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Ein Neues Paradigma – Voraussetzung für den Erhalt des Weltfriedens

Die Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 9.April 2022 war eine außergewöhnliche Demonstration jener Zusammenarbeit von Nationen und Kulturen, die erforderlich ist, um die derzeitige Bedrohung der Zivilisation, vielleicht die größte aller Zeiten, zu bewältigen. Führende Vertreter aus den USA, Europa, Rußland, China, Indien, Südafrika und Südamerika - allen voran der Botschafter der Russischen Föderation in den Vereinigten Staaten - sprachen über die großen Herausforderungen, mit denen die Menschheit aktuell konfrontiert ist: die militärische und wirtschaftliche Konfrontation der Atommächte, der hyperinflationäre Zusammenbruch des dollarbasierten Finanzsystems, die anhaltende Pandemie und der kulturelle Niedergang in ein neues finsteres Zeitalter. Trotz unterschiedlicher Auffassungen zu einzelnen Themen waren sich alle Redner darin einig, daß nur ein totaler Systemwechsel, eine neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur, wie sie der Westfälische Friede von 1648 darstellt, den Zusammenbruch umkehren und den notwendigen Prozeß zur Schaffung einer neuen Ära des Weltfriedens durch Entwicklung einleiten kann.

Die Initiatorin der Konferenz, Helga Zepp-LaRouche, eröffnete die Plenarsitzung mit der Feststellung, daß die gegenwärtige Gefahr eines Atomkrieges nicht erst mit der russischen Militäroperation in der Ukraine begann. Wie ihr verstorbener Ehemann Lyndon LaRouche immer betont habe, liege die tiefere Ursache des Krieges im unvermeidlichen Zusammenbruch des transatlantischen Finanzsystems und des Neoliberalismus, womit das Ende der Machtstrukturen der derzeitigen Eliten drohe.

Davon ausgehend gab sie einen Überblick über die Entwicklung der Beziehungen zwischen der NATO und Rußland seit dem Fall der Berliner Mauer 1989. Heute sei klar, daß die von Großbritannien und den USA durchgesetzte „unipolare Welt“ mit ihren Sanktionen weltweit zu enormer Armut führe und bis zu einer Milliarde Menschen dieses Jahr dem Hungertod aussetze.

Doch es entstehe ein neues System mit Mächten außerhalb der transatlantischen Welt im Mittelpunkt. Angetrieben von den illegalen Wirtschaftssanktionen planten Rußland, China, Indien u.a. nun ein neues Währungssystem. Zepp-LaRouche warnte jedoch, wir müßten darauf hinarbeiten, daß die USA und Europa sich dem neuen System auf der Basis von Frieden durch Entwicklung anschließen, statt weiter die bankrotten Finanzinstitute zu verteidigen.

Der Botschafter der Russischen Föderation in den USA, Anatoli Antonow, legte in seiner Rede die Sicht Moskaus auf die gegenwärtige gefährliche Konfrontation zwischen USA, NATO und Rußland dar. Man dürfe die Krise nicht auf die Ukraine-Frage reduzieren, sondern müsse die Wurzel des Problems betrachten.

Mit Blick auf die Zeit nach der Auflösung der Sowjetunion stellte er fest, die westlichen Mächte hätten sich selbst zum Sieger erklärt und den Grundstein für die „berüchtigte regelbasierte Ordnung“ gelegt, in der die Rolle nicht von Washington kontrollierter internationaler Institutionen immer weiter schrumpfte. Trotz Rußlands „Kompromißbereitschaft“ und wiederholter Versuche, mit dem Westen zusammenzuarbeiten, dehnte sich die NATO weiter nach Osten aus und hielt Militärübungen an Rußlands Grenzen ab, während wichtige globale Sicherheitsabkommen gekündigt wurden. Ein Ergebnis ist, daß heute „die kombinierten Militärausgaben der NATO-Länder den Verteidigungshaushalt Rußlands um mindestens das 25fache übersteigen“.

