausspinnt, veröffentlicht im Januar 1789, als Franklins Freunde gerade darangingen, die amerikanische Verfassung nach Frankreich zu exportieren. Mallet ging auf die Vergangenheit Englands ein, um zu erklären, welche Zukunft man Frankreich auferlegen sollte:

"Das Blut Karls I. und zehn Schlachten unterwarfen das Parlament und die Nation nur ihrer eigenen Armee, die bald von ihren schlauesten Anführern vereinnahmt wurde. Die Demokratie hatte die Verfassung zerstört; diese Demokratie führte zu einer Oligarchie der Generäle; das Protektorat schlug alles nieder, Parlament, Armee, Sekten, Fraktionen, und Cromwell regierte allein über ein Volk, dem Raserei seine Kraft und Vernunft genommen hatte." Dann sei die Monarchie wiederhergestellt worden, und seither seien wenige Staaten so frei von politischen Unruhen gewesen wie England.[# Mallet du Pan in Mercure, 1789, Nr. 3/ 17. Januar, S. 119, 122, zitiert in Acomb, a.a.O. S. 201.]

Ein unmittelbares Ergebnis der Gespräche im Salon Neckers und seiner Tochter Madame de Staël war, daß de Maistre 1796 seine Überlegungen zu Frankreich schrieb. Das im folgenden Jahr veröffentlichte Buch regte die Fantasie des Emporkömmlings General Napoleon Bonaparte an, der in Mallets schrecklichen Szenarien eine tragende Rolle spielen sollte. Die meisten Themen in de Maistres Buch - die böse Natur des gefallenen Menschen, die Rolle der Vorsehung, warum unschuldige Opfer für die Schuldigen zahlen müssen - stammten aus dem Werk von Claude Louis Saint-Martin, dem Hohenpriester des Martinistenordens, dessen prominentester Vertreter nach zwei Jahrzehnten freimaurerischer Arbeit de Maistre wurde.[# Dabei bezog sich de Maistre vermutlich auf Saint-Martins Schriften Die Anbetung des Menschen-Geistes, 1801; Briefe zur Französischen Revolution, 1794; und Mensch des Begehrens 1790. Saint-Martins Konzept vom "Wunsch nach Anerkennung" wurde zum Lieblingsthema des Synarchisten Alexandre Kojève im 20. Jahrhundert.]

Wir werden noch sehen, was Napoleon von de Maistre aufgriff und was er damit anfing.

Der in Korsika geborene Offizier Napoleon Bonaparte war bekannt als Jakobiner und Anhänger Robespierres, als Mörder und Bandit, als revolutionärer Henker. Als sich 1795 in Paris Aufständische gegen einen weiteren beabsichtigten Regierungswechsel erhoben, holte sich der damalige Regierungschef Paul Barras Napoleon, um den Vormarsch der Aufständischen aufzuhalten. Der Korse ließ mit Kartätschen auf die Rebellen feuern und jagte sie durch die Straßen. Barras, der nun an Napoleons Aufstieg in der Armee förderte, war verschwenderisch und korrupt und folgte nur den Anweisungen Neckers.

Barras teilte seine Geliebte Josephine de Beauharnais mit Napoleon. Sie gehörte wie Madame de Staël (die man die "häßliche Schöne" nannte) zu einer Gruppe politischer Prostituierter, die nach passenden Henkern/Generälen Ausschau hielten, die man in Frankreich an die Macht bringen könnte. Napoleon heiratete Josephine und wurde unter der von Barras geleiteten Herrschaft des sog. Direktoriums Oberbefehlshaber der französischen Armee in Italien. Die Beute der ausländischen Eroberungen teilten sich das Direktorium und seine Hintermänner in den Banken.

In einer bühnenreifen Szene, die in Barras' Erinnerungen berichtet wird, zwang Madame de Staël Barras 1797, ihren ausschweifenden Günstling Charles Maurice Talleyrand-Périgord zum Außenminister zu machen. 1799 kehrte Napoleon aus dem Ausland zurück und machte sich selbst zum Diktator. Neckers Mann Talleyrand handelte für Napoleon Barras' Rücktritt aus, und Napoleon behielt ihn als Außenminister.