Nach Ansicht Moskaus „muß jedes System der europäischen Sicherheit die nationalen Interessen aller Staaten berücksichtigen, einschließlich natürlich Rußlands... Wir müssen eine gleichberechtigte Partei der europäischen und globalen Sicherheit mit vollem Stimmrecht sein... Alles, was wir gefordert haben, war die Achtung und Anerkennung der nationalen Interessen Rußlands.“

Mit Blick auf die Ukraine erinnerte der Botschafter an die Position seines Landes: „Heute ist es äußerst wichtig, die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine zu erreichen, den atomwaffenfreien Status Kiews und sein Bekenntnis zu internationalen Abkommen über die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu konsolidieren... Vom ukrainischen Territorium aus darf es keine Bedrohung für die Russische Föderation geben. Dies ist das Ziel unserer Militär-Sonderoperation.“

Mit einer Stimme aus Indien, Afrika, China, Italien

Sam Pitroda, Telekommunikationsingenieur und Berater der indischen Premierminister Rajiv Gandhi und Manmohan Singh, rief dazu auf, die derzeitige Sicherheitsordnung, die auf Kommando- und Kontrollstrukturen beruhe, durch eine Weltordnung der Zusammenarbeit zu ersetzen, die statt auf Macht und Profit auf die Bedürfnisse der Menschen und der Erde ausgerichtet ist. Um den wirklichen Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden, reiche es nicht aus, „nur“ die Menschenrechte zu schützen, auch die physischen Bedürfnisse der Bevölkerung müßten erfüllt werden.

Auf Pitroda folgte Jay Naidoo, Minister in der Regierung von Nelson Mandela in Südafrika und Freiheitskämpfer gegen die Apartheid. Er sagte, im Rahmen des Aufbaus einer neuen und integrativen Sicherheitsarchitektur wolle Afrika als „ein Kontinent mit Bodenschätzen und natürlichen Ressourcen, die eine globale Wirtschaft antreiben, und mit dem jüngsten demographischen Profil der Welt“, eine herausragende Rolle spielen. „Wir brauchen keine Weltmacht, die als unser Polizist auftritt. Unser Bestreben ist es, das vom imperialen und kolonialem Denken geprägte Paradigma des Krieges zu überwinden.“

Chen Xiaohan von der Chinesischen Volksvereinigung für Frieden und Abrüstung sprach sich leidenschaftlich für eine „Zukunftsgemeinschaft der Menschheit“ aus, für die Präsident Xi Jinping wirbt. Sie ortete die Ursache vieler strategischer Probleme heute in den „über Jahrzehnte gewachsenen Widersprüchen der regionalen Sicherheit“, da nicht die legitimen Sicherheitsanliegen aller Parteien berücksichtigt werden.

Alessia Ruggeri vom Comitato per la Repubblica in Italien verurteilte die Scheinheiligkeit der westlichen Mächte, die zum Frieden aufrufen, aber gleichzeitig mit massiven Waffenlieferungen an die Ukraine den Krieg anheizen. Sie beschrieb die Folgen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs für die Fabriken und Familien in Italien, während gleichzeitig die Militärausgaben steigen.

Ablösung des dollarbasierten Systems ist auch gut für die USA

Alle Konferenzredner waren sich weitgehend einig, daß die derzeitige ungerechte Wirtschaftsordnung mit ihren rasch wachsenden Ungleichheiten ersetzt werden muß. Der EIR-Redakteur Dennis Small stellte den neuen „LaRouche-Plan für eine neue internationale Wirtschaftsarchitektur“ des Schiller-Instituts vor und erörterte das Potential seiner Umsetzung. Da die transatlantischen Mächte dazu nicht gewillt seien, müsse das „Strategische Dreieck“ China, Rußland und Indien dabei die maßgebliche Rolle einnehmen. Sie haben zusammen 38% der Weltbevölkerung, produzieren 42% des Weizens, 66% des Stahls usw. Aber sie müßten sich auf feste Wechselkurse einigen und zum Schutz Kapital- und Devisenkontrollen zwischen ihren neuen Währungsvereinbarungen und dem Dollar errichten. Vor allem aber, wie Lyndon LaRouche betonte, fuße eine neue Währungsvereinbarung auf der Glaubwürdigkeit ihrer Absicht, gemeinsam Kredit zu schöpfen und in naher Zukunft ebenso wie über Generationen hinweg in höhere physische wirtschaftliche Produktivität zu lenken.