Talleyrand half Napoleon dabei, Deutschland und Italien zu erobern, Kaiser zu werden und den Papst zu unterwerfen, und er hielt ihn davon ab, in England einzufallen. Talleyrands sagenhafte Reichtümer aus Bestechungsgeldern und Diebesgut lagerten in England. Als Frankreich und Europa vom endlosen Gemetzel erschöpft waren, bereitete Talleyrand die nächste Phase vor und verriet Napoleon (der ihn darob sehr treffend als "Stück Dreck in Seidenstrümpfen" bezeichnete). Der britische und europäische Adel, der schließlich Frankreich niederschmetterte und die Monarchie wiederherstellte, belohnte Talleyrand damit, daß er erneut Außenminister wurde.

Kann der Teufel ein Christ sein? 

Joseph de Maistres Gedanken zu Frankreich erschienen 1797; Napoleon hatte also gut zwei Jahre Zeit, über diese Botschaft an ihn nachzudenken, ehe er die Macht ergriff. Der britische Historiker Isaiah Berlin berichtet: "Napoleon... war beeindruckt von der Brillanz der Schriften de Maistres, die er dem Vernehmen nach politisch anziehend fand." Und de Maistre seinerseits bewunderte Napoleon: "Seine klare Erkenntnis der Wirklichkeit der Macht, seine offene Verachtung für Demokraten, Liberale und Intellektuelle..., vor allem aber der Gegensatz zwischen der Dummheit und Schwäche der Bourbonen und dem militärischen und administrativen Genie eines Mannes, der Frankreich wieder auf einen Gipfel des Ruhmes führte, mußte einfach den Apostel des Realismus und der Macht kraftvoll ansprechen.[# Isaiah Berlin, Joseph de Maistre and the Origins of Fashism, in The Crooked Timber of Humanity, New York, Alfred A. Knopf, 1991, S. 146-147.]

Durch sein zunächst anonym veröffentlichtes Buch flüsterte de Maistre Napoleon gleichsam ins Ohr: Ich spreche für die unsichtbaren Herrscher, die Vorsehung wird dich annehmen, wenn du kühn genug bist, dich selbst zum Mann der Schicksals zu machen. Du kannst alle Verbrechen verüben, die Welt unbegrenzt mit Krieg überziehen. Gott will, daß du so viele Verbrechen wie möglich begehst - durch sie wirst du ein Gott auf Erden werden.

Hören wir de Maistres eigene Worte und denken wir dabei daran, daß er heute unter Dick Cheneys konservativen Unterstützern als eine christliche Autorität gilt:

"Leider zeigt die Geschichte, daß der Krieg in einem gewissen Sinn der Normalzustand der Menschheit ist, will sagen, daß ununterbrochen am einen oder anderen Ort auf dem Globus Menschenblut fließen muß und daß für jede Nation der Frieden nur eine Ruhepause ist... Doch man kann daran zweifeln, ob diese gewaltsame Zerstörung allgemein ein so großes Übel ist, wie man glaubt... Wenn die menschliche Seele durch Faulheit, Unglauben und die brandigen Laster, die einem Exzeß der Zivilisation folgen, ihre Kraft verloren hat, so kann sie nur in Blut wieder gemäßigt werden... Wir wissen, daß übermäßige Blutbäder oft mit übermäßiger Bevölkerung einhergehen... Die wahren Früchte der menschlichen Natur - die Künste, Wissenschaften, großen Unternehmungen, erhabenen Vorstellungen, männlichen Tugenden - sind besonders dem Kriegszustand zu verdanken. Wir wissen, daß Nationen den höchsten Punkt ihrer Größe, deren sie fähig sind, immer nur nach langen und blutigen Kriegen erreichten."[# Joseph de Maistre, Considerations on France, Cambridge University Press, 1994, S. 23-29.]