Dies wurde durch den Vortrag von Justin Yifu Lin, ehemaliger Chefvolkswirt der Weltbank, noch unterstrichen. China habe schon lange verstanden, daß es als große Wirtschaftsmacht verpflichtet ist, zur weltweiten Entwicklung beizutragen, und dies über bestehende internationale Institutionen wie IWF und Weltbank  versucht. Diese hätten es jedoch jahrzehntelang nicht geschafft, eine nennenswerte Anzahl von Ländern mit niedrigem Einkommen zu mittlerem Einkommen oder solchen mit mittlerem Einkommen zu hohem Einkommen zu verhelfen. Daher habe China eigene Infrastrukturprojekte gebaut und die Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI) entwickelt, um ähnliche Projekte Entwicklungsländern anzubieten.

Der chinesisch-amerikanische Geschäftsmann George Koo erklärte, das System des Dollars als Weltreservewährung sei praktisch am Ende, weil „die Biden-Sanktionen“ den „Tod des Dollars“ bedeuteten - die USA seien in Währungs- und Kreditfragen nicht mehr vertrauenswürdig. Nur ein kleiner Teil der Staaten der Welt habe sich den Sanktionen angeschlossen, und die Abkehr vom Dollar habe schon vor dem Ukraine-Krieg begonnen.

Zwei führende Vertreter des kolumbianischen Gewerkschaftsbundes CTU USCTRAB, Pedro Rubio und Fraydique Gaitán, erläuterten, wie ihr Land und ganz Südamerika von Infrastrukturprojekten wie der BRI profitieren können. Der altgediente indische Journalist Saeed Naqvi, der 110 Länder bereist und von dort berichtet hat, beschrieb seine Erfahrung, wie die Medien im Laufe der Jahrzehnte immer polarisierter und unwahrer geworden seien. „Wenn Krieg ausbricht, ist die Wahrheit das erste Opfer“, zitierte er Aischylos.

Neudefinition des Begriffs der „Sicherheit“ als menschlicher Fortschritt

Jacques Cheminade, Vorsitzender der französischen Partei Solidarité et Progrès, eröffnete die dritte Sitzung mit einem Vortrag über den Westfälischen Frieden von 1648, der 150 Jahre Kriege und Grausamkeiten in Europa beendete, als notwendige Inspiration für die Sicherung einer dauerhaften Friedensordnung in der heutigen Welt. Der Westfälische Frieden sei durch einen Wandel im Denken erreicht worden, indem agapē (Nächstenliebe als schöpferisches, erlösendes Wohlwollen gegenüber allen Menschen) angewandt wurde, um die erforderliche höhere Ordnung der Beziehungen zwischen Staaten und Menschen zu schaffen. Das erste der drei Grundprinzipien des Westfälischen Friedens - daß jede Partei das Wohl der anderen anstreben soll - sei das Gegenteil von Geopolitik! Das zweite, die Einigung auf ein ewiges Vergeben aller Greueltaten der Vergangenheit, sei ein Beispiel für die Fähigkeit der Menschheit, eine Zukunft zu entwerfen und zu schaffen, die frei von der Selbstzerstörung der Vergangenheit ist. Aus dem dritten Grundsatz, der Überwindung des wirtschaftlichen Ruins, in den alle geraten waren - u.a. durch Moratorien auf illegitime Schulden -, sei eine neue wirtschaftliche Denkweise entstanden, wobei der Staat Verantwortung für die Förderung wirtschaftlicher Verbesserung durch wissenschaftlich-technischen Fortschritt trägt. Diese auf Nächstenliebe basierenden Prinzipien seien alles andere als utopisch, mahnte Cheminade, sie seien der einzige Weg zum Frieden.