Und weiter:

"Ständig betrübt uns der traurige Anblick der Unschuldigen, die mit den Schuldigen zugrunde gehen. Aber... wir können das nur im Licht des uralten Dogmas sehen, daß die Unschuldigen für die Schuldigen sterben [Hervorhebung im Original]... Aus diesem Dogma... leiteten die Alten den Opferbrauch ab, der überall praktiziert wurde... Das Christentum heiligte dieses Dogma, das für den Menschen vollkommen natürlich ist, obwohl man nur schwer mit der Vernunft dahin gelangen kann."[# a.a.O., S. 30.]

Man kann jeden Widerstand vernichten, wenn man nicht zu empfindlich ist.

"Ein Tyrann folgte dem anderen, und immer gehorchte das Volk... Ihre Herrscher gingen so weit, sie durch Spott zu zerstören. Sie sagten dem Volk:... 'Wenn ihr euch zu widersetzen wagt, werden wir euch mit Kartätschen niederschießen, um euch dafür zu strafen, daß ihr nicht wollt, was ihr wollt.' Und sie taten es."[# De Maistres Herausgeber erklären, dies bezöge sich auf "den Aufstand, den der junge General Bonaparte mit Kartätschen niederschlug, a.a.O., S. 23.]

Ruft dich nicht das Schicksal?

"Wenn die Vorsehung die schnellere Bildung einer politischen Verfassung beschließt, erscheint ein Mann mit einer undefinierbaren Kraft: Er spricht und bewirkt Gehorsam. Aber diese bewundernswerten Männer gehören vielleicht nur in die antike Welt und in die Jugend von Nationen."[# a.a.O., S. 51]

Greif zu! Nur die unsichtbaren Mächte entscheiden, wer regiert.

"So werden Gegenrevolutionen gemacht. Gott warnt uns, daß er die Gründung von Herrschaft sich selbst vorbehalten hat, indem er niemals den Massen die Wahl ihrer Herren anvertraute... So gab sich das römische Volk seine Herren, als es glaubte, es bekämpfe den Adel, als es Cäsar folgte."[# a.a.O., S. 80.]

Trotz deiner niedrigen Geburt hat die Geschichte nur auf dich gewartet!

"Es hat noch nie ein Herrscherhaus gegeben, das man auf plebejischen Ursprung zurückführen kann; wenn dieses Phänomen erscheinen sollte, wäre das epochemachend... Oft hört man: 'Hätte Richard Cromwell [der Sohn Oliver Cromwells, der die Macht in England ergriff - man denke an Mallets Szenario] den Genius seines Vaters gehabt, hätte er das Protektorat in seiner Familie erblich gemacht.' Wie wahr!"[# a.a.O., S. 101.]

Napoleon folgte dem Rat, ein solcher Auserwählter des Schicksals zu werden. Durch wahnsinnige Kriege und Regierungsumstürze in ganz Europa machte er sich zum Kaiser und sicherte seine Herrschaft durch immer mehr Geheimpolizei, Zensur, Haft für Abweichler. Obwohl klein an Körpergröße, machte er sich selbst zum Gott. Der Papst mußte einen Vertrag unterschreiben, mit dem er Napoleon die Kirche im ganzen französischen Empire unterstellte. Bischöfe und Priester mußten lehren, was er sagte, ihm Gehorsam schwören, ihr Gehalt von ihm nehmen, seinen Spionen politischen Verrat mitteilen. Und er tat, was Cromwell nicht tat, er machte aus seinen Erben, seiner Familie und seinen Freunden Könige und Adlige (ein Mallet wurde französischer Baron).

Amerika kann und darf nicht sein!

Das vierte Kapitel von de Maistres Gedanken mit der Überschrift "Kann die französische Republik überdauern?" war nach de Maistres Herausgebern "anscheinend eine direkte Antwort auf Benjamin Constants Schrift Aus der Erfahrung gezogene Einwände gegen die Möglichkeit einer Republik in einem großem Staat.[# Fußnote des Herausgebers, a.a.O. S. 32.] Benjamin Constant war 1794-1806 der Liebhaber von Germaine Necker de Staël. Als de Maistres Buch erschien, waren Constant und de Staël in Paris und unterstützen Barras; 1799 beteiligte sich Constant am Putsch Napoleons.

In diesem Kapitel behauptet de Maistre: "Natur und Geschichte zusammen beweisen, daß eine große unteilbare Republik eine Unmöglichkeit ist... eine große und freie Nation kann nicht unter einer republikanischen Regierung existieren." Er "beweist" das so: "Wenn man uns sagte, ein Würfel, den man eine Milliarde mal würfelt, zeige immer nur fünf Zahlen - 1, 2, 3, 4 und 5 - , könnten wir dann glauben, auf einer Seite wäre eine 6? Nein, eine der Seiten ist leer oder... eine Zahl kommt zweimal vor... Das Schicksal würfelt unermüdlich seit viertausend Jahren. Kam dabei je eine große Republik heraus? Nein. Deshalb gibt es diese Zahl nicht auf dem Würfel (Hervorhebungen im Original)."[# a.a.O., S. 33.]

Warum benutzt er ein derart an den Haaren herbeigezogenes Argument? Er deutet zunächst das wahre Problem an: "Es gibt nichts als Gewalt im Universum; aber wir sind verdorben durch eine moderne Philosophie, die uns sagt alles ist gut, obwohl das Böse auf alles abgefärbt hat und in einem sehr realen Sinn alles böse ist."

Seine Herausgeber erklären: "De Maistre geißelt den Optimismus der 'besten aller möglichen Welten', der anscheinend einige Denker des 18. Jh. kennzeichnete. Natürlich war de Maistre mit dieser Reaktion nicht allein; Voltaires Candide zum Beispiel enthielt eine brillante Satire auf derlei philosophischen Optimismus."[# So kommentierten dies seine Herausgeber. A.a.O., S. 31.]

Die Rede ist von der "besten aller möglichen Welten", der liebevollen Idee, die Gottfried Wilhelm Leibniz der modernen Welt von Platon und Christus übermittelte und dafür von Voltaire im Candide verspottet wird. Dieses platonische Erbe von Leibniz, das vom Amerika des Cotton Mather und Benjamin Franklin weitergetragen wurde, ist der entscheidende Punkt.

Es wirkt noch nach Jahrhunderten höchst wunderlich, wie de Maistre die unterschwellige Wut seiner Fraktion ausdrückt:

"Ich bezweifle nicht nur die Stabilität der amerikanischen Regierung, auch bestimmte Einrichtungen des englischen Amerika wecken kein Vertrauen in mir. So konnten sich die Städte, angestachelt durch einen wenig ehrenhaften Neid, nicht einmal darauf einigen, wo sich der Kongreß versammeln sollte; keine wollte die Ehre einer anderen überlassen. Folglich entschieden sie, eine neue Stadt als Hauptstadt zu bauen. Sie wählten einen sehr günstigen Ort am Ufer eines großen Flusses und verfügten, daß die Stadt Washington heißen soll. Das Gelände für die öffentlichen Gebäude wurde festgelegt, die Arbeit hat begonnen und der Plan dieser Hauptstadt hat schon die Runde in Europa gemacht. Im wesentlichen ist an all dem nichts, was menschliche Kraft überstiege; eine Stadt zu erbauen, ist leicht. Nichtsdestoweniger ist darin zuviel Überlegung, zuviel Menschlichkeit, und man kann tausend zu eins wetten, daß die Stadt nicht gebaut wird, daß sie nicht Washington heißen wird und daß der Kongreß sich dort nicht versammeln wird."[# a.a.O., S.60-61.]