Die anderen drei Redner trugen jeweils mit ihren besonderen Erfahrungen zur Bereicherung der Diskussion bei. Diogène Senny, Präsident der Panafrikanischen Liga, brachte die Entschlossenheit der Afrikaner zum Ausdruck, den Kontinent von der Geopolitik zu befreien und sich am Aufbau einer neuen globalen Ordnung zu beteiligen, die das Recht aller Menschen auf Energie, Nahrung und Wasser sichert. Caleb Maupin, der junge amerikanische Gründer der Denkfabrik Center for Political Innovation, beschrieb den wirtschaftlichen Zusammenbruch in den USA, von dem ein Großteil der amerikanischen Familien betroffen sei, die leider nichts von den Fortschritten in anderen Teilen der Welt mitbekommen. Er empfahl begeistert die Schriften von Lyndon LaRouche als großem „Visionär“ und Quelle der Inspiration für alle.

Schließlich sprach Mike Callicrate aus den USA über die Nahrungsmittelkrise als Folge eines Weltsystems, das von Kartellen und immer mehr Konzentration des Reichtums geprägt ist und das Landwirte, unsäglich behandelte Arbeitsmigranten etwa in Großschlachtereien sowie Verbraucher gleichermaßen ruiniert.

Entwicklung ist der neue Name für Frieden

Der letzte Konferenzabschnitt befaßte sich mit der dringenden Notwendigkeit, alle Nationen der Erde zu entwickeln. Dennis Speed, langjähriges führendes Mitglied der LaRouche-Bewegung, beschrieb die Gründung des Komitees für den Zusammenfall der Gegensätze durch die Gründerin des Schiller-Instituts Helga Zepp-LaRouche und die frühere Leiterin der US-Gesundheitsdienste (Surgeon General) Joycelyn Elders. Eine angemessene Gesundheitsversorgung sei die Voraussetzung für jede menschliche Entwicklung.

Helga Zepp-LaRouche erläuterte dann die „Operation Ibn Sina“, die sie im August 2021 nach dem Abzug der US- und NATO-Truppen aus Afghanistan ins Leben gerufen. Daud Azimi von der Peace National Front of Afghanistan (Nationalen Friedensfront Afghanistans) gab einen Überblick über die konkrete Lage in Afghanistan, wo verschiedene ethnische Gruppen miteinander in Konflikt stünden und eine Zusammenarbeit dringend erforderlich sei, während die Taliban-Regierung nur über geringe Ressourcen verfüge und von anderen Regierungen bisher nicht anerkannt wird.

Princy Mthombeni, Kommunikationsspezialistin aus Südafrika und Gründerin von Africa4Nuclear, hielt einen leidenschaftlichen Vortrag über ihr Engagement, ganz Afrika ins Nuklearzeitalter zu bringen, d.h. in ein Zeitalter mit moderner, reichlicher Atomenergie, ohne Kriege. Selbst in Südafrika, das seit fast vierzig Jahren ein funktionierendes Kernkraftwerk hat, herrsche ein verzweifelter Mangel an Energie und damit an allem. Dies sei kein Naturgesetz, sondern eine von Menschen gemachte Situation. In der Diskussion äußerte Mthombeni Mißtrauen gegen „Klimaschützer“, die von der Kernenergie abraten, obwohl sie zu 100% kohlenstofffrei ist.

Videos von der Konferenz finden Sie im englischen Original unter https://schillerinstitute.com/blog/2022/04/08/conference-for-a-conference-to-establish-a-new-security-and-development-architecture-for-all-nations/  und auf Deutsch demnächst unter https://schillerinstitute.com/de/blog/2022/03/18/internet-konferenz-am-9-april-2022-die-schaffung-einer-neuen-sicherheits-und-entwicklungsarchitektur-fuer-alle-nationen/

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