Vor dem Hintergrund des Wahnsinns und der Zerstörung, die der geschlagene Napoleon hinterließ, konnte das amerikanische Modell für lange Zeit in Europa nicht mehr Fuß fassen. Aber de Maistre entpuppte sich als schlechter Prophet: Die USA überlebten 1861-65 einen Bürgerkrieg, obwohl die aufsässigen Sklavenbesitzer von den Briten und ihrem Juniorpartner Frankreich, wo inzwischen der Neffe Bonapartes, Napoleon III., regierte, nach Kräften unterstützt wurden.

Abraham Lincolns kluge Wirtschaftspolitik verwandelte die Vereinigten Staaten innerhalb von 20 Jahren in die größte Industriemacht der Welt. Der Schlüssel dazu waren hohe Einfuhrzölle zum Schutz der aufstrebenden Industrie und riesige öffentliche Investitionsprogramme. Und weil diese Politik so erfolgreich war, wurde sie zum Vorbild für Deutschland unter Bismarck, Rußland unter Alexander II., Japan nach den Meiji-Reformen, China unter Sun Yat-sen, Irland unter Arthur Griffith, Indien unter Renada, Mexiko unter Oligabel und Kolumbien unter Nunez. Das nahe Ende ländlicher Rückständigkeit, das heraufziehende Zeitalter der Elektrizität, der Stahlwerke und des energiereichen Verkehrs unter ausgesprochen anti-imperialistischen Vorzeichen bedeutete, daß für die alte Geldoligarchie das Ende ihrer Weltmacht nahte.

In diesem weltweiten Kräfteringen wurden drei amerikanische Präsidenten erschossen: Lincoln, James Garfield und William McKinley. Und die europäischen Feinde Amerikas erfanden eine neue Variante der Angriffswaffe, die man früher in Frankreich angewandt hatte. Joseph de Maistres Werk war der Leim, der die Bewegung der synarchistischen Bankiers zusammenhielt - u.a. seine haarsträubende Behauptung, letztlich halte nur der Henker (oder Mörder) die Gesellschaft zusammen, und seine Forderung, die Kirche müsse eine Welt regieren, aus der Vernunft und Fortschritt verbannt sind.

Die neuen Techniken der Synarchisten stützten sich auf die Methoden zur Manipulation der Gesellschaft, die man vorher in dem "Projekt Napoleon" eingesetzt hatte. Ein martinistischer Magier und Kumpan de Maistres, Fabré d'Olivet, wurde in die Spitze von Napoleons Kriegsministerium geholt. Als Berater in okkulten Fragen flüsterte auch er Napoleon etwas von der Vorsehung und dem Triumph des Willens ein. Die Schüler von d'Olivet und de Maistre entwickelten sich Ende der 70er Jahre des 19. Jh. zu einer geschlossenen Bewegung und in den 20er Jahren des 20. Jh. zu einer Gruppierung von Bankiers, die nach der Weltherrschaft strebten.

Auf diese Erfahrungen und Fähigkeiten stützten sich die Hintermänner Hitlers und Mussolinis, wie die Bank von England und deren Gouverneur Montagu Norman, Lord Halifax, Lord Beaverbrook, die Warburgs, die französisch-schweizerische Bankengruppe Lazard Frères, J.P. Morgan, Brown Brothers Harriman, Hjalmar Schacht oder Richard Koudenhove-Kalergi.

In dieser Tradition stehen auch Leo Strauss von der Universität Chikago und der von ihm bewunderte Kronjurist der Nazis, Carl Schmitt. Aus dieser Quelle schöpfen die Schüler von Strauss und Schmitt wie Cheney, Rumsfeld, Wolfowitz. Und Leute wie Justizminister Ashcroft und seine religiös-fundamentalistischen, in Wirklichkeit heidnischen Unterstützer, finden hier ihre Leitbilder. Wenn man sie nicht von den Hebeln der Macht entfernt, werden sie es womöglich schaffen, daß die Stadt Washington eines Tages nicht mehr da ist und der Teufel seine Wette doch noch gewinnt.


Pierre Beaudry, Jeff Steinberg und der verstorbene Graham Lowry haben an den Forschungen für diesen Bericht mitgewirkt